Britische Kapitalmärkte Chef-Anlagestratege von Blackrock warnt: „Der Lackmustest für britische Aktien steht noch bevor“

Die weltweite Erholung des Wirtschaftswachstums unterstütze auch die britischen Aktien.
Frankfurt, London Mark Carney wollte seinem Nachfolger offenbar nicht vorgreifen. Der geldpolitische Ausschuss der Bank of England stimmte am Donnerstag mit sieben zu zwei Stimmen dafür, den Leitzins stabil bei 0,75 Prozent zu halten.
Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, die Hälfte der Analysten hatte auf eine Zinssenkung gewettet. Die konjunkturellen Daten seien nicht gut, aber „gut genug“, um abzuwarten, befand Gouverneur Carney. Es war seine letzte geldpolitische Sitzung, im März übergibt er sein Amt an Andrew Bailey.
Die Notenbank bleibt vorsichtig: Sie reduzierte ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr auf 0,8 Prozent. Das steht im Kontrast zu dem Optimismus, der an den Märkten seit dem klaren Wahlsieg Boris Johnsons im Dezember vorherrscht. Zugleich betonten die Notenbanker jedoch, dass die jüngsten Konjunkturbarometer wie der Einkaufsmanagerindex im Januar positiv ausgefallen seien.
Das Pfund notiert bei rund 1,30 Dollar. Die britische Währung steht laut einigen Marktteilnehmern vor einer Rally. Ende des Jahres könnte es bei 1,40 Dollar liegen, sagt Währungsexperte Alexander Batten vom Vermögensverwalter Columbia Threadneedle.
Ein entscheidender Faktor sei, wie groß das geplante Konjunkturprogramm der Regierung im März ausfallen werde. Der relativ harte Brexit, den Premier Johnson anstrebt, sei hingegen bereits eingepreist. Unter Druck käme das Pfund nur, wenn Ende des Jahres doch wieder ein ungeordneter Brexit droht. Dann könnte es auch wieder unter 1,30 Dollar fallen.
Auch am britischen Aktienmarkt ist ein Stimmungsumschwung zu spüren. Anleger seien erleichtert, dass der Brexit nun geregelt abläuft, sagt Martin Lück, Chef-Anlagestratege Deutschland und Osteuropa beim Vermögensverwalter Blackrock. Allerdings könne die Unsicherheit jederzeit zurückkehren, weil die künftige Handelsbeziehung noch nicht geregelt sei.
Viele Schwankungen an den britischen Kapitalmärkten
Die jüngste Erholung könnte trügerisch sein, meint Lück. „Der Markt ist etwas weit vorgeprescht. Denn der 31. Januar ist nur für die Geschichtsbücher interessant: Eigentlich passiert an dem Datum nichts.“ Es werde dieses Jahr noch viele Schwankungen an den britischen Kapitalmärkten geben, sagt auch Karen Ward, Chefanlagestrategin für Europa bei JP Morgan Asset Management.
Doch seien britische Aktien inzwischen wieder einen Kauf wert. 70 Prozent der Gewinne großer Unternehmen aus dem Leitindex FTSE 100 würden im Ausland erwirtschaftet. Die weltweite Erholung des Wirtschaftswachstums unterstütze die Aktien. Auch ihre relativ hohe Dividendenrendite von 4,1 Prozent mache sie attraktiv.
Ähnlich argumentiert Fondsmanagerin Maya Bhandari von Columbia Threadneedle. Britische Aktien seien im Vergleich zu europäischen und globalen Werten deutlich unterbewertet. Analysten seien optimistisch über künftige Firmengewinne, und obendrein zahlten viele Firmen gute Dividenden. Zwar blieben Brexit-Risiken, räumt sie ein. Insgesamt böten die Papiere aber eine „attraktive Risikoprämie“.
Alle befragten Strategen halten es für unwahrscheinlich, dass die britische Regierung es schafft, das Freihandelsabkommen mit der EU bis Ende des Jahres auszuhandeln. Auch Andrew Bosomworth, Leiter Portfoliomanagement bei Pimco in Deutschland, rechnet mit einer Verlängerung.
Aber es wäre wichtig, bis Ende des Jahres für einige wichtige Sektoren eine Übereinkunft zu bekommen, um eine Grundlage für das Miteinander zu behalten, meint er. Wichtig wären seiner Ansicht nach Bereiche wie Nahrungsmittel, Gesundheit, Dienstleistungen wie Sicherheit. Anleger könnten sich auf stärkere Kursschwankungen in diesem Jahr einstellen, insgesamt gingen die Kurse jedoch nach oben, meint der Pimco-Experte.
Weiterhin Gefahr eines ungeregelten Brexits
Sollte Johnson sich wieder bis zur letzten Minute weigern, eine Verlängerung der Übergangsperiode zu beantragen, wird die Gefahr eines ungeregelten Brexits in der zweiten Jahreshälfte wieder akut. „De facto gibt es dann keinen Deal“, sagt Lück. Dann kämen alle aus der Sommerpause und stellten fest, dass es kein Abkommen und keinen Antrag auf Verlängerung gibt. Die Sorglosigkeit des Marktes sei eine Gefahr für britische Aktien, Anleihen und die Währung.
Gerade bei kleinen Aktien könnte es deutliche Verkäufe geben, die Währung und auch diese Aktien um zehn bis fünfzehn Prozent nachgeben, meint er. Bei den großen Werten könnte die Währungsabschwächung etwas abfedern. Allerdings hängt deren Entwicklung auch noch von anderen Faktoren ab wie dem globalen Handelskrieg, dem US-Wahlkampf und auch dem Coronavirus.
Lück rät daher zur Vorsicht: Bei Aktien und Anleihen aktuell Gewinne mitnehmen und allmählich langsam Wertpapiere abbauen und Kursgewinne sichern. Die Anleger sollten nie vergessen, sagt er: „Der eigentliche Lackmustest für die britische Insel steht noch bevor.“
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