Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

BGH-Urteil Millionen-Belastungen für die Commerzbank – Einführung von Gebühren verzögert sich

Die Commerzbank bildet wegen Gebühren-Rückforderungen zweistellige Millionen-Rückstellungen. Für den Bankensektor gehen die Belastungen in die Milliarden.
17.06.2021 - 16:42 Uhr 1 Kommentar
Das Urteil verzögert die Einführung neuer Preismodelle – das dürfte zu weiteren Ertragseinbußen führen. Quelle: dpa
Commerzbank

Das Urteil verzögert die Einführung neuer Preismodelle – das dürfte zu weiteren Ertragseinbußen führen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Auf den Bankensektor kommen wegen eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Bankgebühren Milliardenkosten zu. Die Commerzbank werde im zweiten Quartal wegen möglicher Gebühren-Rückforderungen eine Rückstellung „im mittleren zweistelligen Millionenbereich“ bilden, sagte Finanzchefin Bettina Orlopp am Donnerstag. Zudem verzögere sich durch das Urteil die Einführung neuer Preismodelle.

Für die Branche könnten aus Rückforderungen und nun stockenden Preiserhöhungen in den kommenden Jahren nach Schätzung von Oliver Mihm, Chef der Beratungsfirma Investors Marketing, Belastungen von mehr als zwei Milliarden Euro entstehen.

Die Karlsruher Richter hatten Ende April entschieden, dass Geldhäuser bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen. Die bisher üblichen Klauseln, wonach Banken von einer stillschweigenden Zustimmung ausgehen können, wenn Kunden einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprechen, sind damit hinfällig.

Die Deutsche Bank rechnet wegen des Urteils mit Belastungen von rund 300 Millionen Euro. Das Institut werde im zweiten Quartal eine Rückstellung über 100 Millionen Euro für mögliche Gebühren-Rückforderungen von Kunden bilden, sagte Finanzvorstand James von Moltke vergangene Woche. Zusätzlich erwartet die Bank Ertragseinbußen von je rund 100 Millionen Euro im zweiten und dritten Quartal.

Bei der Commerzbank sind die Belastungen geringer, weil es dort in den vergangenen Jahren weniger Gebührenerhöhungen gab. Allerdings erschwert das Urteil die Umsetzung neuer Preismodelle, die bei der Onlinetochter Comdirect ursprünglich zum 1. Mai und bei der Commerzbank zum 1. Juli eingeführt werden sollten.

Das Geldhaus werde die neuen Preismodelle, bei denen in vielen Fällen erstmals Gebühren erhoben werden, jetzt schrittweise einführen und Kunden dazu um ihre Zustimmung bitten, erklärte Orlopp. Dies könne entweder online oder bei einem Gespräch in der Filiale geschehen. „Das BGH-Urteil hat es uns sicher nicht einfacher gemacht“, betonte die Finanzchefin. Auf die Gebührenerhöhungen zu verzichten sei gerade angesichts des Zinsumfelds aber keine Option.

„Wir wollen als Bank für unsere Leistungen bezahlt werden“, sagte Orlopp. „Es geht ja auch niemand zum Friseur und erwartet von ihm einen kostenlosen Haarschnitt.“

Start-up-Beteiligung macht Belastungen mehr als wett

Orlopp betonte, dass die Belastungen durch das BGH-Urteil bereits in der Prognose der Commerzbank berücksichtigt sind. Das Institut hatte seine Ziele kürzlich angehoben und erwartet im laufenden Jahr Erträge leicht über dem Vorjahreswert.

Verkraftbar sind die Belastungen für die Commerzbank auch deshalb, weil der Konzern dank seiner Beteiligung am US-Start-up Marqeta im zweiten Quartal „einen schönen Bewertungsgewinn“ einfahren wird, wie Orlopp sagte. Dieser werde aller Voraussicht nach höher ausfallen als die Belastungen durch das BGH-Urteil.

Die Wagniskapital-Tochter Commerz Ventures hatte sich an mehreren Finanzierungsrunden des amerikanischen Zahlungsdienstleisters beteiligt und ist noch mit einem sehr geringen Prozentsatz an dem Unternehmen beteiligt. Nach dem Börsengang von Marqeta im April hat dieser Anteil deutlich an Wert gewonnen. Insgesamt wird das Unternehmen aktuell mit gut 16 Milliarden Dollar bewertet.

Andere Banken haben solche Einmalgewinne nicht – und müssen sich wegen des BGH-Urteils nun auf gewaltige Belastungen einstellen. Berater Mihm schätzt, dass Verbraucher theoretisch gut eine Milliarde Euro zurückfordern könnten. Das sei allerdings eine Maximalsumme. „Weil viele Kunden sich nicht die Mühe machen werden, auf Rückzahlungen zu bestehen“, würden die Belastungen am Ende vermutlich geringer ausfallen.

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass Kunden von Geldhäusern eine konkrete Summe verlangen und das gegebenenfalls sogar mit alten Bankunterlagen belegen müssen. Ein Teil der Verbraucher dürfte diesen Aufwand scheuen. Die Stiftung Warentest schätzt die Rückforderung im Schnitt auf „satte dreistellige Beträge“. Andere Beobachter rechnen mit 100 Euro je Kunde.

Die hohe Summe kommt zustande, weil ein Großteil der Banken und Sparkassen zuletzt die Preise angehoben hat. Mihm schätzt, dass in den vergangenen fünf Jahren mindestens drei Viertel der Banken und Sparkassen ihre Gebühren für Girokonten angepasst haben. Eine Auswertung der FMH-Finanzberatung zeigt, dass es allein seit Sommer 2018 bei 43 Prozent der Konten Gebührenerhöhungen gab. FMH hat 90 Konten von 69 Kreditinstituten, die dem Datendienstleister regelmäßig Konditionen melden, untersucht.

Der bürokratische Aufwand ist gewaltig

Noch größer dürfte der Schaden mit Blick auf die künftige Gebührenpraxis sein, was zu Ertragseinbußen führen dürfte. Aus Sicht der Banken seien Erträge von 1,3 Milliarden Euro gefährdet, so Mihm. Er stellt folgende Rechnung an: Man könne bislang davon ausgehen, dass Kreditinstitute im Schnitt etwa alle drei Jahre die Entgelte für Girokonten um 20 Euro pro Jahr erhöhen würden. „Von den rund etwa 100 Millionen Girokonten in Deutschland sind etwa 65 Millionen Girokonten für Preisanpassungen relevant“, erklärt er. Bei den übrigen Konten handelt es sich beispielsweise um Jugend- und Vereinskonten.

„Seit dem BGH-Urteil ist klar, dass Banken und Sparkassen schauen müssen, wie sie diese zuvor möglichen Ertragssteigerungen anders ausgleichen können – ob sie mit mehr Aufwand die Gebühren erhöhen und dafür umso stärker oder ob sie an anderer Stelle sparen“, so der Investors-Marketing-Chef.

Auch der bürokratische Aufwand für höhere Entgelte könnte deutlich mehr werden. Fraglich ist allerdings, ob Verbraucher auf Dauer profitieren oder ob sie zwar mit selteneren, dafür aber starken Gebührenanhebungen rechnen müssen. „Einfache Preiserhöhungen um 50 Cent oder einen Euro lohnen den Aufwand in Zukunft nicht mehr“, meint Mihm.

Grafik

Die Finanzaufsicht Bafin warnte bereits vor gravierenden Folgen für die gesamte Bankenbranche. „Das hat das Potenzial, richtig teuer für Banken zu werden. Wir würden nicht ausschließen, dass es in eine Größenordnung geht von der Hälfte des Jahresüberschusses, die da im Feuer stehen kann“, sagte Interimschef Raimund Röseler Mitte Mai.

Druck auf Sparkassen und Volksbanken steigt

Analyst Stuart Graham von Autonomous Research schätzt, dass bei der Deutschen Bank letztlich 20 Prozent der Jahreserträge aus Gebühren wegfallen könnten. Für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die den Markt mit privaten Kunden dominieren, rechnet Graham mit einem ähnlichen Anteil.

Das dürfte die ohnehin schwache Profitabilität vieler deutscher Geldhäuser weiter unter Druck setzen, erwartet die Ratingagentur Fitch. Das BGH-Urteil werfe die Frage auf, inwiefern die Kreditinstitute durch Gebührenerhöhungen die erodierenden Einnahmen aus dem Zinsgeschäft ausgleichen können.

Bisher macht das Zinsergebnis laut Fitch etwa 65 Prozent des Gesamtergebnisses der Branche aus. Angesichts der Negativzinsen der Europäischen Zentralbank sinken jedoch die Margen im Kredit- und Zinsgeschäft. Die Geldhäuser versuchen, das unter anderem durch höhere Gebühren auszugleichen.

Von Anfang 2015 bis Mai 2021 sind die Bankgebühren in Deutschland um 35 Prozent gestiegen, wie Barkow Consulting errechnet hat. Das schlägt sich auch in der wachsenden Bedeutung der Provisionsergebnisse nieder. Gerade in den Jahren 2017, 2018 und 2019 zogen diese bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutlich an, 2017 sogar um fast neun Prozent, so Barkow Consulting. Neben Kundenentgelten können auch wachsende Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr sowie mehr Wertpapiergeschäfte der Kunden den Provisionsüberschuss nach oben treiben.

Mehr: Commerzbank sucht neuen Privatkundenvorstand

Startseite
Mehr zu: BGH-Urteil - Millionen-Belastungen für die Commerzbank – Einführung von Gebühren verzögert sich
1 Kommentar zu "BGH-Urteil: Millionen-Belastungen für die Commerzbank – Einführung von Gebühren verzögert sich "

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Das die Bank das kostenlose Konto komplett abschafft stimmt leider nicht ganz da die Commerzbank immer noch ein kostenloses Girokonto anbietet

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%