Deutsche Bank Mayree Clark soll einen der heikelsten Jobs in der deutschen Bankenszene erledigen

Das Institut sucht einen Nachfolger den scheidenden Aufsichtsratschef Paul Achleitner.
Frankfurt, New York Mayree Clark wirkt auf den ersten Blick zart, beinahe zerbrechlich. Doch der Eindruck täuscht. Dass die zierliche 64-Jährige eine gewisse Grundhärte mitbringt, zeigt schon die Tatsache, dass sie als Frau in den 1980er- und 1990er-Jahren an der Wall Street im männerdominierten Investmentbanking Karriere machte. Sie war gerade einmal 33 Jahre alt, als sie bei Morgan Stanley zum Managing Director befördert wurde. Einst galt sie sogar als mögliche Nachfolgerin für Morgan-Stanley-Chef John Mack, bevor dann Vikram Pandit das Rennen machte.
Diese Grundhärte kann sie gut gebrauchen, denn Clark soll einen der heikelsten Jobs in der deutschen Bankenszene erledigen. Die Amerikanerin, die seit 2018 im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt, hat die Aufgabe, einen Nachfolger für Paul Achleitner zu finden, den scheidenden Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Achleitner hört nach zehn Jahren auf der Hauptversammlung im kommenden Mai auf. Den Job hat Clark von ihm selbst bekommen, als er ihr im vergangenen Jahr den Vorsitz des Nominierungsausschusses übertragen hat.
Es gibt Stimmen, die hinter dieser Strategie den Druck wichtiger Investoren vermuten. Achleitners Kritiker monieren, dass er in der Vergangenheit Personalfragen gerne im Hauruckverfahren klärte, etwa den Wechsel vom glücklosen Vorstandschef John Cryan zum aktuellen Topmanager Christian Sewing. Damals fühlten sich einige Aufsichtsräte überfahren. Möglich ist allerdings auch, dass Achleitner selbst solche Kritik schon im Vorfeld ausräumen wollte.
So findet es ein Wall-Street-Banker, der das Frankfurter Institut gut kennt, zwar „schon irgendwie merkwürdig“, dass ausgerechnet die Amerikanerin Clark den Top-Kontrolleur für die größte deutsche Bank suchen soll. Er sagt aber auch, dass Clark und John Thain, der frühere Chef der Investmentbank Merrill Lynch, im Aufsichtsrat die wichtige Sicht der angelsächsisch geprägten internationalen Großinvestoren vertreten. Und er ergänzt: „Investoren in den USA glauben nicht unbedingt, dass Achleitner einen guten Job gemacht hat.“
Bemerkenswert ist der Auftrag an Clark vor allem aus deutscher Sicht: „In Deutschland ist es eher ungewöhnlich, dass eine Zuständige für einen Nachfolgeprozess explizit öffentlich benannt wird. In angelsächsischen Ländern ist es aber durchaus üblich, und viele Investoren dort legen darauf im Nominierungsprozess auch großen Wert“, sagt Ingo Speich, der Corporate-Governance-Experte des Sparkassen-Fondshauses Deka.

Die Amerikanerin machte im männerdominierten Investmentbanking Karriere.
Mit Clark fiel die Wahl der Deutschen Bank auf eine Managerin mit einem Faible für Governance-Themen. Nach ihrer Zeit als Investmentbankerin gründete sie den Fonds Eachwin, der als Auswahlkriterium für seine Investments vor allem auf die Qualität des Managements setzt. Clark nehme die Themen gute Unternehmensführung und Integrität sehr ernst, sagen Leute, die sie kennen.
Als globale Chefin der Research-Abteilung von Morgan Stanley habe Clark dafür gesorgt, dass ihre Analysten auch sehr kritische Berichte über Unternehmen oder Branchen verfassen konnten, auch wenn das für Ärger mit den eigenen Investmentbankern sorgte, sagt etwa der Investor Neil Barsky, der damals für Clark arbeitete. „Sie ist davon überzeugt, dass ethisches und diskretes Verhalten auch gut fürs Geschäft ist“, ergänzt er.
Clarks Reputation als starke, unabhängige Managerin dürfte die Deutsche Bank als große Chance sehen – frei nach dem Motto: Wen die erfahrene Investmentbankerin aus den USA am Ende krönt, der hat es in einem unabhängigen Verfahren ohne Kungelei auf den Chefposten im Aufsichtsrat geschafft.
Dazu passt, dass im Umfeld der Bank immer wieder darauf verwiesen wird, dass der Findungsprozess noch immer offen ist, dass sich längst nicht nur interne Kandidaten auf den Posten Hoffnung machen können. Und noch ein Punkt soll Clark dem Vernehmen nach wichtig sein: ein „W“ am Anfang des Nachnamens ist keine Voraussetzung für den Job.

Buchstabenratespiel des scheidenden Chefkontrolleurs der Deutschen Bank.
Die Sache mit dem „W“ verdankt Clark Noch-Aufsichtsratschef Achleitner. Denn in der Frankfurter Szene erinnern sich einige daran, dass Achleitner im Umfeld der jüngsten Hauptversammlung in vertraulichen Gesprächen fallen ließ, der Name seines Nachfolgers beginne mit „W“. Das Buchstabenratespiel des scheidenden Chefkontrolleurs ist nicht schwer zu lösen. Es verweist auf die internen Kandidaten Theo Weimer, Vorstandschef der Deutschen Börse, Ex-Volkswagen-Manager Martin Witter sowie den früheren PwC-Deutschlandchef Norbert Winkeljohann.
Das alles erweckt bei vielen Beobachtern den Eindruck, dass der Prozess eigentlich schon gelaufen ist. Als heißester Anwärter auf den Posten gilt Weimer, der Wunschkandidat von Investoren und Bankenaufsehern gleichermaßen. Und auch Achleitner schätzt seinen Kollegen aus gemeinsamen Goldman-Sachs-Zeiten sehr.
In ihre Angelegenheiten lässt Clark sich nicht gern hineinreden
Solche Indiskretionen sind Clark ein Gräuel. Ihr Ex-Mitarbeiter Barsky erinnert sich an eine Aufzugfahrt mit ihr im Morgan-Stanley-Hauptquartier, auf der er munter über Geschäftliches plauderte. Clark habe ihn nur mit versteinerter Miene angeguckt und nach der Fahrt ihren Finger vor die Lippen gehalten. „Im Aufzug waren noch andere Leute, ich war nicht diskret genug“, meint er heute.
In ihre Angelegenheiten hineinreden lässt sich Clark auch nicht gern. „Sie hat ihren eigenen Kopf, und sie hat eine geschickte Art, sich ihre Unabhängigkeit zu sichern“, sagt einer, der sie gut kennt. In der Finanzkrise wurde sie 2009 in den Aufsichtsrat von Ally Financial geholt, einem Institut, das damals noch GMAC Financial hieß und gerade vom Staat mit milliardenschweren Finanzspritzen gerettet worden war. Clark überwachte als Chefin des Risikoausschusses die notwendigen Aufräumarbeiten. „Sie ist eine Problemlöserin“, schwärmt Barsky.
Bei ihrem aktuellen Job stellt sich allerdings die Frage, wie groß ihr Spielraum wirklich ist. Das liegt unter anderem an der anspruchsvollen Stellenbeschreibung für den Posten.
Politisches Gespür ist gefragt, um in Berlin das Gehör der Regierung zu finden. Gute Drähte in die deutsche Unternehmenslandschaft. Erfahrungen mit internationalen Großkonzernen. Ein gesundes Selbstbewusstsein, um die Egos der Vorstände in Schach zu halten. Hinzu kommen die Checklisten der Bankenaufseher der EZB, die Finanzexpertise einfordern. Und Deutsch sollte der Achleitner-Nachfolger auch noch sprechen.
Die Bankenaufseher wünschen noch 2021 ein Ergebnis
Die zahlreichen Zwänge schränken die Möglichkeiten Clarks erheblich ein. Sie ist in den USA sehr gut verdrahtet und ist es gewohnt, auf Augenhöhe mit Top-Managern zu reden. Doch ihre Kritiker monieren, dass sie in Deutschland über kein dichtes Netzwerk verfügt.
Und die Uhr für die Suche tickt: Die Bankenaufseher der EZB wünschen noch in diesem Jahr ein Ergebnis, ist zu hören. Die Aufseher sind nicht die Einzigen, die meinen, dass die Zeit drängt. „Für uns ist es wichtig, dass es einen nahtlosen Übergang an der Aufsichtsratsspitze gibt“, sagt Deka-Fondsmanager Speich. „Eine externe Nachfolgelösung für Paul Achleitner wäre noch immer möglich, aber das Zeitfenster dafür schließt sich bald.“ Speich hält eine Einarbeitungszeit von mindestens sechs Monaten für nötig.
Das lenkt den Blick fast automatisch wieder auf die drei W: Weimer, Witter und Winkeljohann. Favorit Weimer müsste allerdings seinen lukrativen Job als Börse-Chef aufgeben. „Wenn er den Posten will, würde er ihn kriegen. Die Frage ist, was ihm wichtiger ist: das höhere Gehalt der Börse oder das höhere Prestige als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank“, heißt es in Finanzkreisen.
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