Cum-Ex-Steuerskandal Warburg-Aufsichtsratschef Christian Olearius gibt sein Amt ab

Die Privatbank mag nun hoffen, dass der Abgang von Christian Olearius und Max Warburg etwas Druck von dem Hamburger Traditionshaus nimmt.
Düsseldorf Es klingt, wie ein Rückzug in den Ruhestand: „Christian Olearius und Max Warburg haben entschieden, den 2014 eingeleiteten Generationswechsel in der Bank abzuschließen. Dazu werden sie ihre Mandate zum Ende des Jahres 2019 niederlegen“, teilte die Hamburger Privatbank M.M. Warburg am Freitagabend mit.
Olearius war lange Jahre Chef der Bank, zuletzt führte er den Aufsichtsrat. Dem Gremium gehörte auch Max Warburg an, beide sind Hauptgesellschafter der Bank. Künftig, so teilte die Bank mit, „werden sie sich verstärkt ihrem gesellschaftlichen und sozialen Engagement widmen.“
Das idyllische Bild verdeckt für Brancheninsider nur notdürftig die wahren Hintergründe der Abgänge. Nach Informationen des Handelsblattes hatten Olearius und Warburg gar keine andere Wahl mehr, als das Schiff zu verlassen, das sie beide so lange steuerten. „Der Druck der Bafin war zuletzt so groß, dass sie die Flucht nach vorn antreten mussten“, sagt ein enger Beobachter der Bank.
Insbesondere Christian Olearius sah sich vor der dramatischen Alternative: entweder er trat zurück oder die Bankenaufsicht Bafin würde ihm die Eignung absprechen, sein Amt auszuüben. In der gerade in Hamburg besonders feinen Bankenwelt ein unvorstellbarer Gesichtsverlust.
Ausgerechnet in Hamburg geschahen allerdings in den vergangenen Jahren ausgesprochen viele andere Dinge, die sich kaum jemand vorzustellen wagte. Olearius und Warburg werden verdächtigt, an einem massiven Betrug zu Lasten der Steuerzahler beteiligt gewesen zu sein.
Bei so genannten Cum-Ex-Geschäften mischte die Hamburger Privatbank demnach im großen Stil mit. Der Begriff steht für den Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch. Die Beteiligten ließen sich dabei mehrfach eine Kapitalertragsteuer auszahlen, die sie nur ein Mal abgeführt hatten. Der Cum-Ex-Skandal beschäftigt Steuerfahnder und Staatsanwälte seit Jahren. In Köln hat der Justizminister für diese Fälle gerade eine Sondereinheit eingerichtet und neue Stellen geschaffen.
Sowohl Christian Olearius als auch Max Warburg werden in Köln als Beschuldigte geführt. Warum das so ist, ließ sich in den vergangenen Wochen am Landgericht Bonn beobachten. Dort läuft das erste Strafverfahren in Sachen Cum-Ex. Angeklagt sind zwei britische Aktienhändler.
Die Warburg Gruppe und die Tochter Warburg Invest sitzen quasi mit auf der Anklagebank, das Gericht hat sie und drei weitere Geldhäuser zu Einziehungsbeteiligten gemacht. Damit drohen ihnen Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe.
Der Prozess ist gerade für die Warburg Bank bisher ein einziges Desaster. Die Angeklagten sind weitgehend geständig. Sie arbeiteten zunächst bei der Hypovereinsbank und machten sich dann mit der Ballance-Gruppe selbstständig. Nach ihrer Aussage gehörte die Warburg Bank zu ihren besten Kunden. Auch ein als Kronzeuge fungierender Steueranwalt gewährte tiefe Einblicke in die Abläufe des Cum-Ex-Handels. Allein seine Aussage dauerte vier Tage und wiederholte wieder und wieder die Worte „Warburg“.
Der Prozess in Bonn warf lange Schatten voraus. Sowohl die Aussagen der Angeklagten als auch mehrerer Zeugen lagen der Staatsanwaltschaft seit vielen Monaten, teils Jahren vor. Die Behörden tauschten sich untereinander aus, bei der Bankenaufsicht in Bonn keimte die Überzeugung, ein Exempel statuieren zu müssen. Sie wollte Christian Olearius und Max Warburg die Eignung absprechen, ihre Ämter zu führen.
„Fit und Proper Check“ bei Warburg
„Fit and Propper“ müssen Personen sein, die im Top-Management von Kreditinstituten arbeiten wollen. Noch im August teilte Warburg dem Handelsblatt auf Nachfrage mit, dass die Bank keine Kenntnis davon habe, dass Christian Olearius und Max Warburg einem solchen „Fit and Proper Check“ unterzogen wurden. Die Bafin äußert sich nicht zu solchen Prüfungen, doch in den vergangenen Wochen verdichteten sich die Anzeichen: Die Bonner Aufsichtsbehörde hielt die beiden Manager für nicht länger tragbar.
Am Freitag, so bestätigen es Bankinsider, kam es in Bonn zu einem letzten Gespräch. Christian Olearius und Max Warburg waren selbst nicht anwesend, doch „geeignete und autorisierte Personen“ überbrachten der Bafin die Botschaft, die sie hören wollte: Die beiden Ikonen der Hanseatischen Bank werden ihre Mandate abgeben.
Die Aufmerksamkeit, die der „Fit and Proper Check“ in Hamburg fand, ist selten. Die Abberufung von Vorständen und Aufsichtsräten ist das schärfste Schwert, das die Bafin gegen Einzelpersonen richten kann. Es kommt aber kaum zum Einsatz. Zwischen 2013 und 2018 entfernte die Finanzaufsichtsbehörde neun Vorstände und fünf Aufsichtsräte aus ihren Ämtern, zeigen die Angaben in den Bafin-Jahresberichten. Meist kommt es dabei zu keinem formalen Akt. Die Betroffenen räumen ihren Posten in aller Stille, sobald ihnen die Behörde klarmacht, was sonst passiert.
Diesen Luxus konnten sich Christian Olearius und Max Warburg nicht mehr leisten. Ihr Abgang ist begleitet von lautem Krachen und auch künftig wird es nicht stiller. Der Prozess in Bonn läuft dank der geständigen Angeklagten und auskunftsfreudigen Zeugen in hohem Tempo und mit maximaler medialer Begleitung ab. Verurteilungen sind sicher – und zugleich Auftakt für einen ganzen Reigen weiterer Anklagen. Olearius und Warburg stehen auf der Liste weit oben.
Strafrechtler sehen die Verteidigungslinie für Cum-Ex-Beteiligte kaum noch zu halten. Die Warburg Bank betonte in der Vergangenheit zwar stets, nur im Rahmen des gesetzlich Erlaubten gehandelt zu haben. „Die Vorwürfe sind unbegründet. Bei allen unseren Geschäften haben wir alle Vorschriften eingehalten“, erklärte ein Sprecher immer wieder. Doch im Prozess in Bonn werden alle Argumente der Cum-Ex-Händler von der Justiz geschreddert – und die Staatsanwaltschaft dabei von den Cum-Ex-Angeklagten und ihren Geschäftspartner selbst bestätigt.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Privatbank legt zum Ende des Jahres sein Mandat nieder.
Vor allem Olearius wurde in dem Bonner Prozess bereits schwer belastet. Ein als Zeuge geladener Anwalt berichtete ausführlich, wie er und ein Kollege 2007 nach Hamburg fuhren, um Olearius persönlich die Idee von den Geschäften auf Kosten der Steuerzahler vorzustellen. Die Warburg Bank, zuvor schon bei Cum-Ex aktiv, weitete ihre Beteiligung aus. Als Gruppe mischte sie im Eigenhandel mit und legte später Cum-Ex-Fonds für vermögende Privatanleger auf.
Zu den strafrechtlichen Problemen der verantwortlichen Manager gesellen sich die finanziellen Belastungen. Für die Jahre 2010 und 2011 forderte das Finanzamt schon hohe Summen zurück, für weitere Jahre drohen Einziehungen und Bußgelder. Die Bafin beauftragte für den Fall Warburg eigens einen Sonderprüfer – offenbar geht es auch um die Solvenz der Bank. In dem Bericht beziffern die Prüfer von Deloitte das finanzielle Risiko für Warburg auf mehr als 300 Millionen Euro.
Laut Geschäftsbericht 2018 betrug ihre Eigenkapitalausstattung 275 Millionen Euro. Auf Fragen des Handelsblatts im August nach dem Verhältnis zwischen finanziellen Möglichkeiten und finanziellen Risiken verwies die Bank auf frühere Stellungnahmen: „Es bleibt dabei: Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Etwaige wirtschaftliche Risiken sind im Jahresabschluss 2018 vollständig berücksichtigt“.
Nachfolger sind nicht persönlich in Steuerskandal verwickelt
Die Bank mag nun hoffen, dass der Abgang von Christian Olearius und Max Warburg etwas Druck von dem Hamburger Traditionshaus nimmt. An ihre Stellen treten Männer, von denen zumindest keine persönliche Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte bekannt ist.
Dr. Bernd Thiemann, seit 1998 Mitglied des Aufsichtsrats von M.M. Warburg & CO., soll neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats werden. Als neue Mitglieder in dem Kontrollgremium sind Burkhard Schwenker und Claus Nolting vorgesehen. Schwenker war lange Jahre Geschäftsführer sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Unternehmensberatung Roland Berger. Nolting ist Rechtsanwalt und war Mitglied im Vorstand und Aufsichtsrat mehrerer Banken. Die Bestellung der neuen Mitglieder des Aufsichtsrats steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bafin.
Mehr: „Wir fühlten uns wie die Größten“ – Kronzeuge im Cum-Ex-Prozess rechnet mit einer ganzen Branche ab .
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