David Enrich über die Deutsche Bank „Ich habe noch nie gesehen, dass eine einzige Institution so viel Chaos anrichten kann“

„Noch nie habe ich gesehen, dass eine einzige Institution so viel Chaos in der Welt anrichten kann.“
New York Der „New York Times“-Journalist David Enrich ist derzeit ein gefragter Gast in amerikanischen Talkshows. Sein Buch „Dark Towers“ kam passend zum 150. Jubiläum der Deutschen Bank auf den Markt und liefert einen detaillierten Einblick in die vielen Skandale der Bank – zu einer Zeit, in der das Institut eigentlich vor allem nach vorne schauen will.
Herr Enrich, Ihr Buch schildert ausführlich die vielen Skandale der Deutschen Bank. Das wirft die Frage auf, warum Regulierungsbehörden nicht stärker eingegriffen haben.
Es gibt nicht viele Institutionen, die gut wegkommen: Die Bank nicht, die deutsche Bankenaufsicht Bafin nicht, aber auch nicht die amerikanischen Aufseher. Die haben immer wieder ein Auge zugedrückt und viele Gelegenheiten verpasst, stärker gegen die Bank vorzugehen.
Was war der Grund dafür?
Die Lage ist kompliziert: Grundsätzlich waren die Regulierer zu nachgiebig und neigten immer dazu, den Banken Vertrauensvorschüsse zu geben. Sie wollten die Banken nicht destabilisieren und haben sich daher selbst einen Maulkorb auferlegt. Aber wahr ist auch: Die Leute, die für eine Regierungsbehörde arbeiten, wollten irgendwann auch in den privaten Sektor wechseln, um mehr Geld zu verdienen. Wer später mal zu einer renommierten Anwaltskanzlei oder zu einer Bank wechseln will, der tut sich keinen Gefallen, wenn er gegen die Banken hart vorgeht.
Auch die Deutsche Bank war ziemlich gut darin, einflussreiche Regulierer abzuwerben.
Die Bank hat die Macht dieser sogenannten Drehtür zwischen Aufsehern und privater Wirtschaft sehr geschickt ausgespielt, um aus Untersuchungen den Wind raus zu nehmen. Im Buch beschreibe ich einen Fall im Jahr 2001, in dem die US-Börsenaufsicht SEC unvermittelt eine Untersuchung gegen die Deutsche Bank fallen gelassen hat. Der Chefermittler, Dick Walker, hatte den Fall kurz zuvor wegen Befangenheit abgegeben. Ein paar Monate später wurde Walker dann Chefjustiziar bei der Deutschen Bank.
Was hätten die Aufseher besser machen müssen?
Die Fed und auch die britischen Regulierer waren strenger als die Bafin und gerade in den vergangenen Jahren sehr frustriert, dass die Bank nur so langsam Fortschritte macht. Doch der Fed ist früh ein wichtiger Fehler unterlaufen. 2004 erwartete die Deutsche Bank nach einem Geldwäscheskandal eine Strafe von gut 100 Millionen Dollar. Doch stattdessen gab es nur einen Brief, der die Bank aufforderte, ihr Verhalten zu ändern. Viele Manager sahen das als einen Faktor, der das Streben nach kurzfristigen Profiten weiter angetrieben hat. Die Konsequenzen für das Fehlverhalten waren schließlich minimal.

Der Journalist und Buchautor hat sich in „Dark Towers“ mit den Skandalen der Deutschen Bank befasst.
Nicht nur bei den Banken übernimmt nun eine neue Generation an Führungskräften, sondern auch bei den Regulierern. Wie verändert sich dadurch die Dynamik?
Die neue Generation hat die Folgen der Finanzkrise miterlebt und versteht, warum viele Menschen immer noch wütend auf die Banken sind. Die wurden schließlich mit ihrem Steuerzahlergeld gerettet. Langsam setzt sich der Ansatz durch, Manager persönlich zu bestrafen, statt immer nur den Instituten hohen Strafen aufzubrummen. Das könnte Dinge verändern.
Was hat Sie bei der Recherche am meisten überrascht?
Auch andere Banken haben viel falsch gemacht. Aber noch nie habe ich gesehen, dass eine einzige Institution so viel Chaos in der Welt anrichten kann, ökonomisch, politisch und menschlich. Ich spreche von Sanktionsverstößen im Iran, über Geldwäsche bis hin zu Selbstmorden. Dass Donald Trump nun Präsident der USA ist, ist eine Konsequenz dieser rücksichtslosen Einstellung und ein starkes Symbol dafür, wie diese Bank funktioniert hat.
Glauben Sie, dass die Bank die Skandale überwinden kann?
Ich weiß es nicht. Es bleibt viel zu tun, und die Firmenkultur ist immer noch problematisch. Ich habe einige Zeit in Florida verbracht, wo die Mitarbeiter der Bank sitzen, die verdächtige Transaktionen aufspüren sollen. Viele haben sich beschwert, dass es immer noch vor allem darum geht, Sachen durchzuwinken, statt Problemen auf den Grund zu gehen. Ich bezweifle nicht, dass Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing gute Absichten hat. Aber manche Prozesse lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Sollte es einen neuen, großen Skandal geben, wäre das sicherlich sehr gefährlich.
Herr Enrich, vielen Dank für das Interview.
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