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Dirk Albersmeier im Interview M&A-Chef von JP Morgan: „Finanzinvestoren sitzen auf mehr als einer Billion Dollar“

Dirk Albersmeier leitet bei JP Morgan das Geschäft für Fusionen und Übernahmen. Für die Zeit nach den Kontaktbeschränkungen ist er optimistisch: „Im dritten Quartal wird durchgestartet.“
02.06.2020 - 12:30 Uhr Kommentieren
Im ersten Quartal fuhr die Großbank mit weltweit mehr als 250.000 Mitarbeitern einen Gewinn von 2,9 Milliarden Dollar ein. Quelle: Reuters
JP-Morgan-Zentrale in New York

Im ersten Quartal fuhr die Großbank mit weltweit mehr als 250.000 Mitarbeitern einen Gewinn von 2,9 Milliarden Dollar ein.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Er zählt zu den wenigen Deutschen, die es im internationalen Investmentbanking bis ganz nach oben geschafft haben: Dirk Albersmeier. Seit rund 100 Tagen leitet der 50-Jährige bei der Nummer eins im Kapitalmarktgeschäft, der US-Großbank JP Morgan, das Geschäft für Fusionen und Übernahmen (M&A) weltweit.

Ein Start, wie er kaum schwieriger hätte ausfallen können. Zwar konnte sich Albersmeier in der ersten Woche im Amt noch mit seinen Kollegen in New York auf die neue Aufgabe einstimmen. Danach war aber Corona-bedingt Schluss. Statt 20 Flüge im Monat zu wuppen, nimmt er seither täglich an mindestens zehn Videokonferenzen teil. Alles war plötzlich anders.

Das gilt auch für das M&A-Geschäft selbst. Es kommen zwar noch Deals zustande, wie die milliardenschwere Übernahme des deutschen Kosmetikunternehmens Wella durch den Finanzinvestor KKR gezeigt hat. Aber die Anzahl der Transaktionen ist in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen.

Gerade zu Beginn der Coronakrise standen Fusionen und Übernahmen bei vielen Unternehmen nicht im Fokus. Das Tagesgeschäft zu meistern war viel wichtiger. Albersmeier rechnet deshalb mit einem Drittel weniger Transaktionen im ersten Halbjahr im Vergleich zu einem normalen Jahr. „Aktuell liegen wir rund 28 Prozent unter dem vergleichbaren Wert des Vorjahres von knapp 500 Milliarden Dollar, dabei hatten wir im Januar und Februar noch einen guten Start erwischt“, sagt der Topbanker im ersten Interview seit seiner Beförderung. Für das gesamte Geschäftsjahr werde der Rückgang wohl noch größer ausfallen.

Albersmeier rechnet trotzdem damit, dass die Megadeals im Volumen von mehr als zehn Milliarden Euro wieder zurückkommen. Die Finanzinvestoren „sitzen nach wie vor auf hohen Reserven, die die Marke von einer Billion Dollar übersteigen“.

Von der Seite der Private-Equity-Fonds rechnet er deshalb vermehrt mit Übernahmen. Der Anteil am gesamten M&A-Geschäft könne deutlich über den langjährigen Durchschnitt von 25 Prozent steigen, da die Beteiligungshäuser den Vorteil hätten, nicht vom Quartalsdenken getrieben zu werden. Das sei bei börsennotierten Firmen oftmals der Fall.

Als schwierig schätzt Albersmeier im Moment die Kreditfinanzierung für große Akquisitionen ein. „Vor allem langlaufende Brückenfinanzierungen sehen wir wegen der verbleibenden Unsicherheit noch nicht am Markt.“ Die Aktie gewinne als Übernahme-Währung an Bedeutung. Dass sich der Staat in der Krise als Retter und Gesetzgeber stärker ins Deal-Geschehen einmischt, erschwert nach seiner Meinung das Geschäft. Übernahmen würden komplexer und zeitraubender, was das Risiko in Zeiten mit hohen Kursschwankungen erhöhe.

Das ganze Interview lesen Sie hier:

Der M&A-Chef von JP Morgan. Quelle:   JP Morgan
Dirk Albersmeier

Der M&A-Chef von JP Morgan.

(Foto:  JP Morgan)

Herr Albersmeier, seit rund 100 Tagen sind Sie Co-Chef für das weltweite Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) bei JP Morgan, der Nummer eins unter den Investmentbanken. Eine spannendere, aber auch schwierigere Zeit hätte man sich für den Start kaum aussuchen können …
Das stimmt. In der ersten Woche habe ich mich mit meinen Kollegen in New York zwar noch auf die neue Aufgabe einstimmen können. Danach war aber Schluss. Von meinen ersten 100 Tagen bin ich wegen Covid-19 etwa 70 Tage im Homeoffice hier in London gewesen. Statt 20 Flügen im Monat habe ich jetzt mindestens zehn Zoom-Videokonferenzen am Tag. Alles wurde auf den Kopf gestellt. Videokonferenzen sind jedoch sehr effizient und bieten eine hervorragende Möglichkeit, um mit Kunden in Kontakt zu treten.

Gab es in dieser Zeit überhaupt noch Fusionen und Übernahmen? Oder ist das Geschäft vollkommen zum Erliegen gekommen?
Nein, es kommen schon noch Deals zustande. In Europa haben wir in den letzten drei Monaten immerhin sieben Transaktionen angekündigt. Darunter waren auch milliardenschwere Übernahmen wie der Kauf des deutschen Kosmetikunternehmens Wella durch den internationalen Finanzinvestor KKR oder die Fusion des Telekommunikationsunternehmens Virgin Media mit dem Konkurrenten O2 in Großbritannien. Trotz dieser beachtlichen Beispiele ist die Anzahl der Transaktionen in den letzten Monaten stark zurückgegangen, da gerade am Beginn der Krise M&A nicht im Vordergrund vieler Unternehmen stand.

Schöpfen Sie nach der Aufholjagd bei den Kursen an den Börsen neue Hoffnung und erwarten bis zum Sommer ein deutlich belebteres Geschäft?
Natürlich fallen Prognosen in diesem Umfeld schwer, aber wir erwarten, dass bis zum Sommer mindestens noch einmal die gleiche Anzahl an Transaktionen wie in den letzten drei Monaten machbar sein sollte. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir im ersten Halbjahr dann wahrscheinlich ein Drittel weniger Transaktionen im Vergleich zu einem normalen Jahr hätten.

Und wie steht es um die Volumina?
Aktuell liegen wir rund 28 Prozent unter dem vergleichbaren Wert des Vorjahres von knapp 500 Milliarden Dollar, dabei hatten wir im Januar und Februar noch einen guten Start erwischt. Denken Sie nur an den Kauf des Aufzugsgeschäfts von Thyssen-Krupp durch die beiden Finanzinvestoren Advent und Cinven für rund 17 Milliarden Euro. Sie müssen bedenken, dass Transaktionen oft Monate, manchmal sogar Jahre dauern und viele Gespräche zu Beginn der Pandemie erst einmal eingestellt wurden, sodass der Rückgang für das Gesamtjahr wohl noch größer werden wird.

Wo erkennen Sie derzeit Hoffnungsschimmer?
In den Branchen, die sich durch Stabilität in der Krise auszeichnen. Entscheidend für Übernahmen ist und bleibt es, dass der Käufer auf belastbare Schätzungen für die Geschäftsjahre 2021 und 2022 bauen kann. Dann sind Transaktionen möglich beziehungsweise spürt man Bewegung in der Branche. Das gilt derzeit vor allem für Technologieunternehmen, den Gesundheitsmarkt und Immobilienkonzerne beziehungsweise Infrastruktur. Die Initiativen gehen im Augenblick meistens von den Kaufinteressenten aus. Verkäufer halten sich angesichts der Unsicherheit noch zurück.

Kommen auch die Megadeals wieder zurück, die größer als zehn Milliarden Euro sind? Der letzte war die bereits genannte Übernahme des Aufzugsgeschäfts von Thyssen-Krupp.
Auch die kommen wieder zurück. Die Finanzinvestoren sitzen nach wie vor auf hohen Reserven, die die Marke von einer Billion Dollar übersteigen. Von der Seite der Private-Equity-Fonds rechne ich deshalb vermehrt mit Übernahmen. Denn das Geld muss arbeiten, um eine Rendite zu erzielen. Und in Krisenzeiten bestehen erfahrungsgemäß beste Chancen für Beteiligungshäuser, gute, renditestarke Deals einzufädeln. Der Anteil der Transaktionen, bei denen sich Finanzinvestoren am Ende durchgesetzt haben, hat bereits vor der Covid-Krise deutlich zugenommen und wird meiner Meinung nach in nächster Zeit deutlich über den langjährigen Durchschnitt von 25 Prozent steigen. Private Equity hat einfach den Vorteil, nicht vom Quartalsdenken getrieben zu werden, wie das bei börsennotierten Firmen oftmals der Fall ist, und muss sich vor allem keine Gedanken darüber machen, wie der Kauf bei Ankündigung vom Kapitalmarkt beurteilt wird.

Wie sieht es auf der Kreditseite aus?
Schwierig sind im Moment die Kreditfinanzierungen für große Akquisitionen. Vor allem lang laufende Brückenfinanzierungen sehen wir wegen der verbleibenden Unsicherheit noch nicht am Markt. Das erschwert im Moment auch sogenannte Public-to-Private-Transaktionen, wo Unternehmen von der Börse genommen werden wie im Fall des Pharmaunternehmens Stada. Solche Transaktionen dauern einfach zu lange im gegenwärtigen Umfeld. Das insgesamt verfügbare Fremdkapital hat oftmals erst bis 60 Prozent des Niveaus vor der Krise wieder erreicht, da die Vorsicht der Kreditgeber überwiegt. In den letzten Wochen haben wir aber bereits eine deutliche Erholung gesehen. Wir gehen davon aus, dass wir in der zweiten Jahreshälfte hier wieder deutlich bessere Rahmenbedingungen sehen werden.

Mit wie vielen Transaktionen rechnen Sie in Deutschland?
In Deutschland kann man zwei bis drei nennenswerte Deals bis August erwarten, auch in Milliardenhöhe.

Alle Marktteilnehmer warten jetzt erst einmal auf die Zahlen für das zweite Quartal.

Wer wagt es, in solch unsicheren Zeiten wie heute überhaupt zu kaufen?
Multinationale Konzerne mit starker Bilanz kaufen jetzt ein. Sie können sich das leisten und suchen keine billigen Schnäppchen. Entscheidend ist für sie M&A mit starker strategischer Logik. Es geht hier um Synergien auf allen Ebenen der Konzerne, bei denen Kosten gesenkt, Marktanteile dazugewonnen werden und Größenvorteile ins Spiel kommen. Auch die Stärkung der Lieferketten ist wichtig. Was für Probleme diese bereiten können, hat die Krise gezeigt.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zuzuschlagen?
Alle Marktteilnehmer warten jetzt erst einmal auf die Zahlen für das zweite Quartal. Die sollen zeigen, inwieweit das Geschäft der Zielunternehmen von der Pandemie beeinflusst wurde. Auf dieser Basis werden wir im September dann deutlich mehr Aktivität sehen. Fazit: Im dritten Quartal wird durchgestartet.

Zahlen sich Deals in Krisenzeiten überhaupt aus?
Ja, das zeigt eine aktuelle Studie aus unserem Haus. Wir haben 17 große Transaktionen aus der Zeit der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 ausgewertet. Die Fusionen und Übernahmen haben sich mehrheitlich gelohnt. Die Kursgewinne in den drei Monaten nach der Ankündigung der Transaktionen lagen in 60 Prozent der Fälle höher als die Performance des Aktienindexes S&P 500.

Was war dabei wichtig für den Erfolg?
Um jetzt als Käufer zum Erfolg zu kommen, muss man bereit sein, einen angemessenen und guten Preis zu bezahlen. Hierzu bedarf es vor allem der schon erwähnten substanziellen Synergien. Es darf nicht nur auf die vielleicht aktuell schon wieder hohen Bewertungsmultiplikatoren geschaut werden, sondern Unternehmen müssen die langfristigen Chancen im Markt sehen.

Werden die Übernahmen dann cash bezahlt?
Die Aktie wird als Übernahmewährung sicherlich an Gewicht gewinnen im Vergleich zu normalen Zeiten. Wenn die Kurse beider Unternehmen in der Krise verloren haben, können bei einem Aktientausch beide Aktionärsgruppen von einem Kursanstieg nach der Fusion profitieren. Das verbessert das Chance-Risiko-Profil und macht es einfacher, sich auf einen Preis zu einigen. Es wird aber auch zu mehr Kombinationen von Aktientausch mit einem Baranteil kommen.

Das alles klingt in gewohnter Investmentbanker-Manier schon wieder sehr rosig. Kommt es nicht viel mehr zu Notverkäufen und Sanierungen?
Natürlich kommt es auch zu sogenanntem Distressed M&A, aber dies steht bei uns weniger im Fokus. Ich glaube aber eher, dass solche Situationen zu mehr Not-Kapitalerhöhungen führen werden, um Zeit zu gewinnen.

Gleichzeitig mischt sich der Staat wieder stärker ein bei Unternehmen in Notlagen, etwa durch das Angebot eines Einstiegs bei Lufthansa. Außerdem droht er, bei strategisch und technologisch wichtigen Unternehmen die Übernahmen verschärft zu prüfen und notfalls zu untersagen. Macht das Ihr Geschäft schwieriger?
Die Prozesse werden durch die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes in Deutschland jedenfalls bei grenzüberschreitenden Deals noch komplexer. Auch die Kartellprüfungen werden immer umfangreicher, sodass sich Transaktionen ein paar Monate länger als üblich hinziehen werden, was das Risiko in dieser volatilen Zeit natürlich erhöht.

Sie haben den globalen Blick auf den Markt. Wo gibt es jetzt Mut machende Entwicklungen?
Mich beeindruckt die Erholung in Asien. Dort gibt es viel mehr Dynamik als in Europa oder den USA im Markt. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Covid-19-Krise dort schon weitgehend überwunden scheint. Der Verkauf chinesischer Geschäftsbereiche durch europäische und amerikanische Unternehmen wird auch künftig ein ganz großes Thema bleiben, da langfristiger Erfolg ohne einen lokalen Partner in China immer schwieriger wird. Das Handelsunternehmen Metro hat beispielsweise sein Geschäft in China verkauft. Umgekehrt wird man große chinesische Investments in Europa oder Deutschland in den kommenden 18 Monaten kaum sehen.
Herr Albersmeier, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Deals im Mittelstand stützen den M&A-Markt.

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