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Crosslend Wenn der Kredit zur Ware wird

Das Berliner Fintech Crosslend will Kredite als Wertpapiere über die Börse handeln. Die Chicago Mercantile Exchange (CME) ist von dem Geschäftsmodell überzeugt.
05.02.2017 Update: 06.02.2017 - 12:31 Uhr Kommentieren
„Unser angepeiltes Volumen von 300 Millionen Euro für dieses Jahr werden wir deutlich übertreffen.“ Quelle: CrossLend
Crosslend-Gründer Oliver Schimek

„Unser angepeiltes Volumen von 300 Millionen Euro für dieses Jahr werden wir deutlich übertreffen.“

Berlin Früher wollte das Fintech-Unternehmen Crosslend den Banken Konkurrenz machen. Das hat sich geändert. Das neue Geschäftsmodell zielt darauf ab, den Banken zu helfen. „Wir wollen eine europäische Börse für Kredite, neudeutsch eine European Debt Exchange, gründen“, kündigt Gründer und Co-Chef Oliver Schimek, in einem Gespräch mit dem Handelsblatt an. Die CME Group, eine der weltweit größten Börsen, sieht Potenzial. Erstmals beteiligt sich die Handelsplattform für Futures und Optionen mit Crosslend an einem europäischen Start-up. „Wir halten diesen Weg für sehr erfolgversprechend“, so der Chef von CME Ventures, Rumi Morales.
Diese Börse soll ein zentrales Problem in Teilen Europa lösen. Viele Banken vergeben nur unzureichend Kredite oder müssen sich von ihnen trennen, um die gestiegenen regulatorischen Anforderungen an das Eigenkapital zu erfüllen. Schließlich müssen Kredite mit Eigenkapital unterlegt werden.

Auf der anderen Seite gibt es Investoren, die angesichts der Niedrigzinsen Interesse an dieser Anlageklasse haben. Doch wie in Kredite investieren? Crosslend bietet jetzt eine Lösung für dieses Problem an: „Wir machen Kredite zu einem Wertpapier und damit zu einem handelbaren Gut“, so der studierte Physiker. Im Kern gehe es dabei um verbriefte Kreditforderungen.

Dabei grenzt sich der 34jährige Manager sich von den bestehenden Verbriefungen ab, die in der Finanzmarktkrise in Verruf geraten sind. Investmentbanken hatten Immobilienkredite mit hohem Ausfallrisiko gebündelt und sie als gute geratete Wertpapiere verkauft, obwohl sie Ramschstatus hatten.

In Deutschland werden beispielsweise Autokredite und Auto-Leasingforderungen verbrieft. Bei klassischen Verbriefungen werden Tranchen gebildet – je höher das Risiko, desto höher fällt die Vergütung aus. „Bei uns gibt es keine Tranchierung und kein Pooling. Jeder Kredit wird einzeln in ein Wertpapier umgewandelt, an dem die kreditgebende Bank zu einem gewissen Teil beteiligt bleibt.“ Da Investor und Bank in einem Boot sitzen, „schließen wir Rosinenpickerei seitens der den Kredit abtretenden Bank aus“, erklärt Schimek. „Die korrekte Kreditprüfung und die Einstufung des Risikos ist elementar für den Investor“, bemerkt Friederike Stradtmann, Expertin für digitale Geschäftsmodelle im Bankensektor bei Accenture Strategy. Je öfter ein Geschäft gehandelt werde, desto höher die Gefahr der Intransparenz. „Hier müssen entsprechende Vorkehrungen für den Investor getroffen werden“, so Stradtmann.

Das würde auch schon bei kleineren Volumina funktionieren. „Eine Bank hat heute Schwierigkeiten, wenn sie sich etwa von Konsumentenkrediten in Höhe von 100 Millionen Euro trennen will“, so Schimek. Das könne sie künftig machen, sich über den Marktplatz bei Bedarf aber ein eigenes ausgewogenes Kreditportfolio zusammenstellen.

Die European Debt Exchange könnte das Banking kräftig verändern. „Wenn Kredite zu einem handelbaren Gut werden, kann das enorme Auswirkungen auf die Liquiditätssteuerung einer Bank haben“, meint Schimek. Derzeit haben nicht wenige Banken Probleme, die von Aufsehern geforderte Liquidity Coverage Ratio. Auch bei der Einhaltung der Eigenkapitalanforderungen könnte die flexible Handhabung von Krediten sehr hilfreich sein.

Der Lackmustest steht vor der Tür. Eine westeuropäische Bank, der Name wird nicht verraten, will nach Angaben des Unternehmens über die nächsten fünf Jahre Konsumentenkredite in Höhe von 500 Millionen Euro auf die Plattform bringen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Kreditvergabe nach vereinbarten Kriterien und gemäß den gesetzlichen Anforderungen erfolgt und die Datenqualität stimmt“, so Schimek. Der Investor „muss unter Beachtung des Datenschutzes bestmögliche Transparenz über die Kredite haben, die dem Wertpapiere zu Grunde liegen“, lautet der Anspruch Crosslends. „Das Geschäftsmodell passt zur aktuellen Zinssituation. Schließlich verspricht es Investoren aus Niedrigzinsländern mit Kreditnehmern aus Hochzinsländern zusammen zu bringen“, so Stradtmann von Accenture. Aber wenn sich der Rahmen verändere, müsse sich das Geschäftsmodell neu beweisen.

Die Gründung einer European Debt Exchange hatte sich Crosslend nicht gleich auf die Fahnen geschrieben. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines Strategieschwenks. Vor zwei Jahren sah Crosslend seine Zukunft noch als Online-Kreditmarktplatz. Im Internet wollte man an der Bank vorbei Kreditnehmer und Kreditgeber zusammenführen (Peer to Peer-Lending). Von diesem Konfrontationskurs ist Crosslend aber abgekommen. Die Online-Marktplätze hätten ihre Berechtigung, doch nur in Kooperation mit Banken sei die europaweite Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicherzustellen. Und daran hapere es, so die Erkenntnis Schimeks. Man wolle die Banken nicht verdrängen, sondern ihnen vielmehr helfen, das Ergebnis zu optimieren. „Denn die Bank hat die Kundenbeziehungen, die Daten, die Erfahrung und die Systeme“, so Schimek.

Eine zentrale Rolle in dem europaweiten Kreditmarktplatz spielt die Luxemburger Tochter Crosslend Securities. Mit Hilfe dieser Gesellschaft können Kredite zu Wertpapieren transformiert werden. Jeder Kredit erhält dabei eine eigene Wertpapierkennnummer. Ein potenzieller Investor investiert also in keine Kreditforderung, sondern in ein normales Wertpapier. Da diese gehandelt werden können, werde in letzter Konsequenz auch ein Sekundärmarkt für Kredite geschaffen.

Um die Verbriefungslizenz der Luxemburger Finanzaufsicht zu erhalten, mussten die Jungmanager hohe Hürden überwinden. Das Unternehmen und die Gründer wurden auf Herz und Nieren geprüft, über 100 Verträge unter die Lupe genommen, lässt Schimek durchblicken. Es handele sich eben nicht um ein Produkt von der Stange, sondern um die Lizenz für ein neues Produkt. Und da wollte die Luxemburger Finanzaufsicht offensichtlich keine Risiken eingehen. Durch den EU-Pass kann das Unternehmen jetzt grenzüberschreitend gleiche Bedingungen für Anleger und Kreditnehmer bieten.

Der Strategieschwenk hat die Kapitalgeber nicht vergrault. „Die finden das sogar noch spannender“, urteilt Schimek. Der 50-Mann-Betrieb sei ausreichend finanziert und es stehe ein mehr als ausreichendes Angebot zur Verfügung. Zu den Investoren zählen beispielsweise Lakestar, Atlantic Internet und Northzone - und künftig auch die CME Group.

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