Commerzbank im Bilanzcheck Zurück auf Los

Das Institut wird grundlegend umgebaut.
Frankfurt Als sich der altgediente Commerzbank-Chef Martin Blessing im vergangenen Jahr von den Aktionären verabschiedete, machte das Institut einen Milliardengewinn und zahlte erstmals seit der Finanzkrise wieder eine Dividende. „Der Weg zurück zu einer nachhaltig erfolgreichen Bank ist klar erkennbar“, sagte der Manager damals.
Blessing wechselte in die Schweiz, wo er nun das nationale Geschäft der UBS verantwortet. Sein Nachfolger Martin Zielke übernahm eine Bank, die zwar die Krise überwunden hat. Doch nachhaltig erfolgreich ist sie nicht. Noch hat Zielke keinen Weg gefunden, um Wachstum zu generieren. Die Erträge sinken wieder. An Dividende ist erst einmal nicht zu denken, und es drohen hohe Restrukturierungskosten.
Denn kaum im Amt, verordnete der neue Mann an der Spitze dem Institut einen Großumbau. Auf seiner ersten Hauptversammlung als Vorstandschef muss sich Zielke deshalb auf harsche Kritik einstellen. Statt mit einer Dividende will er die Aktionäre mit seinem Zukunftsprogramm „Commerzbank 4.0“ bei Laune halten: Er verspricht eine Bank mit moderner IT, satten Erträgen und schlanken Kosten. Die Ressorts werden neu zugeschnitten, die Bank verkleinert, Tausende Jobs gestrichen. Klar ist nur: Auch acht Jahre nachdem die Commerzbank vom Staat gerettet werden musste, steckt sie noch mitten im Umbau.
Das zeigt auch der Blick in die Bilanz. Mit einem Netto-Ergebnis von 279 Millionen Euro vermied die Commerzbank zwar anders als der Erzrivale Deutsche Bank einen Verlust. Die ohnehin magere Eigenkapitalrendite auf das Konzernergebnis von 3,9 Prozent, mit der Blessing sich verabschiedete, sackte 2016 allerdings noch einmal auf 1,0 Prozent. Der Aktienkurs entwickelte sich in den vergangenen Monaten zwar deutlich besser als der Dax, weil die Commerzbank von der Bankenrally an den Märkten profitierte. Beim aktuellen Kursniveau notiert das Geldhaus aber noch immer nur mit dem 0,4-Fachen des Buchwerts, also ihres Eigenkapitalwerts. Das gilt als Zeichen für das Misstrauen der Anleger, zumal viele andere europäische Banken doppelt so hohe Kurs-Buchwert-Relationen vorweisen können.
Gewiss: Die Bank steckt nicht mehr in einer Existenzkrise wie 2009, als sie vom Staat mit 18,2 Milliarden Euro gerettet werden musste. Mit einer harten Kapitalquote nach dem Basel-III-Regelwerk von 12,3 Prozent liegt sie über den regulatorischen Anforderungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die bis 2019 eine harte Quote von 10,75 Prozent verlangt. Aber wie viele Konkurrenten auf dem hart umkämpften deutschen Bankenmarkt steht auch die Commerzbank vor massiven Herausforderungen. Da die Erträge wegbrechen, müssen die Kosten deutlich sinken.
Sinkende Erträge
Bis heute hat die Commerzbank kein Rezept gefunden, ihre Erträge zu steigern oder wenigstens zu stabilisieren. Sie schrumpften im vergangenen Jahr um rund vier Prozent. Und auch der operative Gewinn sank 2016 auf 1399 Millionen Euro. Vor allem die niedrigen bis negativen Zinsen setzen der Bank zu, weil dadurch die Gewinnspanne schmilzt: Der Zinsüberschuss, die wichtigste Ertragsquelle, schrumpfte 2016 erneut. Daran dürfte sich auf absehbare Zeit kaum etwas ändern, weil die EZB die Zinsen weiter auf einem Rekordtief halten will. Die Nettobelastung durch Negativzinsen beziffert die Commerzbank für 2016 auf 212 Millionen Euro.
Und obwohl die Konjunktur in Deutschland brummt, muss die Bank auch mehr Geld für ausfallgefährdete Kredite zurücklegen. Die Risikovorsorge kletterte auf 900 Millionen Euro. Schuld ist vor allem ein altes Problem: das Engagement bei Schiffskrediten. Wegen der hartnäckigen Schifffahrtskrise fallen nicht nur Darlehen reihenweise aus, auch der Wert der Schiffe, die als Sicherheiten dienen, fällt unaufhörlich.
Zugleich bekommt das Management die Kosten nicht in den Griff. Das zeigt die Aufwandsquote, die den Verwaltungsaufwand ins Verhältnis zu den Erträgen setzt. Schon Zielkes Vorgänger Blessing hatte die Quote auf 60 Prozent senken wollen – und dieses Ziel meilenweit verfehlt. Im vergangenen Jahr legte die Quote sogar leicht zu. Die Bank musste 75,5 Cent investieren, um einen Euro zu verdienen und liegt damit über dem Branchenschnitt.
Zielkes Gegenmedizin: Durch die Digitalisierung will er die Kosten senken und die Bank soll sich auf noch weniger Geschäfte konzentrieren. Sein Versprechen: „Wir machen die Bank einfacher, schneller und besser.“ Die Bank ruht jetzt auf zwei Säulen, einer Privat- und einer Firmenkundensparte. Die Kunden der bisherigen Mittelstandsbank werden auf beide Bereiche verteilt. Die ehemalige Investmentbanking-Sparte wird dem Firmenkundengeschäft zugeschlagen.
Zugleich wird kräftig gespart. Rund 7.300 Vollzeitstellen sollen in den kommenden Jahren wegfallen. Doch das wird erst einmal kosten: Die Restrukturierungskosten lagen 2016 bei rund 129 Millionen Euro – aber das ist nicht mehr als ein kleiner Gruß aus der Küche. Der Hauptgang wird in den kommenden Jahren serviert – und dürfte Anlegern kaum schmecken. Insgesamt dürfte der Umbau rund 1,1 Milliarden Euro verschlingen.
Das Gros der Kosten soll sich auf 2017 und 2018 verteilen, doch erst 2020 wird der Umbau wirklich abgeschlossen sein. Am Ende der Durststrecke soll die „Commerzbank 4.0“ Erträge von rund 10 Milliarden Euro vorweisen. Bei steigenden Zinsen sollen sogar 11,3 Milliarden Euro möglich sein – ein Szenario, das die Bank derzeit aber selbst nicht für sonderlich wahrscheinlich hält.
Um dieses Ziel doch noch zu erreichen, muss die Bank sowohl im Geschäft mit Privat- als auch mit Firmenkunden kräftig zulegen. Privatkundenvorstand Michael Mandel will bis 2020 rund zwei Millionen neue Kunden zur Bank bringen. Während die Konkurrenz ihr Filialnetz ausdünnt, bläst Mandel mit Kampfkonditionen und aggressivem Marketing zum Angriff. Doch die neuen Kunden bringen ihre Einlagen mit, und die können beim Leitzins von minus 0,4 Prozent schnell zur Last werden: Parkt die Commerzbank Geld bei der Zentralbank, wird dafür ein Strafzins fällig.
So dürfte es für Mandel immer schwerer werden, die niedrigen Zinsen über die Kreditvergabe zu kompensieren. Im Geschäftsjahr 2016 gelang dies nur teilweise. So ging etwa das Neuvolumen bei der Baufinanzierung leicht zurück, wenngleich es immerhin rentabler war. Die Erträge in Mandels Beritt konnten im vergangenen Jahr nur noch Comdirect, Commerz Real und die polnische mBank steigern. Bei Privatkunden der Commerzbank und den Unternehmerkunden gab es dagegen Einbußen.
Probleme in Polen
Ungünstig für die Bank: Noch ist die mBank eine wichtige Ertragsstütze. Doch in diesem Jahr musste das Institut einen saftigen Betrag in den polnischen Banken-Feuerwehrfonds einzahlen. Und nach wie vor ist unklar, welche Belastungen auf das Institut noch wegen alter Hypothekenkredite zurollen, die auf Schweizer Franken lauten. Die Regierung übt Druck auf Polens Banken aus, ihre Kunden zu entlasten.
Im Firmenkundengeschäft steht der Investmentbanker Michael Reuther vor der Aufgabe, aus Mittelstands- und Investmentbank eine neue Sparte zu schmieden, ohne die Kunden zu vergraulen. Statt nach London oder New York führen seine Dienstreisen jetzt nach München oder Leipzig, wo ihm mittelständische Kunden stolz ihre Fabrikhallen präsentieren. Ihre Handelsaktivitäten fahren die Gelben dabei kräftig zurück. Insgesamt muss die Bank satte 627 Millionen Euro an Geschäfts- und Firmenwerten (Goodwill) abschreiben. Das zehrt am Ergebnis, aber nicht an der Eigenkapitaldecke.
Den Umbau hat Zielke gerade erst begonnen. Die verbliebenen Aktionäre brauchen viel Geduld – das gilt auch für den Steuerzahler, der noch immer rund 15 Prozent der Aktien hält, für die er einst 5,1 Milliarden Euro gezahlt hat. Sie sind heute nur noch rund 1,76 Milliarden Euro wert. Wirklich rosig sieht die Zukunft derzeit nicht aus: Wenn die Zinsen niedrig bleiben, dürfte die Bank auch am Ende des Umbaus nicht einmal ihre Kapitalkosten verdienen, räumte Zielke bei der Vorstellung seiner Strategie ein. Nachhaltiger Erfolg, so scheint es, ist eine Frage der Definition.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.