Coronakrise EZB hebt Dividendenbeschränkungen für Großbanken auf

Die großen europäischen Geldhäuser dürfen bald wieder in größerem Umfang Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.
Frankfurt Erleichterung bei Europas Banken: Ab Oktober dürfen sie wieder in größerem Umfang Geld an ihre Aktionäre ausschütten. Die von der Finanzaufsicht erlassenen Dividendenbeschränkungen werden Ende September auslaufen.
Viele Geldhäuser hatten das Ausschüttungsverbot der Europäische Zentralbank (EZB) scharf kritisiert – und begrüßen den Wegfall der Auflagen nun. „Die pauschale Beschränkung von Gewinnausschüttungen für Banken war und ist nicht angemessen, denn die EZB hat alle erforderlichen Informationen, um in begründeten Einzelfällen Instituten einen Verzicht auf Ausschüttungen nahezulegen“, sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des deutschen Privatbankenverbands BdB.
„Beschränkungen der Dividendenausschüttungen führen dazu, dass sich Investoren aus dem Bankensektor zurückziehen oder mit Engagements zögern“, moniert Ossig. Dadurch werde letztlich die Refinanzierung von Finanzinstituten erschwert und verteuert.
Die EZB begründet ihre neue Linie mit der besseren Wirtschaftslage durch die Entspannung bei der Pandemie. Die jüngsten Prognosen „bestätigen eine Wiederbelebung der Konjunktur und deuten auf eine geringere Unsicherheit hin“. Die Aussagen zur Kapitalentwicklung der Banken würden dadurch verlässlicher, und man könne deshalb zum üblichem Vorgehen bei Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen zurückkehren.
Die EZB machte jedoch deutlich, dass Geldhäuser bei Ausschüttungen „weiterhin Zurückhaltung walten lassen und die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells sorgfältig prüfen“ sollen. Zudem dürften die Institute das Risiko nicht unterschätzen, dass auf sie weitere Verluste zukommen könnten, wenn die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Coronakrise auslaufen.
Wegen der Pandemie hatte die EZB die Banken im März 2020 aufgefordert, ganz auf Dividenden und Aktienrückkäufe zu verzichten. So wollten die Aufseher sicherstellen, dass die Geldhäuser Unternehmen weiter mit Krediten versorgen und drohende Kreditausfälle durch die Coronakrise verdauen können.
In diesem Jahr durften Großbanken, die es sich leisten können, zwar wieder einen kleinen Teil ihrer Gewinne an ihre Eigentümer ausbezahlen. Die ausgeschüttete Summe durfte jedoch weder 15 Prozent der kumulierten Gewinne aus den Jahren 2019 und 2020 überschreiten noch 0,2 Prozentpunkte des harten Kernkapitals der Bank.

Die EZB-Bankenaufseher haben auf die 113 größten Institute der Euro-Zone einen direkten Zugriff.
Aktionäre von deutschen Großbanken schauen in die Röhre
Nach dem Wegfall der Dividenden-Beschränkungen dürfen die Aktionäre von europäischen Großbanken wie BNP Paribas aus Frankreich, ING aus den Niederlanden und BBVA aus Spanien nun auf hohe Ausschüttungen hoffen.
Die Eigner der größten deutschen Privatbanken müssen dagegen noch warten. Die Deutsche Bank hat wegen ihres Umbaus erst für das Geschäftsjahr 2021 wieder eine Dividende in Aussicht gestellt, die dann im Frühjahr 2022 ausbezahlt würde. Die Commerzbank, die erst Anfang des Jahres eine grundlegende Restrukturierung beschlossen hat, plant eine Wiederaufnahme von Dividendenzahlungen erst für das Geschäftsjahr 2023.
Bereits früher auf Geld hoffen dürfen die Aktionäre der Immobilienfinanzierer Aareal Bank und Deutsche Pfandbriefbank (pbb). „Wir begrüßen, dass die EZB die allgemeinen Beschränkungen bezüglich der Dividendenzahlungen aufgehoben hat“, erklärte die pbb.
Das bayerische Institut hatte im Frühjahr 26 Cent je Aktie ausbezahlt, was einer Ausschüttungsquote von 36 Prozent entspricht. Nun will die Bank „die Möglichkeit einer weiteren Ausschüttung prüfen“, wie ein Sprecher erklärte. „Unsere grundsätzliche Dividendenpolitik zielt auf eine Ausschüttungsquote von 50 Prozent regulärer Dividende plus 25 Prozent Sonderdividende.“
Die Aareal Bank hatte im Frühjahr wegen der EZB-Restriktionen eine Dividende von 40 Cent je Aktie ausbezahlt. „Wir begrüßen die Verlautbarung der Europäischen Zentralbank und beabsichtigen auf dieser Basis weiterhin, für das Geschäftsjahr 2020 eine zweite Dividendentranche in Höhe von 1,10 Euro je Aktie auszuschütten, wenn die bekannten Bedingungen erfüllt sind“, ließ die Aareal Bank wissen. Im vierten Quartal soll eine außerordentliche Hauptversammlung über diese Pläne abstimmen.

Der Chef der EZB-Bankenaufsicht fordert bei der Ausschüttung von Dividenden weiterhin Vorsicht.
Stresstest beeinflusst Dividendenzahlungen
In den USA dürfen die großen Institute nach einem Stresstest bereits wieder ohne Einschränkungen Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten und Aktien zurückerkaufen. Auch die Bank von England hob unlängst noch bestehende Einschränkungen im Zuge der Coronakrise auf.
In der EU war die Aufhebung der Dividendenbeschränkungen nach den jüngsten Äußerungen von Andrea Enria, dem Chef der EZB-Bankenaufsicht, erwartet worden. Die Geldhäuser hätten in den zurückliegenden Krisenmonaten gezeigt, dass sie robust seien und in der Lage, private Haushalte und Unternehmen zu unterstützen, sagte Enria Anfang des Monats bei einer Rede an der Universität von Neapel.
Im Sommer will die EZB mit den einzelnen Instituten nun im Rahmen ihres regelmäßigen aufsichtlichen Dialogs über deren Dividenden- und Aktienrückkaufpläne sprechen. Ob es zu Ausschüttungen kommt und wie hoch diese ausfallen, wird auch davon abhängen, wie gut die Banken in ihrer Planung aus Sicht der Finanzaufsicht die Risiken durch Kreditausfälle berücksichtigt haben.
Eine wichtige Rolle wird zudem ein europaweiter Bankenstresstest, dessen Ergebnisse Ende Juli vorgelegt werden. Bei der Belastungsprobe wurde unter anderem geprüft, welche Folgen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Geldhäuser hätte.
Die EZB ist federführend für die Kontrolle der größten europäischen Banken zuständig. Um kleinere Institute, darunter die allermeisten Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, kümmert sich die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Diese hatte sich 2020 ebenfalls für Zurückhaltung bei Dividendenzahlungen starkgemacht.
Anders als die EZB hat die Bafin bei dem Thema jedoch bereits im vergangenen Jahr jede Bank individuell betrachtet und in einigen Fällen grünes Licht für eine Ausschüttung gegeben. Voraussetzung dafür war, dass „das jeweilige Institut über eine nachhaltig positive Ertragsprognose verfügt und die Kapitalsituation auch in einer anhaltenden Stressphase weiterhin ausreichende Puffer ausweist“.
Dass die EZB nun auch die Vorgaben für Großbanken lockert, findet Bafin-Exekutivdirektor Raimund Röseler richtig. „Die aktuellen Entwicklungen zeigen in Richtung einer sich erholenden Wirtschaft, das berücksichtigen wir auch in unserem Aufsichtshandeln“, sagt Röseler. „Trotz der positiveren Aussichten sollten jedoch die Institute weiterhin umsichtig vorgehen.“
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