CFO des Monats Jan Kemper – Senkrechtstarter bei Pro Sieben Sat 1

An eine schnelle Rückkehr in den Dax glaubt der Finanzchef nicht.
München Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter von Pro Sieben Sat 1 ins Büro radeln. Schließlich ist es eine idyllische Strecke von München ins Hauptquartier nach Unterföhring, in weiten Teilen führt sie an der Isar entlang. Die allermeisten Beschäftigten benutzen das Zweirad auch wieder für den Nachhauseweg. Nicht so Jan Kemper.
Der Finanzvorstand des Medienkonzerns ist begeisterter Triathlet und lässt sein Rennrad öfter einmal im Büro stehen. Stattdessen joggt der drahtige Mann zurück in die Stadt. Aber erst nachdem er – zumindest in der warmen Jahreszeit – durch den nahe gelegenen Feringasee gekrault ist.
Kemper ist ausdauernd, zäh und mit einem festen Willen ausgestattet. Qualitäten, die seiner steilen Karriere durchaus zuträglich gewesen sein dürften. Der gebürtige Aachener war nur 37 Jahre alt, als ihn Aufsichtsratschef Werner Brandt zum Finanzchef der größten privaten Senderkette des Landes ernannte. Das war vor fast genau einem Jahr. Seither ist bei Pro Sieben Sat 1 kein Stein auf dem anderen geblieben. Einige Veränderungen kann der Betriebswirt als persönlichen Erfolg verbuchen. Doch längst nicht alles lief nach Plan.
Der Rauswurf aus dem Dax im März war wohl die größte Demütigung für den Mann mit dem dichten braunen, nach hinten gekämmten Haar. Schon lange vor seinem Amtsantritt am 1. Juni 2017 war der Aktienkurs ins Trudeln geraten. Vom ersten Tag an machte sich Kemper daher daran, mit den Investoren ins Gespräch zu kommen.
Doch so recht durchgedrungen ist er damit nicht. „Er hat es bis jetzt nicht so richtig verstanden, Vertrauen in das Geschäftsmodell zu schaffen“, meint ein Münchener Banker, der nicht namentlich genannt werden will. So musste die TV-Gruppe schließlich dem Chemiekonzern Covestro Platz machen.
Kemper kennt sich mit digitalen Geschäftsmodellen aus
An eine schnelle Rückkehr in die erste Liga der börsennotierten Unternehmen glaubt Kemper nicht: „Wenn ich sehe, wie viele Großkonzerne gerade Teile abspalten, kann es gut sein, dass der Dax 30 in einigen Jahren nur noch aus wenigen Unternehmen und deren Töchtern besteht.“
Covestro gehörte früher zu Bayer und ist dreimal so groß wie Pro Sieben Sat 1. Jüngst hat Siemens seine Medizintechnik-Sparte aufs Parkett gebracht, VW und Daimler verfolgen ähnliche Pläne für ihre Lkw-Divisionen. Alles Firmen, die wesentlich mehr Umsatz als Pro Sieben Sat 1 erzielen.
Besser lief es für Kemper, als er einen Geldgeber für die E-Commerce-Sparte NuCom suchte. Der Finanzinvestor General Atlantic stieg dieses Frühjahr ein, dabei wurde der Bereich mit 1,8 Milliarden Euro bewertet. Jörn Nikolay, Deutschland-Chef von General Atlantic, lobt den Münchener Medienkonzern. „Das ist ein Partner, dem wir vertrauen.“ Gleichzeitig setzt er Kemper und seine Mannschaft unter Druck. „Unser vorrangiges Ziel ist Umsatzwachstum“, betont Nikolay. „Damit schaffen wir Werte.“
Als ehemaliger Finanzchef des Internethändlers Zalando weiß Kemper genau, wie man E-Commerce steuert. Welche Kennzahlen sich wie zueinander verhalten, welche Ziele man wie definieren muss, um die Marge zu erhöhen. Er ist kein Gründer, sieht aber aus wie einer. Er versteht die Sprache der Start-up-Manager, kennt die Logik, die ihrem Handeln zugrunde liegt. „Bei diesen Geschäftsmodellen reicht es nicht, auf die Gewinn-und-Verlustrechnung zu schauen, man muss tief in die operativen Kennzahlen einsteigen“, betont er.
Eher überraschend dürfte für Kemper der Abgang des langjährigen Vorstandschefs Thomas Ebeling gekommen sein. Der Unternehmenslenker musste im Februar vorzeitig seinen Schreibtisch räumen. Dem 59-Jährigen wurde das schwache Geschäft der TV-Sender zum Verhängnis, letztlich gehen musste er freilich wegen seines losen Mundwerks. In einer Telefonkonferenz hatte er im Herbst über TV-Zuschauer gelästert, sie als ein „bisschen fettleibig und ein bisschen arm“ gebrandmarkt.
Vor seinem plötzlichen Ausscheiden legte Ebeling vergangenen Herbst gemeinsam mit Kemper aber noch die neue Strategie fest. Demnach steht der Konzern jetzt auf drei statt bisher vier Säulen: Am wichtigsten sind nach wie vor die werbefinanzierten Fernsehkanäle. Dazu kommen die E-Commerce-Sparte NuCom sowie die Filmproduktion.
Für Letztere bekam Kemper erneut den Auftrag, nach einem Partner zu fahnden. Es könnte der erste Deal werden, den Kemper gemeinsam mit Max Conze abschließt, dem neuen CEO. Der Ex-Chef des englischen Staubsaugerherstellers Dyson tritt am 1. Juni an, also genau ein Jahr nach Kemper.
Frühere Arbeitgeber: Credit Suisse und Morgan Stanley
Komplexe Deals sind für Kemper nichts Neues. Nach dem Studium an der WHU ging er erst einmal ins Investmentbanking, zu Credit Suisse und Morgan Stanley. 2010 wechselte er zum Onlinehändler Zalando. Nebenbei promovierte er an der RWTH Aachen. Gerade hat er seine Habilitationsschrift fertiggestellt. Kemper analysierte die Datenmengen, die Onlinehändler sammeln und leitete Hypothesen für die Praxis ab.
Sport, Uni, Pro Sieben Sat 1: Kemper ist keiner, der die Beine hochlegt. Zumal er auch als Business-Angel unterwegs ist, also Start-ups mit Know-how und Geld zur Seite steht. „Ich investiere nur in Unternehmen, bei denen mich das Geschäftsmodell reizt, ich einen Mehrwert leisten und über den Austausch mit den Gründern etwas lernen kann“, erklärt Kemper. Zu seinen Investments gehört Movingo, eine Umzugsplattform im Internet.
Intern beurteilen die Beschäftigten die Berufung des jugendlich wirkenden Finanzchefs gemischt. Die beiden Chefs von NuCom, Claas van Delden und Florian Tappeiner, sehen in Kemper vor allem einen fachkundigen Sparringspartner, dem im Onlinehandel niemand etwas vormacht. Mitarbeiter beschreiben Kemper als Manager, der zuhört und die Argumente seiner Leute ernst nimmt. Altgedienten Recken gilt Kemper allerdings als Leichtgewicht, dem es am Verständnis für das wichtige TV-Geschäft mangelt.
Was auch immer passiert, schon in jungen Jahren hat Kemper finanziell ausgesorgt. Für seine ersten sechs Monate entlohnte ihn Pro Sieben Sat 1 laut Geschäftsbericht mit knapp vier Millionen Euro. Dabei ließ sich Kemper für zwei Millionen verfallene Ansprüche aus einem Aktienoptionsprogramm seines vormaligen Arbeitgebers auszahlen. Wenn er mit den Finanzen des Konzerns ein ebenso glückliches Händchen hat wie mit seinen eigenen, dann haben die Investoren künftig wenig zu meckern.
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