Coronakrise Zinssenkung der EZB unwahrscheinlich

Zinssenkungen haben begrenzte Auswirkung auf die Realwirtschaft und den Euro-Wechselkurs.
Frankfurt Eine weitere Absenkung der bereits rekordtiefen Schlüsselzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist Insidern zufolge derzeit unwahrscheinlich. Dies würde nur wenig dazu beitragen, die durch die Corona-Pandemie geschwächte Wirtschaft im Euro-Raum wieder anzuschieben, sagten fünf mit den Überlegungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Eine Reihe von Gründen sprächen gegen eine Zinssenkung: Dazu zählten eine begrenzte Auswirkung auf die Realwirtschaft sowie ein Euro-Wechselkurs, der sich trotz des jüngsten Kursanstiegs immer noch im Rahmen bewege. Zudem könne der negative Einlagezins nicht viel weiter gesenkt werden, da dies dann voraussichtlich mehr schaden als nutzen würde.
Ein Notenbank-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.
An den Finanzmärkten war in den vergangenen Tagen spekuliert worden, dass die EZB ihren negativen Einlagesatz noch tiefer ins Minus drücken könnte, um einen Kursanstieg des Euro einzudämmen. Der Satz liegt aktuell bei minus 0,5 Prozent.
Für die Banken bedeutet das, dass sie Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken. Der Notenbank-Chef der Niederlande, Klaas Knot, hatte am Mittwoch gesagt, es gebe noch Spielraum für eine Zinssenkung. Beim Einlagesatz sei die Untergrenze noch nicht erreicht.
Der Theorie nach sollte eine Zinssenkung dazu führen, dass Finanzströme in den Euro abschwellen. Dies würde der Exportwirtschaft im Euro-Raum zugutekommen, deren Produkte dadurch auf den Weltmärkten preiswerter und damit wettbewerbsfähiger würden. Der Euro hatte zum Dollar seit November mehr als vier Prozent zugelegt. Nach einem fast dreijährigen Höchststand bei 1,2349 Dollar am 6. Januar hat sich der Kurs aber wieder etwas abgeschwächt. Zuletzt lag er noch bei rund 1,2130 Dollar.
Fokus derzeit auf Bondkäufen und Kreditspritzen
„Selbst bei einem viel größeren Kursanstieg würde ich nicht darauf schließen, dass die einzige Antwort die Zinsen sind“, sagte einer der Währungshüter. Den Notenbankkreisen zufolge konzentriert sich die EZB zurzeit darauf, die Finanzierungsbedingungen im Euro-Raum inmitten der Virus-Krise stabil zu halten, was sich insbesondere an den Anleiherenditen und an der Kreditvergabe zeige. Der Euro-Wechselkurs sei da ein zweitrangiges Thema.
Knot habe das Thema einer Zinssenkung auf der jüngsten geldpolitischen Sitzung angerissen, sagten mehrere der Insider. Dies sei aber nur eine Diskussion am Rande gewesen. Gegenwärtig liege der geldpolitische Fokus auf den Anleihekäufen und den supergünstigen Kreditspritzen für Banken. Lettlands Notenbank-Gouverneur Martins Kazaks hält andere Instrumente momentan für geeigneter.
Ein weiterer Insider mahnte allerdings zur Vorsicht: Die Wahrnehmung könne sich ändern, sollte der Kursanstieg der Gemeinschaftswährung aufgrund einer anhaltend lockeren Geldpolitik der US-Notenbank anhalten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte in der vergangenen Woche noch einmal bekräftigt, dass kein geldpolitisches Instrument vom Tisch sei.
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