Corona-Hilfen Bilanz der KfW-Kredite: Kleine Firmen suchen dringend Geld

Bislang liegen der staatliche Förderbank mehr als 80.000 Anträge im Umfang von gut 53 Milliarden Euro vor.
Frankfurt Harald K. braucht einen Corona-Kredit. Doch bislang ist der Spediteur aus Süddeutschland noch nicht einmal von einer seiner drei langjährigen Banken beraten worden. Die eine – ein überregionales Institut – befand, sie mache nicht genug Umsatz mit ihm, um seine Hausbank zu sein. Die andere – eine Sparkasse – drückte K. erst einmal etliche Formulare in die Hand, die ihn verwirrten und durch die er sich abgewimmelt fühlte. Einen Ansprechpartner, der ihn über seine Optionen aufklärte, fand K. erst bei der Finanzierungsplattform Fincompare.
„Das, was ich mir von meinen Hausbanken erhofft hatte –eine Beratung –, fand ich zuerst bei einer Internetbank“, ärgert sich der Unternehmer. In den kommenden Tagen will er erneut auf seine Hausbanken zugehen.
Bislang haben die Soforthilfen seines Bundeslands ihn über Wasser gehalten. Einen Kredit hat er noch immer nicht, fühlt sich für seinen nächsten Anlauf bei seinen Banken nun aber besser gewappnet.
Das Beispiel des Spediteurs aus Süddeutschland mag ein Sonderfall sein. Doch es ist ein Puzzlestein, das erklären kann, warum gerade bei kleinen Firmen die wöchentliche Nachfrage nach KfW-Krediten noch immer relativ hoch ist – und warum bislang weniger Firmen solche Darlehen beantragt haben, als man vermuten könnte.
Eine Studie von Barkow Consulting und Fincompare, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, zeigt: Erst jedes 100. Unternehmen hat einen KfW-Kredit beantragt.
KfW-Anträge über 53 Milliarden Euro
Zwar sind bei der staatlichen Förderbank seit dem Start der Programme Mittel in Höhe von 53 Milliarden Euro beantragt worden, doch die verteilen sich nur auf gut 80.000 Anträge. Der Löwenanteil der Summe geht an relativ große Firmen: Auf knapp 1,4 Prozent aller gestellten Anträge entfallen rund 58 Prozent der Gesamtsumme.
Mit den im März aufgelegten Hilfsprogrammen will die Förderbank die Firmen unterstützen, die allein wegen der Coronakrise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind. Dafür nimmt die Staatsbank den Hausbanken dieser Firmen den überwiegenden Teil des Ausfallrisikos ab.
Schwer scheinen es vor allem Kunden ohne engen Draht zu einer Bank zu haben. „Unser Eindruck ist, dass die Banken zögerlich sind. Einerseits weil ihr Risikoappetit gesunken ist, andererseits weil sie sich stark auf ihre Bestandskunden konzentrieren. Einige Institute haben uns signalisiert, dass sie erst Mitte oder Ende August wieder offen für Neukunden sind“, berichtet Timm Wege, der in der Geschäftsführung von Fincompare für den Kontakt zu Banken und Finanzierungspartnern zuständig ist. Das Unternehmen ist eine digitale Plattform, die Finanzierungen an kleine und mittelständische Unternehmen vermittelt.
Gerade bei kleinen Firmen ist der Bedarf nach wie vor groß. Eine Umfrage unter den 30.000 Unternehmenskunden von Fincompare kam zu dem Ergebnis, dass mehr als sieben von zehn Unternehmen aufgrund der Coronakrise Bedarf an Fördermitteln haben. „Gerade Firmen mit bis zu fünf Millionen Euro Umsatz und zehn bis 50 Mitarbeitern kommen derzeit häufig zu kurz“, sagt Fincompare-Manager Wege.
Steter Antragsstrom bei den Kleinen
Vor allem Kreditanträge mit einem Höchstvolumen von drei Millionen Euro sorgen für einen steten Antragsstrom bei der KfW. Im Schnitt lag die Nachfrage im Juli – trotz der Urlaubssaison – immer noch bei einem Drittel der Mittelwerte im Mai, dem bisher lebhaftesten Monat. Bei den größeren Darlehen liegt der Juli-Wert bei etwa einem Fünftel des Mai-Niveaus. Gerade der Schnellkredit, für den der Staat vollständig haftet, ist nach wie vor ein Renner – dabei können ihn die wenigsten Kleinfirmen überhaupt beantragen.
Denn Voraussetzung für dieses Darlehen, das maximal 800.000 Euro groß sein darf, sind – anders als bei den übrigen Corona-Krediten der KfW – mindestens elf Mitarbeiter. „Knapp 90 Prozent der deutschen Unternehmen und Selbstständigen erfüllen dieses Kriterium eben gerade nicht“, sagt Studienautor Peter Barkow.
Denn von den 7,5 Millionen Unternehmen in Deutschland haben 6,6 Millionen höchstens zehn Mitarbeiter. Die Einführung des Schnellkredits war umstritten. Da die Banken nur wenige Kennziffern prüfen müssen, bevor sie dieses Hilfsdarlehen beantragen, gilt das Ausfallrisiko als überdurchschnittlich hoch.
Aber der Bedarf ist da: Die monatliche Zuwachsrate für den Schnellkredit lag im Juli bei 14 Prozent. Übertroffen wurde dieser Wert nur noch von den „normalen“ KfW-Corona-Krediten von höchstens 800.000 Euro mit 15 Prozent. Bei größeren Firmen ist die Nachfrage dagegen drastisch zurückgegangen.
Mini-Schnellkredit in Bayern
Auch ein Blick nach Bayern lässt erahnen, wie groß das Interesse von Kleinstfirmen an KfW-Schnellkrediten wäre. In dem Bundesland führte die Landesregierung Anfang Mai eine Art Mini-Schnellkredit ein, den Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern bei der bayerischen Förderbank LfA beantragen können. Damit schloss die LfA genau die Lücke, die es im KfW-Programm gibt. Bis zum 24. Juli hatten bereits 3300 Unternehmen ein solches Darlehen beantragt. Gesamtvolumen des Instruments: bislang 140 Millionen Euro.
„Die Nachfragezahlen zeigen, dass es der LfA gelingt, mit dem Schnellkredit die kleinen Unternehmen, Einzelunternehmen und Freiberufler rasch und verlässlich mit der notwendigen Liquidität zu versorgen“, sagt ein Sprecher der Förderbank. Die Einführung des LfA-Schnellkredits habe „sich bewährt“.
Die 3300 Anträge für den bayerischen Mini-Schnellkredit entsprechen einem Viertel aller in Bayern beantragten KfW-Darlehen, hat Barkow ausgerechnet. Übertragen auf das gesamte Bundesgebiet entspräche das 20.000 Anträgen mit einem Volumen von 850 Millionen Euro, die durch die Größenbeschränkungen fehlen.
Für die KfW wäre diese Summe ohne Weiteres zu stemmen. Der Bund hatte im Zuge der Corona-Hilfspakete die Kreditvergabekapazitäten des Förderinstituts vor wenigen Monaten erst auf etwa eine Billion Euro mehr als verdoppelt.
Allerdings ist der Nutzen des Schnellkredits unter Bankern durchaus umstritten. Bei der Volksbank in der Ortenau etwa stammten nur knapp 13 Prozent aller zwischen März und Juni vergebenen Kredite überhaupt aus den KfW-Programmen oder anderen Corona-Hilfen. Nur zwölf Prozent davon wiederum entfielen auf den Schnellkredit.
Zum einen liegt das daran, dass die Zinsen für Schnellkredite drei Mal so hoch sind wie für die normalen KfW-Hilfen – der Staat lässt sich so sein höheres Risiko vergüten. „Zum anderen sind Banken auch im Zuge der KfW-Corona-Kredite bereit, bei Kunden mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell ins Risiko zu gehen und die Zinskosten dieser Kunden niedrig zu halten“, sagt Vorstandschef Markus Dauber.
Debatte um Schnellkredit
Auch bei der Gladbacher Bank spielte die Haftung nach eigenen Angaben keine Rolle bei der Kreditentscheidung. „Wenn nicht einmal die Hausbank ein eigenes Risiko von zehn oder zwanzig Prozent übernehmen möchte, dann sollte sich die KfW fragen, ob sie dann wirklich ersatzweise mit 100 Prozent ins Obligo gehen möchte“, sagt Vorstandssprecher Hans-Peter Ulepic.
Ganz bewusst geben die Banken nicht allen Kunden ein Darlehen. „In etwa drei bis fünf Prozent der Fälle konnten wir nicht helfen“, betont Ulepic. „Kunden, die die möglichen Belastungen aus Zinszahlungen und Tilgungen überforderten, haben wir das auch gesagt. Unternehmer haften schließlich auch mit Privatvermögen und müssen sich überlegen, ob es nicht besser ist, sich zu verkleinern oder aufzuhören. Alles andere hilft weder dem Kunden noch der KfW.“
Dabei hat die Gladbacher Bank sogar Kunden finanziert, die durch die KfW-Raster fielen – etwa Firmen, die nach den strengen EU-Vorgaben als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ eingestuft werden und daher keine Staatshilfen bekommen dürfen. „Dann haben wir in der Regel aus unseren eigenen Mitteln heraus eine Lösung gefunden“, sagt Ulepic.
Das läuft allerdings längst nicht bei allen Banken so, meint Fincompare-Manager Wege. Seiner Beobachtung nach wurden viele Anträge abgelehnt, weil Kunden gegen die EU-Auflagen verstoßen. „Das trifft oft auch auf Firmen zu, die eigentlich überlebensfähig wären. Ich bin überrascht, wie viele da durchs Raster fallen.“ Trotz dieser Einschränkungen bleiben die KfW-Kredite für die Unternehmen noch längere Zeit wichtig. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Nachfrage nach Fördermitteln im Herbst noch einmal ansteigt. Gerade kleinere Firmen machen nicht unbedingt eine mehrjährige Liquiditätsplanung“, sagt er.
Neue Antragswelle im Herbst?
Damit ist er pessimistischer als die KfW und viele Banken. „Wir sehen momentan keine zweite Antragswelle. Die Unternehmen haben ja ihre Liquiditätsplanung für unterschiedliche Szenarien gemacht und sich entsprechend Liquidität gesichert“, sagt etwa Christian-Hauke Burkhardt, der Fördermittelexperte der Deutschen Bank. „Ein starker Anstieg der Corona-Fälle oder ein weiterer Lockdown könnten das Szenario aber auch ändern.“
Ähnlich sieht es die KfW selbst. „Solange das Pandemie-Geschehen unter Kontrolle bleibt, gehe ich nicht von einer zweiten Welle bei den Antragstellungen aus. Schließlich sind auch viele Mittelständler dabei, sich an die neuen Umstände anzupassen“, sagt die Chefvolkswirtin der Förderbank, Fritzi Köhler-Geib. Einer KfW-Befragung zufolge hat fast die Hälfte der Unternehmen ihr Geschäftsmodell oder ihre Produktpalette bereits angepasst.
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