Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Bilanzskandal Showdown im Bundestag: Altmaier, Scholz und Merkel vor dem Wirecard-Ausschuss

Die entscheidenden Tage im Untersuchungsausschuss stehen bevor: Die Bundesregierung muss sich rechtfertigen und acht drängende Fragen beantworten.
20.04.2021 - 04:00 Uhr 3 Kommentare
Seit Monaten tagt der Untersuchungsausschuss des Bundestags, um den Bilanzskandal um Wirecard aufzuklären. Quelle: dpa
Untersuchungsausschuss

Seit Monaten tagt der Untersuchungsausschuss des Bundestags, um den Bilanzskandal um Wirecard aufzuklären.

(Foto: dpa)

Frankfurt Wäre es nach der Bundesregierung gegangen, dann hätte es ihn nie gegeben: den Wirecard-Untersuchungsausschuss. Noch im September hatte die Große Koalition argumentiert, ein, zwei Sondersitzungen des Finanzausschusses reichten aus, um den größten deutschen Bilanzskandal aufzuklären. Der Ausschuss konstituierte sich dennoch am 8. Oktober. Inzwischen sagen selbst Kritiker: Er hat Licht in viele dunkle Ecken des untergegangenen Zahlungsdienstleisters gebracht.

In dieser Woche kommt es im Bundestag nun zum „Showdown“. Am Dienstag wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) befragt, zuständig für die Prüferaufsicht Apas. Am Mittwoch müssen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Finanzstaatssekretär Jörg Kukies Rede und Antwort stehen, unter anderem zum Versagen der „Bilanzpolizei“ DPR.

Am Donnerstag ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vor Ort, zuständig für die Finanzaufsicht Bafin. Und am Freitag schließlich muss Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pikante Fragen zum Werben ihrer Regierung für den Konzern beantworten.

Der Ausschuss hat die Aufgabe, die politische Verantwortung für den Milliardenskandal aufzuarbeiten. Diese Punkte sind noch immer unklar:

1. Hat Minister Altmaier bei der Wirtschaftsprüfer-Aufsicht geschlampt?

Wirecards Jahresprüfer EY steht im Zentrum des Skandals – und der Apas, für die Altmaier zuständig ist, wird zögerliches und bestenfalls lasches Handeln vorgeworfen. So berichtete EY der Apas Anfang Februar 2019 über einen Betrugsverdacht bei einer Wirecard-Tochter in Singapur.

Doch das veranlasste die Apas nicht, über eigene Schritte in der Sache nachzudenken oder andere Behörden wie die Bafin zu alarmieren. „Altmaier scheint vor allem darauf zu setzen, dass der Sturm an ihm vorbeizieht“, kritisiert die SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe.

Altmaier von Wirecard-Untersuchungsausschuss befragt

Dass man die Arbeit von EY kritischer hätte begleiten können, zeigt der Bericht des Sonderermittlers des Untersuchungsausschusses, Martin Wambach. Er wirft in dem Bericht, der dem Handelsblatt in großen Teilen vorliegt, den EY-Prüfern nachlässige Arbeit und teils eine Verletzung ihrer Pflichten vor. Wambachs Urteil hat Gewicht, weil er Vorstandsmitglied des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) ist, das in Deutschland die Standards setzt, an die sich Abschlussprüfer halten müssen.

Die einzige größere Aktion, die sich Altmaier zugutehalten kann, ist der Rauswurf des Apas-Leiters Ralf Bose im Januar. Bose hatte eingeräumt, privat mit Wirecard-Aktien gehandelt zu haben, als seine Behörde den Fall bereits untersuchte. Altmaier hat zwar angekündigt, die Compliance-Regeln für die Apas zu verschärfen, herausgekommen ist dabei bislang aber nichts. Auch gibt es bis heute keinen Nachfolger für Bose.

2. Wurde die Prüfstelle für Rechnungslegung nicht ausreichend kontrolliert?

Am Mittwoch muss Bundesjustizministerin Lambrecht zum Agieren der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Stellung nehmen. Der privatrechtliche Verein nimmt im System der zweistufigen Bilanzprüfung die Bilanzierung von Unternehmen unter die Lupe.

Im Fall Wirecard hatte die Bafin die DPR im Februar 2019, nach den ersten schweren Vorwürfen der „Financial Times“, mit der Prüfung der Wirecard-Bilanzen beauftragt. Danach passierte wenig. Gut 15 Monate dauerte die DPR-Prüfung, selbst bei der Insolvenz von Wirecard lag immer noch kein Abschlussbericht vor. Lambrecht schritt nicht ein.

Die Bundesjustizministerin schritt nicht ein, als die Arbeit der DPR stockte. Quelle: Reuters
Christine Lambrecht

Die Bundesjustizministerin schritt nicht ein, als die Arbeit der DPR stockte.

(Foto: Reuters)

Im Fokus steht auch die Tätigkeit von DPR-Präsident Edgar Ernst, der im Februar angekündigt hatte, sein Amt Ende 2021 niederzulegen. Er war wegen mehrerer Aufsichtsratsmandate parallel zu seinem DPR-Chefposten schon seit Jahren in der Kritik. Noch 2017 nahm Ernst ein weiteres Aufsichtsratsmandat an, obwohl interne Regeln das bereits seit 2016 untersagten.

Das Bundesjustizministerium bekam davon Wind, schritt aber nicht ein, wie die Antwort auf eine Anfrage des FDP-Parlamentariers Frank Schäffler zeigt. Schäffler bezeichnet Ernst als „Bauernopfer für das Aufsichtsversagen des Justizministeriums“: „Das Ministerium war zu jedem Zeitpunkt über das Aufsichtsratsmandat von Prof. Ernst bei der Metro AG informiert und hat es toleriert.“

CDU-Parlamentarier Matthias Hauer kritisiert: „Der Vorgang ist bezeichnend für den unprofessionellen Umgang des Ministeriums mit der DPR und dem zweistufigen Enforcement. Das Justizministerium ist für den Vertrag mit der DPR verantwortlich, hat sich aber – obwohl es dessen Verantwortlichkeit betrifft – kaum mit den Abläufen der DPR befasst.“

3. Wurden KfW oder Commerzbank zur Wirecard-Hilfe gedrängt?

Nach Lambrecht wird am Mittwoch Finanzstaatssekretär Jörg Kukies im Bundestag angehört. Zum gravierendsten Vorwurf gegen ihn zählt der Verdacht, er habe die Staatsbank KfW und die Commerzbank für eine Rettung von Wirecard in Stellung bringen wollen, nachdem der Bilanzbetrug bereits aufgeflogen war.

Dem Staatssekretär im Finanzministerium wird vorgeworfen, sich für eine Staatsrettung von Wirecard stark gemacht zu haben, nachdem der Bilanzbetrug bereits aufgeflogen war. Quelle: dpa
Jörg Kukies

Dem Staatssekretär im Finanzministerium wird vorgeworfen, sich für eine Staatsrettung von Wirecard stark gemacht zu haben, nachdem der Bilanzbetrug bereits aufgeflogen war.

(Foto: dpa)

Im Fall der KfW schürte ein aufgeregter E-Mail-Verkehr des Chefs der KfW-Tochter Ipex im Vorfeld eines Telefonats mit Kukies den Verdacht, der Staatssekretär wolle sich für Wirecard starkmachen. Hinzu kommen Aussagen vom Risikovorstand der Commerzbank, Marcus Chromik, der vor dem Ausschuss berichtet hatte, er und sein Team hätten ein „White Paper“ ans Bundesfinanzministerium mit Handlungsempfehlungen für Wirecard gesandt. Diese hätten allerdings „nicht einmal eine Halbwertszeit von 24 Stunden“ gehabt, weil sich die Ereignisse dann überschlugen.

Dass die Rettungsideen schnell wieder ad acta gelegt wurden, ist unstrittig. Doch für den FDP-Abgeordneten Florian Toncar zeigt der Vorfall, „dass die Regierung Wirecard noch als rettungswürdig ansah, als von der Titanic nur noch die Bugspitze aus dem Ozean ragte“. Damit ist für ihn klar, „dass vom Bundesfinanzministerium vor dem Zusammenbruch erst recht keinerlei Initiativen zu einem kritischeren Umgang mit dem Unternehmen zu erwarten waren“.

Kukies kann gegen diese Vorwürfe zwei Entlastungszeugen ins Feld führen: Der ehemalige Commerzbank-Chef Martin Zielke sagte vor dem Untersuchungsausschuss, Kukies habe zwar wissen wollen, ob es im Einzelhandel durch eine Wirecard-Pleite Probleme im Zahlungsverkehr geben könnte und ob es werthaltige Teile für spätere Verkäufe gebe. Die Bundesregierung habe aber keinen Einfluss auf das Verhalten der Commerzbank im Fall Wirecard ausgeübt. Auch KfW-Chef Günther Bräunig betonte öffentlich, „dass seitens des Bundesfinanzministeriums zu keiner Zeit auf die KfW oder die Ipex Druck ausgeübt worden ist, (...) irgendwie Wirecard zu retten“.

4. Hat das Finanzministerium Warnsignale ignoriert?

Noch ein weiteres Thema wird bei der Befragung von Kukies zur Sprache kommen: Die Frage, ob er richtig auf die Ergebnisse der KPMG-Sonderprüfung reagiert hat. Diese hatte im April 2020 schwere Mängel bei Wirecard offenbart, so konnte KPMG beispielsweise die Existenz großer Teile des Asienumsatzes nicht bestätigen.

Nachrichten, die dem Handelsblatt vorliegen, deuten auf eine Entlastung hin. Demnach war es Kukies, der schnell und entschieden auf die schwerwiegenden Erkenntnisse von KPMG reagiert hatte. Wenige Tage nach Veröffentlichung des Reports, am 1. Mai 2020, bezeichnete der Staatssekretär die schleppende Prüfung bei Wirecard als „nicht akzeptabel. Wie kann es sein, dass nach über einem Jahr noch kein Ergebnis vorliegt?“ Am 9. Mai schrieb Kukies an Bafin-Chef Felix Hufeld: „Das liest sich sehr bedenklich, haben wir das aufgeklärt? Was können wir tun, um Wirecard zur Aufklärung zu verpflichten?“

Der ehemalige Bafin-Chef rügte die die langsamen Fortschritte der DPR. Quelle: dpa
Felix Hufeld

Der ehemalige Bafin-Chef rügte die die langsamen Fortschritte der DPR.

(Foto: dpa)

Hart ins Gericht ging das Finanzministerium auch mit der seit Februar 2019 vor sich hin wurstelnden DPR aus dem Geschäftsbereich des Justizministeriums (BMJV). Hufeld rügte deren langsame Fortschritte: „Da die DPR dem Geschäftsbereich des BMJV zugeordnet ist und privatrechtlich strukturiert ist, müssen wir hier offensichtlich zu härteren Mitteln greifen, um den gebotenen Fortschritt zu erreichen. (...) Reaktionen des BMJV aus früheren Fällen, in denen wir (angeblich) die Autarkie der DPR angetastet haben, sprechen für eine hohe Sensibilität in diesem Thema“, schrieb der Bafin-Präsident.

Kukies’ Reaktion darauf war eindeutig: „Ich finde die Reports sehr besorgniserregend, ich stimme völlig zu, dass wir sehr klar und hart auf Transparenz bestehen müssen.“ Wenige Tage später ordnete er seine Fachabteilung an, der Bafin durch ein Schreiben „den Rücken (zu) stärken“, „mit aller Härte möglichen Verstößen nachzugehen und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen“ sowie „die Prüfungen der DPR an sich zu ziehen“.

5. Hätte das Finanzministerium das Leerverkaufsverbot stoppen können?

Am Donnerstag muss dann Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Das Verbot der Bafin von Wetten auf fallende Kurse von Wirecard im Februar 2019 zählt zu den umstrittensten Maßnahmen im Fall Wirecard.

Politisch ist vor allem die Frage spannend, welche Rolle das Finanzministerium hier gespielt hat. Zu viel Einflussnahme hat es nach bisherigem Stand nicht gegeben. Das Ministerium wurde vorab über die Entscheidung informiert und hat sie zur Kenntnis genommen, dabei aber keine Wertung vorgenommen.

Welche Rolle hat sein Ministerium beim Leerverkaufsverbot gespielt? Quelle: dpa
Bundesfinanzminister Olaf Scholz

Welche Rolle hat sein Ministerium beim Leerverkaufsverbot gespielt?

(Foto: dpa)

Eine solche Positionierung sei auch nicht üblich, betonte die zuständige Bafin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele vor dem Untersuchungsausschuss. Eine Intervention des Finanzministeriums bei Einzelmaßnahmen sei ihr in sechs Jahren als Exekutivdirektorin der Bafin „nicht passiert“.

Hätte das Finanzministerium grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, beim Leerverkaufsverbot zu intervenieren? Die „Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht“ legen dies nahe. Dort ist nämlich festgeschrieben, dass es bei einigen Bafin-Entscheidungen sogenannte „Erlaubnisvorbehalte“ gibt. Auf der anderen Seite steht in den Grundsätzen auch, dass die Bafin rechtlich selbstständig sei und ihre Aufgaben unabhängig wahrnehme. Bei Einzelentscheidungen mische sich das Finanzministerium deshalb grundsätzlich nicht ein, betonte Kukies.

6. Hat die Finanzaufsicht die Bundesbank übergangen?

Beim Leerverkaufsverbot hätte es für die Beamten im Bundesfinanzministerium noch einen anderen Grund gegeben, stutzig zu werden, sagt der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz. „Damals lag keine offizielle Stellungnahme der Bundesbank vor, die im Rahmen des internen Ablaufschemas bei solchen Maßnahmen eingeholt werden soll.“

Die Bafin hatte das Leerverkaufsverbot „mit einer ernst zu nehmenden Bedrohung des Marktvertrauens“ begründet. Sie verwies darauf, dass Wirecard-Aktien nach kritischen Presseberichten mehrfach stark eingebrochen waren und dass viele Leerverkäufer parallel auf fallende Kurse wetteten. Die Ausschläge der Wirecard-Aktie könnten „durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland bewirken“, erklärte die Bafin.

Die Bundesbank sah dies anders. Sie führte verschiedene Analysen zur Wirecard-Aktie durch. Im Anschluss informierte sie die Bafin, dass sie deren Einschätzungen „nicht teile und die damalige Kursentwicklung der Wirecard-Aktie keine Ausstrahlungseffekte auf andere in Deutschland börsennotierte Finanztitel hätte“. Eine offizielle Einschätzung gab die Bundesbank nicht ab. Viele Abgeordnete glauben, die Bafin habe diese bewusst nicht eingeholt, weil ihr nach einem mündlichen Austausch klar war, dass die Stellungnahme negativ ausfallen würde.

7. Hat Vizekanzler Scholz Insiderhandel in der Bafin zugelassen?

Zu den Lehren aus dem Skandal zählt die Erkenntnis, wie wichtig glasklare und wirksame Verhaltensvorschriften für private Finanzgeschäfte gerade auch für staatliche Behörden sind. Die hat es vor dem Wirecard-Skandal weder bei der Bafin, noch bei der Wirtschaftsprüfer-Aufsicht Apas oder in einem der Ministerien gegeben. Wie nachlässig das war, kam zunächst bei der Bafin ans Licht. Zahllose parlamentarische Anfragen legten offen, in welchem Ausmaß Mitarbeiter mit Wirecard-Aktien handelten, wie häufig sie ihre Deals verspätet meldeten und wie selten die Behörde die Angaben der Beschäftigten auf ihre Richtigkeit überprüfte. 

Mittlerweile ist es Mitarbeitern des Ministeriums verboten, mit Aktien und Derivaten zu Unternehmen handeln, über die sie potenziell Insiderinformationen erhalten könnten. Quelle: dpa
Bundesfinanzministerium in Berlin

Mittlerweile ist es Mitarbeitern des Ministeriums verboten, mit Aktien und Derivaten zu Unternehmen handeln, über die sie potenziell Insiderinformationen erhalten könnten.

(Foto: dpa)

Das Bundesfinanzministerium hatte im vergangenen Herbst die Reißleine gezogen und will im Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) ein weitgehendes Verbot von privaten Aktiengeschäften für Bafin-Mitarbeiter verankern. Seit Oktober hat die Bafin bereits vorsorglich spekulative Geschäfte sowie Transaktionen mit Finanzunternehmen verboten.

Mittlerweile hat das Bundesfinanzministerium auch eine Dienstanweisung für die eigenen Mitarbeiter erlassen. Sie verbietet den Beschäftigten den Handel mit Aktien und Derivaten zu Unternehmen, über die die Beschäftigten potenziell Insiderinformationen erhalten könnten.

8. Warum hat die Bundesregierung in China für Wirecard geworben?

Noch eine weitere Frage dürfte sich an Scholz, aber auch an Bundeskanzlerin Merkel stellen: Welche Rolle spielte die Bundesregierung bei der Unterstützung Wirecards? Der Verdacht besteht, dass Wirecards Expansion in Asien schon 2018 auf der Agenda ganz oben stand – im Rahmen des bilateralen Finanzdialogs, einer Regierungskonsultation auf höchster Ebene. „Die Bundesregierung führte den deutsch-chinesischen Finanzdialog gezielt im Hinblick auf die Interessen von Wirecard. Wirecard war ein nationaler Champion für die Bundesregierung und der diplomatische Jackpot“, sagt Fabio De Masi (Die Linke).

Dokumente, die dem Handelsblatt vorliegen, deuten auf ein starkes Engagement der Bundesregierung hin. Das Bundesfinanzministerium hatte selbst erklärt, dass Staatssekretär Wolfgang Schmidt im Juni 2019 „seinen chinesischen Counterpart (...) über das Interesse von Wirecard am Markteintritt informiert“ habe. Schmidt schickte einen von einem Berater formulierten Werbebrief nur minimal abgeändert nach Peking.

Das Finanzministerium tat bisher alles, um den Vorgang vom Minister fernzuhalten. Mit Scholz sei die Intervention in Peking nicht abgesprochen gewesen, hieß es aus dem BMF.

Der Wirecard-Berater und Ex-Finanzvorstand bedankte sich mehrfach bei der deutschen Botschaft in Peking für die Unterstützung. Quelle: Wirecard
Burkhard Ley

Der Wirecard-Berater und Ex-Finanzvorstand bedankte sich mehrfach bei der deutschen Botschaft in Peking für die Unterstützung.

(Foto: Wirecard)

Tatsächlich erkundigten sich 2019 in zahlreichen E-Mails Beamte des Bundesfinanzministeriums bei der deutschen Botschaft in Peking über die Fortschritte bei Wirecard. Mehrmals bedankte sich Wirecard-Berater und Ex-Finanzvorstand Burkhard Ley bei der Botschaft für die Unterstützung. Im Untersuchungsausschuss hatte ein zuständiger Referent des Bundesfinanzministeriums erklärt, Wirecard sei das einzige Unternehmen, an das er sich bei den Gesprächen des Finanzdialogs konkret erinnere.

In den Akten hinterlegt und besonders pikant ist eine vertrauliche E-Mail vom 14. Mai 2019. In dieser schrieb der Finanzexperte der deutschen Botschaft in Peking unter dem Betreff „positive Rückmeldung der Wirecard AG“, der Konzern sei „sehr zufrieden“ mit dem Verlauf der „Anbahnungsversuche“ durch das Bundesfinanzministerium. „Man freut sich dort, dass die Vereinbarung zwischen M und Liu He auf allen Ebenen der chinesischen Administration (…) scheinbar als Weisung aufgefasst wird, der Wirecard AG keine Steine in den Weg zu legen.“

Mit „M“ ist im Ministerium immer der Minister gemeint. Wirecard habe im Vorfeld und während des Finanzdialogs keine Rolle gespielt, heißt es hingegen in Ministeriumskreisen. Vielmehr sei es um Großkonzerne wie die Allianz gegangen. Der Themenpunkt 30 des Finanzdialogs, bei dem es um Zahlungsdienstleister ging, sei auf ausdrücklichen Wunsch der Chinesen eingefügt worden – und nicht für Wirecard.

Auch der Auftritt Merkels am Freitag wird mit Spannung erwartet, sagte SPD-Parlamentarier Jens Zimmermann (SPD). „Die Bundeskanzlerin ließ es zu, dass zahlreiche gut bezahlte Wirecard-Lobbyisten insbesondere aus Reihen der CSU Verbindungen bis in das Bundeskanzleramt knüpften – mit Erfolg, schließlich setzte sie sich beim Staatschef Chinas für den Markteintritt Wirecards ein.“ Am 3. September 2019 hatte Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei Merkel für Wirecard lobbyiert.

Die Intervention war von Erfolg gekrönt: Merkel reiste mit einer großen Delegation nach China, warb dort unter anderem bei Premierminister Li Keqiang und Staatspräsident Xi Jinping für Wirecard. Kurz nach der Reise, im November 2019, wurde Wirecards Akquisition in China eingeleitet. Im Bundestag wird Merkel erklären müssen, warum sie sich letztlich für Wirecard einsetzte.

Mehr: Stunde der Wahrheit für EY – Brisante Mails werfen neue Fragen auf.

Startseite
Mehr zu: Bilanzskandal - Showdown im Bundestag: Altmaier, Scholz und Merkel vor dem Wirecard-Ausschuss
3 Kommentare zu "Bilanzskandal: Showdown im Bundestag: Altmaier, Scholz und Merkel vor dem Wirecard-Ausschuss"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • @ Herr Pella
    Ich teile ihr Wunschdenken.


    Fakt ist: Besagte Politiker nehmen jedes Wort ihrer Berater für bare Münze und hinterfragen nichts mehr. Nicht nur beim Wirecard Skandal waren sie ein Spielball der Berater, sondern auch in der Pandemie. Politiker sollten wieder anfangen eigenständig zu denken und zu recherchieren. Auch wenn das einen Mehraufwand bedeutet! Das sind sie dem Land und den Steuerzahlern, welche ihr Gehalt finanzieren, schuldig!!

  • @ Herr Pella
    Ich teile ihr Wunschdenken.


    Fakt ist: Besagte Politiker nehmen jedes Wort ihrer Berater für bare Münze und hinterfragen nichts mehr. Nicht nur beim Wirecard Skandal waren sie ein Spielball der Berater, sondern auch in der Pandemie. Politiker sollten wieder anfangen eigenständig zu denken und zu recherchieren. Auch wenn das einen Mehraufwand bedeutet! Das sind sie dem Land und den Steuerzahlern, welche ihr Gehalt finanzieren, schuldig!!

  • Eigentlich gehören diese Leute nicht vor einen Untersuchungsausschuss im Bundestag sondern ALLE vor Staatsanwälten und Richtern.
    Leider aber alles nur Wunschdenken.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%