Dax-Ausblick Die Märkte lassen sich vom Coronavirus kaum beirren – noch

Der Deutsche Aktienindex ist nicht allzu weit entfernt von seinem Höchststand von Mitte Februar mit 13.795 Punkten.
Frankfurt Das Thema Coronavirus können Börsianer vermutlich noch nicht abhaken. Immer wieder tauchen Medienberichte etwa über eine dramatisch hohe Ansteckungsrate auf, zuletzt in einem Pekinger Krankenhaus. Derartige Nachrichten können schnell die gesamte Hauptstadt in Aufruhr versetzen.
„Peking liegt nicht in der Provinz Hubei, und auch Südkorea tut das nicht, wo man mittlerweile begonnen hat, die Infektionszahlen zu zählen“, betont Jochen Stanzl vom Wertpapiermakler CMC Markets. Inzwischen ist die Zahl der mit der Lungenkrankheit angesteckten Menschen in Südkorea auf über 200 Personen gestiegen.
Allerdings scheint die Euro-Zone bislang zumindest wirtschaftlich gegen das Virus immun zu sein. Der aktuell veröffentlichte Einkaufsmanagerindex im verarbeitenden Gewerbe ist im Februar gestiegen. „Mit diesem Ergebnis war nicht zu rechnen“, konstatiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Doch die Einkaufmanager in der Euro-Zone hielten Kurs. Mehr noch, in Deutschland konnte das Konjunkturbarometer für das verarbeitende Gewerbe sogar noch zulegen.
Trotz unterbrochener Lieferketten zeigte sich die deutsche Industrie optimistischer als im Vormonat. „Das ist in Anbetracht der schwierigen Situation in Asien sehr erstaunlich“, sagt Gitzel. Damit könne der Erholung im produzierenden Gewerbe durchaus eine übergeordnete Stärke attestiert werden.
Das alles führt zu einer gewissen Sorglosigkeit an den Aktienmärkten. Der Deutsche Aktienindex ist nicht allzu weit entfernt von seinem Höchststand von Mitte Februar mit 13.795 Punkten. Und die US-Topindizes Dow Jones sowie S&P 500 erreichten in den vergangenen Handelstagen ebenfalls neue Höchststände.
Nicht berücksichtigt wird, dass das chinesische Handelsministerium für Januar und Februar ein stark zurückgehendes Wachstum sowohl bei den Importen als auch den Exporten erwartet. Die Ausfuhren tragen etwa ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt bei, das sind die in der Heimat erzeugten Güter und Dienstleistungen. Um die Epidemie einzudämmen, stehen in China zahlreiche Fabriken still. Andere kämpfen mit Schwierigkeiten, ihre Produktion wieder hochzufahren. Es mangelt an Rohstoffen und Vorprodukten.
„Die Märkte sind mit dem Coronavirus zu sorglos umgegangen“
Für Robert Greil vom Bankhaus Merck Finck ist klar: „Die Märkte blicken bislang weitgehend durch die Virusfolgen durch.“ Der Chefstratege warnt, auch wenn die Neuansteckungen sänken, würden Chinas Industriekapazitäten bestenfalls Mitte März wieder halbwegs normal ausgelastet sein.
Und hier gilt die Voraussetzung: Es gibt keine weiteren Kursrückschläge. Greil befürchtet zudem, dass nach Japan auch Deutschlands Industrie zunehmend unter fehlenden Zulieferteilen leiden wird, was vorübergehend das „zarte deutsche Konjunkturpflänzchen“ zu belasten drohe. Für die Industrie von Vorteil ist jedoch der starke Dollar. Für einen Euro gab es zuletzt etwa 1,08 Dollar. Das erleichtert gerade den Exporteuren das Leben und erhöht deren Wettbewerbsfähigkeit.
Klar ist jedenfalls für Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank: Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie werden erheblich sein. Das gelte selbst dann, wenn sich die Krankheit tatsächlich auf dem Rückzug befinde und im ersten Quartal weitgehende Entwarnung gegeben werden könne.
Pandemie ist nicht auszuschließen
Denn die wirtschaftlichen Schäden durch den Produktionsausfall der Fabriken, durch die Störung von Lieferketten, durch eingeschränkte Konsummöglichkeiten und durch die Ausfälle im Reiseverkehr seien vor allem für China und die asiatischen Anrainerstaaten schon jetzt beträchtlich.
Er will aber nicht ausschließen, dass sich die Infektion über die Grenzen Chinas ausbreitet und in eine Pandemie mündet, also eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung der Infektion. Selbst wenn es sich hier um ein recht unwahrscheinliches Risikoszenario handele, so ist das für Bielmeier angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen durchaus relevant.
„In diesem Fall wäre eine globale Rezession zu befürchten, die sich an den Aktienmärkten in scharfen Kursverlusten niederschlagen würde“, sagt der Chefvolkswirt. Rückgänge von 30 Prozent wären aus der Sicht der DZ Bank wahrscheinlich.
Für den Dax bedeutete das nach den Berechnungen der Bank ein Kursniveau von 9700 Punkten. Auch aus den letzten beiden Dax-Korrekturen in den Jahren 2015 und 2018 könne ein Einbruch in diesem Umfang im Krisenszenario abgeleitet werden. In der heutzutage eng vernetzten, arbeitsteiligen Wirtschaft wäre eine Kettenreaktion zu befürchten. Reisen würden wohl stark begrenzt, ebenso der Transport von Waren und Rohstoffen. Einen Kurseinbruch von rund 50 Prozent, wie es in 2008/09 zu beobachten war, sieht die DZ Bank allerdings nicht.
Angesichts der schwierigen Lage wurde die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) von den Anlegern zuletzt wieder höher eingeschätzt. „Ein weiterer Zinsschritt um 0,10 Prozentpunkte in diesem Jahr“ ist nach Ansicht von Ulf Krauss von der Landesbank Helaba weiterhin möglich.
Das gehe vermutlich einher mit einer Ausweitung der Freibeträge für die Einlagen der Banken bei der EZB. Eine Ausweitung des Kaufprogramms von Anleihen erwartet der Experte indes nicht. Investoren griffen am Freitag zu Bundesanleihen und drückten die Rendite der zehnjährigen Wertpapiere zeitweise auf ein Viereinhalb-Monats-Tief von minus 0,465 Prozent.
In der kommenden Woche dürfte sich die Aufmerksamkeit vor allem auf das Geschäftsklima für die deutsche Wirtschaft konzentrieren, das das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo ermittelt. Die Diskussion über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona auf die Unternehmen sollte Besorgnisse auslösen. Mit großem Interesse dürfte zudem verfolgt werde, wie sich – angesichts der wirtschaftlichen Abschwächung – der deutsche Arbeitsmarkt im Februar entwickelt.
Hinweise auf den Zustand der US-Wirtschaft geben in der nächsten Woche die Entwicklung des Verbrauchervertrauens am Dienstag sowie tags darauf die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter. In Asien schließen nach dem Arbeitsmarktbericht und Zahlen zur Industrieproduktion in Japan am Freitag am folgenden Tag in China offizielle Einkaufsmanagerindizes die Woche ab.
Mehr: Erfahren Sie hier, welchen Einfluss die Zentralbanken derzeit auf das Verhalten der Anleger haben.
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