Edgar Ernst Bundesregierung geht auf Distanz zum Präsidenten der „Bilanzpolizei“ DPR

Der oberste „Bilanzpolizist“ sitzt gleich in drei Aufsichtsräten: beim Immobiliendienstleister und Dax-Konzern Vonovia, beim Handelskonzern Metro und beim Touristikunternehmen Tui.
Düsseldorf/Frankfurt Die Bundesregierung geht auf Distanz zum derzeitigen Präsidenten der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Edgar Ernst. Hintergrund sind dessen Aufsichtsratsposten bei börsennotierten deutschen Konzernen.
Wie es in Regierungskreisen heißt, halte man derartige Mandate für nicht vereinbar mit der Chefposition bei der DPR. Personelle Konsequenzen dürften nun zur Bedingung dafür werden, dass es zwischen der Finanzaufsicht Bafin und der DPR, der Bilanzpolizei, wie geplant zu einem neuen Vertrag kommen wird.
„Die Bundesregierung hat den Anerkennungsvertrag mit der DPR im Juni 2020 gekündigt, um ein deutliches Signal dafür zu setzen, dass wir das System der Bilanzkontrolle grundlegend reformieren wollen“, erklärte das Bundesjustizministerium auf Anfrage des Handelsblatts. „Wichtig ist dabei, dass schon der Anschein eines Interessenkonflikts vermieden wird.“
Grundsätzlich will die Bundesregierung am bestehenden zweistufigen System der Bilanzkontrolle festhalten. Seit vielen Jahren ist der Bafin als hoheitlicher Behörde die DPR als privatrechtliche Organisation vorgeschaltet. Sie macht jedes Jahr stichprobenartige Untersuchungen der Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen oder prüft Firmen anlassbezogen, also bei konkretem Verdacht. Im Fall Wirecard wird der DPR Versagen vorgeworfen.
Die Bundesregierung hat im Gesetzentwurf zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) aber festgelegt, dass nur eine solche Einrichtung als Prüfstelle anerkannt werden darf, die „aufgrund ihrer Satzung, ihrer Verfahrensordnung und ihrer personellen Zusammensetzung gewährleistet, dass die Prüfung unabhängig erfolgt.“ Die Bafin ist dem Finanzministerium unterstellt.
Eine weitere Zusammenarbeit mit der DPR wird deswegen nun an personelle Bedingungen geknüpft, die zu einem Wechsel an der Spitze der Prüfstelle führen könnten. Voraussetzung einer unabhängigen Prüfung sei, dass es „eine klare Regelung zur Unvereinbarkeit der Tätigkeit als Mitglied der Prüfstelle mit Aufsichtsratsmandaten bei Unternehmen geben muss“, so das Bundesjustizministerium weiter. „Einrichtungen, die Aufsichtsratsmandate ihres Führungspersonals zulassen, werden nicht anerkannt.“
Ernst ist Aufsichtsrat bei drei Konzernen
Das ist eine deutliche Schelte für den langjährigen DPR-Präsidenten Ernst. Der oberste „Bilanzpolizist“ sitzt gleich in drei Aufsichtsräten: beim Immobiliendienstleister und Dax-Konzern Vonovia, beim Handelskonzern Metro und beim Touristikunternehmen Tui. Dort leitet er jeweils die Prüfungsausschüsse. Wegen dieser Mandate steht Ernst schon länger in der Kritik, doch die Debatte um seine Person hat nun im Zuge der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals noch mal an Fahrt gewonnen.
Laut der Erklärung des Bundesjustizministeriums bliebe Ernst die Möglichkeit, seine Mandate niederzulegen, um weiter an der Spitze einer reformierten DPR zu bleiben. In Teilen der Bundesregierung ist dies jedoch Ministeriumskreisen zufolge nicht mehr erwünscht.
Union und SPD sind bemüht, nach dem Wirecard-Skandal bei vielen staatlichen Stellen personell reinen Tisch zu machen. Zuletzt musste der Chef der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, seinen Hut nehmen. Davor traf es den Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas Ralf Bose.

Ernst bliebe die Möglichkeit, seine Mandate niederzulegen, so das Bundesjustizministerium.
In den Statuten der DPR ist schon seit Langem prinzipiell festgelegt, dass der Präsident der Prüfstelle während seiner Amtszeit keine Aufsichtsratsmandate innehaben sollte. Ausnahmen sind aber zugelassen und müssen im Einzelfall genehmigt werden, insbesondere im Falle langjährig bestehender Mandate. Dies muss der DPR-Chef mit dem Trägerverein der Prüfstelle klären, dem zahlreiche Verbände wie der BDI und Aktionärsschützer wie die DSW angehören.
Die aktuelle Kritik entzündet sich vor allem am Aufsichtsratsmandat des DPR-Chefs bei der Metro. Ernst trat diesen Posten 2017 an – ein Jahr, nachdem das Bundesjustizministerium eine Verschärfung der DPR-Statuten durchgesetzt hatte. Seither ist festgelegt, dass der Chef der Prüfungsstelle gar keine weiteren Aufsichtsratsmandate mehr annehmen darf.
Ernst wird vorgeworfen, gegen diese Regel verstoßen zu haben. Die DPR hat dazu bei einer Berliner Kanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das an den Wirecard-Untersuchungsauschuss des Bundestages adressiert ist. Dort wurde Ernst vor gut 14 Tagen als Zeuge gehört. Eine Mitverantwortung der DPR für den Fall Wirecard hatte er bestritten.
Rechtsgutachten sieht keinen Verstoß
In dem Gutachten, das dem Handelsblatt vorliegt, wird Ernst keinerlei Rechtsverstoß attestiert. Es wird argumentiert, dass die 2016 verschärfte Verfahrensordnung der DPR keine Anwendung auf den Arbeitsvertrag mit Ernst finden kann. Sein seit 2011 laufender Vertrag wurde im November 2014 zu den damals geltenden Konditionen verlängert.
Die sehen vor, dass der DPR-Chef ein Aufsichtsratsmandat anzeigen und sich dies vom Nominierungsausschuss des Trägervereins genehmigen lassen muss. Dies sei im Fall Metro so geschehen, heißt es in dem Rechtsgutachten. Mitglieder des Untersuchungssauschusses wollten dieser rechtlichen Argumentation nicht folgen und kritisierten die Erklärung als „Gefälligkeitsgutachten“.
Mehrere Abgeordnete im Wirecard-Untersuchungsausschuss halten eine Ablösung von Ernst seit längerer Zeit für überfällig. „Die DPR hat viel Vertrauen verspielt und muss um ihre Existenzberechtigung kämpfen. Unter der Führung von Edgar Ernst wird das nicht gelingen“, sagte die SPD-Parlamentarierin Cansel Kiziltepe. „Sein Augenmerk schien vor allem auf der Sammlung von wohlvergüteten Ämtern und nicht der Bilanzkontrolle zu liegen.“

Die Rolle von Aufsehern und Prüfern steht im Fokus.
„Edgar Ernst muss sich entscheiden: Bilanzkontrolleur für alle oder Aufsichtsrat für einige Unternehmen. Beides gleichzeitig geht nicht“, sagte FDP-Finanzexperte Florian Toncar. Er kritisierte zugleich die bisherige Aufstellung der Prüfstelle. Die DPR habe nie über kriminalistische Fähigkeiten verfügt: „Die Finanzaufsicht hätte ihr den Fall Wirecard gar nicht erst übergeben dürfen.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Aufsichtsratsmandate von Ernst für scharfe Kritik sorgen. Kritiker halten es für unvereinbar, dass DPR-Mitarbeiter möglicherweise ein Unternehmen prüfen müssen, in dessen Aufsichtsrat ihr Präsident sitzt. Dies führte im Jahr 2014 zu einem ausgewachsenen Konflikt in der DPR-Führung.
Der Berliner BWL-Professor Axel von Werder, der damalige DGB-Vorstand Dietmar Hexel und der Corporate-Governance-Experte Theodor Baums zogen sich damals aus den Organen der „Bilanzpolizei“ zurück. Vonovia beaufsichtigt Ernst seit 2013, Tui seit 2011.
Von der DPR hat die Öffentlichkeit bis zum Wirecard-Skandal kaum Notiz genommen. Dabei war sie im Jahr 2005 mit dem Anspruch gegründet worden, erneute Bilanzskandale zu verhindern und das Vertrauen des Kapitalmarkts in die Jahresabschlüsse börsennotierter Unternehmen zu stärken.
Mehr: Schicksalstage für Wirecard – so geht es beim einstigen Riesen weiter.
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