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Börsenbetreiber Übernahmegefecht in Mailand: Deutsche Börse hat schlechte Karten

Dem Frankfurter Konzern werden im Bieterwettstreit um die Borsa Italiana wenig Chancen eingeräumt. Analysten schlagen einen anderen milliardenschweren Deal vor.
10.09.2020 - 16:02 Uhr Kommentieren
Die italienische Politik spielt beim Poker um die Borsa Italiana eine entscheidende Rolle. Quelle: AFP
Mailänder Börse

Die italienische Politik spielt beim Poker um die Borsa Italiana eine entscheidende Rolle.

(Foto: AFP)

Frankfurt Theodor Weimer kennt sich aus in Mailand. Als langjähriger Chef der Hypo-Vereinsbank war der Manager regelmäßig beim dort ansässigen Mutterkonzern Unicredit zu Gast. Und auch in seinem aktuellen Job als Chef der Deutschen Börse zieht es den 60-Jährigen wieder nach Mailand. Denn dort steht die Borsa Italiana zum Verkauf – und die würde sich Weimer allzu gerne einverleiben.

Bereits im Februar hatte Weimer angekündigt, er werde sich die Mailänder Börse im Falle eines Verkaufs „definitiv ansehen“. Einige Monate später stellte die London Stock Exchange (LSE) ihre italienische Tochter dann ins Schaufenster. Die Frist für erste Angebote endet an diesem Freitag.

Aus Sicht von Insidern und Analysten hat die Deutsche Börse beim bevorstehenden Bieterwettstreit jedoch eher schlechte Karten – denn die Konkurrenz und der politische Einfluss auf den Prozess sind gleichermaßen groß.

Neben der Deutschen Börse buhlen Finanzkreisen zufolge auch die Schweizer Börse Six und die französische Mehrländerbörse Euronext um die Borsa Italiana. Laut einem Bericht der Zeitung „Milano Finanza“ bewerten die Interessenten das Mailänder Unternehmen mit 3,3 bis 3,7 Milliarden Euro.

Da Euronext zusammen mit der italienischen Staatsbank CDP bieten will, sehen Experten die Franzosen in der Favoritenrolle – denn Übernahmen von Börsen sind traditionell hochpolitische Entscheidungen. Mehrere italienische Politiker haben bereits deutlich gemacht, dass sie es am besten fänden, wenn die Mailänder Börse zumindest teilweise wieder in italienische Hände käme.

Der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri betonte diese Woche, die Regierung werde notfalls ein Veto einlegen, um eine Übernahme durch unliebsame Käufer zu verhindern. „Die Regierung verfolgt die Entwicklungen angesichts der strategischen Bedeutung der Borsa Italiana für das Funktionieren des Finanzsektors und der Realwirtschaft in Italien sehr aufmerksam.“

Mischt Macron mit?

Beteiligte gehen davon aus, dass sich die französische Regierung hinter den Kulissen intensiv für einen Verkauf an Euronext einsetzt. Präsident Emmanuel Macron ist schließlich ein ehemaliger Investmentbanker und hat sich bereits im Rahmen des Brexits stark für die heimische Finanzbranche ins Zeug gelegt.

Die Chancen, dass die Deutsche Börse am Ende den Zuschlag bekommt, seien wohl eher gering, sagten mehrere mit dem Thema vertraute Personen dem Handelsblatt. Angesichts der Coronakrise und politischer Unwägbarkeiten seien Vorhersagen derzeit aber sehr schwierig. Das Frankfurter Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern.

Die LSE hatte die Borsa Italiana 2007 für 1,6 Milliarden Euro gekauft. Zu ihr gehört auch die Staatsanleihenplattform MTS. Von dieser müssen sich die Briten nun auf Druck der EU-Wettbewerbshüter trennen, um grünes Licht für ihre 27 Milliarden Dollar teure Übernahme des Datenanbieters Refinitiv zu bekommen.

„Deutsche Börse würde Investoren irritieren“

Die LSE hat deshalb bereits bis Mitte August Angebote für MTS eingeholt. Laut LSE-Chef David Schwimmer spricht jedoch einiges dafür, gleich das ganze Italien-Geschäft zu verkaufen. MTS ist mit dem Rest des Unternehmens schließlich eng verzahnt.

Nach Ansicht von Analysten würden die Italiener am besten zur Euronext passen, die bereits Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel, Lissabon, Dublin und Oslo betreibt. „Eine Kombination von Euronext und Borsa Italiana wäre finanziell und strategisch attraktiv“, schreiben die Experten von Bank of America. Für die Deutsche Börse würde sich eine Übernahme zwar ebenfalls rechnen. „Die positiven Auswirkungen wären jedoch nicht so groß wie bei der Euronext.“

Die MTS sowie der Wertpapierverwahrer Monte Titoli, der ebenfalls zur Borsa Italiana gehört, würden aus Sicht von Experten gut ins Beuteschema der Frankfurter passen. Auf die gesamte italienische Börse, die sehr stark im traditionellen Aktiengeschäft aktiv ist, trifft dies eher weniger zu.

Weil der Aktienhandel weniger lukrativ ist als andere Geschäftsbereiche, hat sich die Deutsche Börse in den vergangenen Jahren auf den Ausbau anderer Segmente konzentriert „Das Unternehmen würde Investoren also irritieren, wenn es sich jetzt entscheidet, sein Engagement im Aktienhandel durch eine Übernahme der Borsa Italiana wieder zu erhöhen“, warnen die Analysten von Berenberg.

Sie halten einen Zukauf der Deutschen Börse in Italien auch deshalb für unwahrscheinlich, weil die LSE damit einen direkten Konkurrenten im Derivate- und Abwicklungsgeschäft stärken würde. Darüber hinaus wäre eine Übernahme durch die Hessen mit Unsicherheit behaftet, weil eine Freigabe durch die Wettbewerbshüter keinesfalls sicher ist. 2017 untersagte die EU-Kommission die damals geplante Fusion zwischen LSE und Deutscher Börse, weil sie wegen der MTS eine zu große Marktmacht des fusionierten Unternehmens bei der Abwicklung festverzinslicher Finanzinstrumente befürchtete.

Fondsplattform Allfunds würde 3,5 Milliarden Euro kosten

Statt einer Übernahme in Italien empfiehlt Berenberg der Deutschen Börse deshalb den Kauf der Fondsplattform Allfunds. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Madrid gehört mehrheitlich dem Finanzinvestor Hellman & Friedman, der sich zu Gerüchten über einen bevorstehenden Verkauf seiner Anteile genauso wie Allfunds nicht äußern wollte. Insgesamt würde Allfunds nach Einschätzung von Berenberg rund 3,5 Milliarden Euro kosten.

Die Deutsche Börse hat in diesem Segment zuletzt bereits zwei größere Zukäufe gestemmt. 2018 übernahm sie von der Zürcher Kantonalbank die Fondsplattform Swisscanto. Anfang 2020 kaufte der Dax-Konzern dann 51 Prozent der Fondsvertriebsplattform der Schweizer Großbank UBS – mit der Option, sich die verbliebenen 49 Prozent in zwei Jahren auch noch einzuverleiben.

Mit einer Übernahme von Allfunds befasst sich die Deutsche Börse nach Informationen des Handelsblatts dagegen bisher nicht. Der Fokus von Vorstandschef Weimer und seinem Team liegt derzeit auf Italien, wo die Frankfurter ihre Außenseiterchance nutzen wollen.

Weimer hat die Deutsche Börse nach der gescheiterten Fusion mit der LSE und dem vorzeitigen Rückzug von Ex-Chef Carsten Kengeter wieder in ruhigeres Fahrwasser gesteuert. Sein Ziel, den Rückstand auf die wertvollsten Börsenbetreiber durch große Übernahmen zu verkürzen, hat er bisher jedoch nicht erreicht.

Aus Sicht von Investoren ist das Unternehmen nicht auf große Übernahmen angewiesen und muss aufpassen, bei Zukäufen nicht zu viel zu bezahlen. Wenn Weimer auf absehbare Zeit keine große Übernahme gelingt, könnten die Aktionäre jedoch irgendwann auf die Idee kommen, eine Ausschüttung der überschüssigen Mittel zu fordern.

Mehr: Deutsche Börse will nach dem Wirecard-Skandal schärfere Regeln und Gesetze

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