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Beteiligungskapital Milliarden-Deal für deutschen Risikoinvestor Earlybird

Die Stimmung bei Investoren und Gründern ist mies. Dennoch gelingt dem Münchener Start-up-Finanzierer Earlybird ein Rekord-Exit. Dreht sich die Stimmung?
01.06.2020 Update: 01.06.2020 - 15:34 Uhr Kommentieren
Start-Ups: Münchener Risikoinvestor Earlybird gelingt Rekord-Exit Quelle: PR
Earlybird-Mitgründer Hendrik Brandis

Zynga übernimmt die türkische Firma Peak Games für 1,8 Milliarden Dollar.

(Foto: PR)

Frankfurt, Düsseldorf Die Stimmung unter deutschen Start-ups könnte kaum schlechter sein. Sieben von zehn jungen Technologiefirmen gaben in Umfragen an, dass sie in der Coronakrise um ihre Existenz fürchten – wegen wegbrechender Umsätze. Aber auch, weil Investoren immer vorsichtiger werden. Doch das ist nicht überall so. 

Dem deutschen Risikoinvestor Earlybird ist mitten in der Coronakrise ein Rekord-Exit gelungen: 2011 hatte der Münchener Start-up-Finanzierer in das junge Istanbuler Spieleunternehmen Peak Games investiert. Nun übernimmt der schnell wachsende US-Spieleanbieter Zynga die türkische Firma für 1,8 Milliarden Dollar. Dem Investor Earlybird, der zuletzt rund 30 Prozent an dem Start-up gehalten hatte, spült die Transaktion mehr als 520 Millionen Dollar in die Kasse.

Ein Rekord für den Investor – und für den Markt insgesamt. Es ist eine der größten Tech-Transaktionen seit Ausbruch der Coronakrise. Zudem hat kaum ein anderer deutscher Risikoinvestor bei dem Verkauf eines Start-ups in den vergangenen Jahren bei einer einzelnen Transaktion mehr eingenommen. „Wir freuen uns, mitten in der Krise den größten Deal unserer Unternehmensgeschichte machen zu können“, sagt Earlybird-Mitgründer Hendrik Brandis dem Handelsblatt. Earlybird erhält die Hälfte des Geldes in bar, den Rest in Zynga-Aktien.  

„Diese Krise ist anders als die vergangenen“, sagt Brandis. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase und in der Finanzkrise habe es nur Verlierer gegeben, sagt der Investor. „Jetzt gibt es auch Gewinner. Neben Lösungen für Videokonferenzen, Lieferdiensten und Telemedizin-Anbietern gehören auch Spielefirmen dazu.“

Das zeigt auch der Zynga-Aktienkurs, der seit Anfang des Jahres um mehr als 25 Prozent zugelegt hat. Nach Bekanntgabe des Deals am Montag legten die Papiere von Zynga zum Börsenstart in New York rund vier Prozent zu.  Videospiele sind aber nicht erst seit der Coronakrise ein Wachstumsfeld. 2019 haben Entwicklerstudios mehr Umsatz erwirtschaftet als die Filmindustrie an den Kinokassen. Besonders im Fokus waren dabei Mobile Games mit Umsatzerlösen von rund 43 Milliarden Euro. 

Erfolgreich im arabischen Raum

Peak Games hatte zunächst erfolgreich Spiele für den arabischen Raum entwickelt. In den vergangenen Jahren sind der Firma aber zwei internationale Hits gelungen: das 2015 veröffentlichte Puzzlespiel Toy Blast und der 2017 erschienene Nachfolger Toon Blast, die regelmäßig um neue Levels erweitert werden.

Beide Spiele halten sich seit Jahren in den internationalen Hitlisten. Laut dem App-Analysehaus Sensor Tower haben die Nutzer durch In-App-Käufe bis August 2019 mehr als 1,1 Milliarden Dollar ausgegeben. Das hat die Istanbuler Firma für viele global tätige Digitalunternehmen so interessant gemacht.

Aus Investorenkreisen erfuhr das Handelsblatt, dass auch der chinesische Internetkonzern Tencent Interesse an Peak Games gehabt haben soll. Earlybird wie auch das Unternehmen selbst wollten das nicht kommentieren. 

„Ein Börsengang von Peak Games wäre aus unserer Sicht auch möglich gewesen“, sagt Roland Manger, Mitgründer und Partner bei Earlybird. Doch der Gründer Sidar Sahin hatte andere Pläne. Das Unternehmen hätte durchaus ein entscheidender europäischer Player in der Branche werden können.

Nun verliert es die Unabhängigkeit. „Am Ende geht es darum, unter Abwägung aller Faktoren die beste Lösung für das Portfoliounternehmen zu finden“, sagt Manger. 

Durch die Übernahme stärkt Zynga seine ohnehin schon mächtige Position im Markt für Mobile und Social Games, Spiele also, die über Smartphones und soziale Netzwerke gespielt werden. Besonders beliebt sind die Peak-Games-Spiele in den USA, aber auch Großbritannien und Japan zählen zu wichtigen Märkten für das Unternehmen. 

Zynga steigert durch die Transaktion die durchschnittliche Zahl seiner täglich aktiven Nutzer um mehr als 60 Prozent, lassen die Unternehmen wissen. Rund zwölf Millionen Nutzer hat Peak Games jeden Tag allein in den USA. 2019 hat das nach eigenen Angaben seit einigen Jahren profitable Unternehmen damit rund 600 Millionen Dollar Umsatz gemacht.

Der 1997 gegründete Wagniskapitalgeber Earlybird investiert vor allem in junge Technologiefirmen in Europa und verwaltet mehr als 1,5 Milliarden Euro. Zu den bekanntesten Portfolio-Unternehmen der Münchener gehören die Smartphone-Bank N26, das Kreditvergleichsportal Smava, die Bitcoin-Bank Bitwala und der Digitalversicherer Getsafe. 

Miese Stimmung bei Investoren

Der Deal fällt in eine Zeit, in der in der Venture-Capital-Branche in Deutschland die Stimmung auf dem Tiefpunkt ist. Das Geschäftsklima ist in den ersten drei Monaten auf ein Allzeittief abgestürzt. Im ersten Quartal 2020 gab der Geschäftsklimaindikator „German Venture Capital Barometer“ für das sogenannte Frühphasensegment um 72,3 Zähler auf minus 61,3 Punkte nach – ein in dieser Größenordnung noch nie da gewesener Rückgang. 

Die Bewertungen sowohl der aktuellen Geschäftslage als auch der Erwartungen der Wagnisfinanzierer haben sich massiv verschlechtert. Beide Indikatoren sind ins Minus abgerutscht, wie fast alle Bereiche des von der Förderbank KfW und dem Branchenverband BVK erstellten repräsentativen Barometers.

So hat sich die Stimmung bezüglich des Fundraisings – also der Aufnahme neuer Finanzmittel durch die Fonds – sowie der Exit-Möglichkeiten, der Neuinvestitionen und der erwarteten Wertberichtigungen stark verschlechtert. Mit Exit ist der Ausstieg der Gründer oder der ursprünglichen Investoren gemeint. Häufig verkaufen sie ihre Unternehmensanteile in Form eines sogenannten Trade-Sales an einen strategischen Investor und damit oft an ein anderes Unternehmen und scheiden somit als Gesellschafter des Start-ups aus. Auch ein Börsengang (IPO) ist möglich, in der Regel aber für die jungen Unternehmen schwerer umzusetzen.

Insofern ist der Exit von Earlybird ein Lichtblick. „Aus meiner Sicht ist die Lage bei Risikoinvestoren nicht so schlecht, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird“, sagt Earlybird-Gründer Brandis. „Jetzt gerade ist die Zeit, in der die Deals gemacht werden, die in den nächsten Jahren hohe Renditen abwerfen werden.“

Die Lage sei nicht düster: „Wir haben vor einigen Wochen eine Investitionsrunde in Höhe von 100 Millionen Euro bei unserem Portfolio-Unternehmen N26 mit abgeschlossen. Jetzt kommt dieser Milliarden-Exit hinzu. Das zeigt, dass wieder große Investitionsrunden und Exits stattfinden und dass endlich auch deutsche Investoren bei den größten globalen Tech-Deals an Bord sind.“

Die Zurückhaltung bei Neuinvestitionen und Zukäufen sei ein bekanntes Phänomen aus früheren Abschwüngen, sagt Brandis. Eine solche krisenbedingte Vorsicht gab es tatsächlich schon nach dem Ende des New-Economy-Booms um die Jahrtausendwende sowie in der Finanzkrise. In beiden Fällen hielten sich Investoren mit Neuengagements zurück und konzentrierten sich auf die Portfoliounternehmen, in die sie bereits investiert hatten.

Brandis rechnet damit, dass sowohl die Finanzierungsrunden wie auch die Bewertungen der Start-ups in den nächsten Jahren zwischen 25 und 50 Prozent niedriger ausfallen werden als direkt vor der Coronakrise. „Doch wie beim letzten Mal werden die Bewertungen in etwa vier Jahren ihr Vorkrisenniveau deutlich übertroffen haben“, sagt er. 

Zahl der Investitionsrunden gesunken

Die Vorsicht ist überall zu spüren: Im ersten Quartal ist die Zahl der Investitionsrunden in deutsche Start-ups deutlich gesunken. Von Januar bis März sind 22 Deals über insgesamt 344 Millionen Euro abgeschlossen worden, wie aus einer Untersuchung des Datenanbieters Refinitiv hervorgeht.

Damit war das Volumen der Transaktionen so niedrig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Die Zahl der Transaktionen fiel sogar auf das Niveau von 1997. Zur gleichen Zeit im Vorjahr hatten Investoren 54 Finanzierungsrunden in deutsche Start-ups abgeschlossen, die 1,4 Milliarden Euro einbrachten.

„Es war ein schwieriges erstes Quartal für deutsche Unternehmen. Wie wir es schon bei globalen M-&-A-Transaktionen gesehen haben, fordert das Coronavirus auch seinen Tribut bei den Start-up-Investitionen“, sagt der für das Deutschlandgeschäft verantwortliche Refinitiv-Manager Carl-Johan von Uexküll. Trotz der Lockerung der Kontaktsperren erwartet Refinitiv, dass die Investitionen im zweiten Quartal und auch darüber hinaus zurückgehen werden, da sich Wirtschaft und Geschäftsumfeld nur langsam erholen. Zu den größten Deals im ersten Quartal gehörten die Finanzierungsrunden in die HR-Plattform Personio, den Lieferanten-Suchanbieter Scoutbee sowie das Flugtaxi-Unternehmen Volocopter.

Europaweit wurden laut Refinitiv in den ersten drei Monaten 4,8 Milliarden Euro Wagniskapital in 294 Runden in Start-ups gesteckt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht dies beim Volumen einem Rückgang um rund ein Viertel und bei der Zahl der Transaktionen um 29 Prozent. Trotzdem ist das Quartal bezogen auf den Transaktionswert das zweitstärkste Eröffnungsquartal seit Beginn der Aufzeichnung. Die größte Wagniskapitalrunde stemmte die in London ansässige Digitalbank Revolut mit 462 Millionen Euro.

Die Exits beliefen sich Refinitiv zufolge in Europa von Januar bis März auf 35 Transaktionen von insgesamt 10,5 Milliarden Euro, was ein Plus von 30 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Dazu habe vor allem der Abschluss der Übernahme von Just Eat durch den Lieferdienst Takeaway.com im Wert von 7,3 Milliarden Euro beigetragen. Der wichtigste neu vermeldete Ausstieg sei die 285 Millionen Euro teure Übernahme der Zell- und Gentherapie-Plattform Masthercell durch den US-Pharmakonzern Catalent gewesen.

„Es wird auch einzelne Unternehmen geben, die vor der Krise stark genug finanziert waren, ausreichende Rücklagen haben und solche, die die Chancen der Krise nutzen können, die dann gestärkt daraus hervorgehen können“, sagt Paul-Josef Patt, Vorstandschef der eCapital Entrepreneurial Partners AG. „Die Nachfrage nach Venture Capital dürfte durch die Pandemie nicht merklich sinken“, ergänzt Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes BVK-Vorstandsmitglied. 

Die Herausforderung sei, die Weiterfinanzierung der Start-ups sowohl in der Breite als auch bei den großen Vorzeigegründern sicherzustellen. Ansonsten drohten irreparable Schäden für das über die letzten Jahre mühsam aufgebaute Ökosystem. Die Venture-Capital-Branche sei aber gut kapitalisiert. Zudem habe die Bundesregierung reagiert und bereits ein Start-up-Programm zur Unterstützung aufgelegt.

„Ich glaube, der Staat hat schon unglaublich viel in kürzester Zeit geleistet und in Teilen vielleicht auch schon mehr, als dauerhaft verkraftbar ist. Wir sind froh, dass mit den unterschiedlichen Konzepten inzwischen auch Lösungsansätze nicht nur für Konzerne und Mittelständler, sondern auch für die in der Regel nicht bankfähigen Start-ups in unterschiedlichen Finanzierungsphasen vorliegen“, sagt Patt von eCapital.

Der Übergang zwischen Home und Office werde fließender. Davon könnten viele Start-ups profitieren, und rund um diese Themen würden sich neue Modelle bilden, meint Jan Brorhilker, Partner bei der Unternehmensberatung EY. Neben dem Spielesektor boomen auch Venture-Capital-Investments in „Health-Tech“-Unternehmen, also aus dem Gesundheitsbereich. Laut dem Analysehaus Preqin nahm der Wert der Investments im ersten Quartal 2020 gegenüber der Vergleichszeit des Vorjahres um 76 Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar zu.

Alternative Börsengang

Neben dem Verkauf der Start-ups wie im Fall von Peak Games sind Börsengänge eine gute Alternative. Auf die kurze Sicht von einem Jahr sind die Emissionen der jungen Firmen sogar besser gelaufen als Aktien in den großen Indizes. Wie das Analysehaus Pitch Book errechnet hat, legten die Start-ups an der Börse über ein Jahr gesehen um 4,2 Prozent zu. Dagegen büßte der Standard-&-Poor’s-500-Index sieben Prozent ein. Der US-Index für Wachstumsaktien Russell 2000 Growth lag sogar mit 18,6 Prozent im Minus.

Anders sieht es dagegen auf längere Sicht aus. Hier stehen einem Kursplus von 6,8 Prozent bei börsennotierten jungen Unternehmen auf Sicht von zehn Jahren ein Plus von 10,5 Prozent beim S&P 500 und 8,9 Prozent beim Russell-Index gegenüber. Die Top-Aktien im ersten Quartal 2020 waren nach Berechnungen von Pitch Book mit Vir, Forty Seven und Kezar Life Sciences drei Biotechnologie-Unternehmen, die 116 bis 173 Prozent zulegten. Auf Platz acht der Bestenliste rangiert das Mainzer Start-up Biontech, das in den ersten drei Monaten 72,4 Prozent Kurszuwachs zeigte.

In den USA läuft das Geschäft mit Venture Capital schon wieder gut an. Der Telekomkonzern Cisco Systems will angeblich das Start-up Thousand Eyes kaufen, um sich im Geschäft mit Software und Dienstleistungen zu verstärken. Cisco werde für das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar bezahlen, heißt es. Hoffnung in Europa macht die Entwicklung bei neuen Venture-Capital-Fonds. Gefragt sind beispielsweise Fintech-Unternehmen trotz der Coronakrise.

So plant die Schweizer UBS, mehrere Millionen Dollar eigenes Geld in Fintechs zu investieren, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Der bankeigene Venture-Fonds soll Investments in einer Bandbreite von zehn bis 20 Millionen Euro in Dutzende Unternehmen tätigen, die mindestens für fünf Jahre gehalten werden. Der Wagniskapitalfonds wird nur wenige Monate aktiv, nachdem bekannt geworden ist, dass Ralph Hamers von der niederländischen Bank ING im Oktober dem bisherigen Chef der UBS, Sergio Ermotti, nachfolgen soll.

Auch Earlybird ist offenbar dabei, einen neuen Fonds aufzulegen, ist aus Marktkreisen zu hören. Die Münchener sammeln demnach zwischen 200 und 300 Millionen Euro für einen neuen Technologiefonds. Kommentieren will Brandis das nicht. Klar aber ist, die Nachrichten über den Verkauf von Peak Games dürften den Münchenern helfen, neue Investoren zu finden. Denn durch den Verkauf des Spiele-Start-ups dürften die Earlybird-Anleger ihr Geld vervielfacht haben. 

Mehr: US-Investoren wenden sich von Europa ab

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