Edgar Ernst Neuer Rücktritt im Wirecard-Skandal: Präsident der „Bilanzpolizei“ DPR geht

Der DPR-Chef legt sein Amt am Jahresende nieder.
Düsseldorf, Frankfurt Der Wirecard-Skandal fordert sein nächstes Opfer: Der Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Edgar Ernst, werde sein Amt auf eigenen Wunsch vorzeitig zum 31. Dezember 2021 niederlegen, teilte die auch „Bilanzpolizei“ genannte Organisation am Mittwochabend mit. Die DPR untersucht die Bilanzen deutscher Konzern auf korrekte Buchführung, im Fall Wirecard wird ihr Versagen vorgeworfen.
Der Rücktritt hatte sich nach den Entwicklungen der vergangenen Tage abgezeichnet. Regierungskreise in Berlin hatten am Dienstag gegenüber dem Handelsblatt deutlich gemacht, dass man einen personellen Neuanfang an der Spitze der DPR wünsche. Die Bundesregierung ist zwar nicht weisungsberechtigt, da die DPR eine von mehreren Verbänden wie dem BDI getragene privatwirtschaftliche Organisation ist.
Allerdings kann Berlin dafür sorgen, dass die DPR ihre Rolle in der Zusammenarbeit mit der Finanzaufsicht Bafin verliert. Seit vielen Jahren bilden beide Institutionen ein Duo bei der deutschen Rechnungslegungsprüfung. Nach dem Wirecard-Bilanzskandal hatte das Bundesjustizministerium aber den Vertrag mit der Prüfstelle gekündigt.
Zwar will die Bundesregierung mit der DPR weiter zusammenarbeiten, aber sie stellte dazu in den vergangenen Tagen Bedingungen – und die zielen auf die umstrittenen Aufsichtsratsmandate von Ernst. Voraussetzung einer unabhängigen Prüfung sei, dass es „eine klare Regelung zur Unvereinbarkeit der Tätigkeit als Mitglied der Prüfstelle mit Aufsichtsratsmandaten bei Unternehmen geben muss“, erklärte das Bundesjustizministerium. „Einrichtungen, die Aufsichtsratsmandate ihres Führungspersonals zulassen, werden nicht anerkannt.“ Wichtig sei, dass „schon der Anschein eines Interessenkonflikts vermieden wird.“
Der DPR-Chef sitzt in den Kontrollgremien des Immobilienkonzerns Vonovia sowie bei der Metro und dem Touristikkonzern Tui. Wegen seiner Mandate stand er schon länger in der Kritik, weil sich daraus möglicherweise Interessenskonflikte ergeben. Die DPR prüft jedes Jahr nach Stichproben die Korrektheit von Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen und schreitet bei begründetem Verdacht auch anlassbezogen sein.
Kritik an Metro-Aufsichtsratsmandat
Mit dem Rücktritt wolle Ernst „der DPR für den Fall der Anerkennung als Prüfstelle ab dem Jahr 2022 einen personellen Neuanfang ohne die um seine Person entstandene Diskussion zur Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten ermöglichen“, erklärte DPR-Vorstandsvorsitzender Rolf Pohlig. Der ehemalige RWE-Finanzchef leitet das Spitzengremium des DPR-Trägervereins.
Zugleich sicherte der Verein zu, dass ab dem Jahr 2022 weder das Präsidium noch Mitglieder der Prüfstelle Aufsichtsratsmandate wahrnehmen werden.
Die Finanzaufsicht Bafin hatte die DPR im Februar 2019 mit der Prüfung der Wirecard-Bilanz beauftragt. Bis zur Wirecard-Insolvenz im Juni 2020 lagen keine Ergebnisse vor. Ernst sah darin aber kein Versagen. Vor zwei Wochen sagte er dazu vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Die DPR habe ohne ermittlungstechnische Kompetenzen keine Chance gehabt, die Machenschaften bei Wirecard aufzudecken, sagte er dort.
Die aktuelle Kritik entzündete sich vor allem am Aufsichtsratsmandat des DPR-Chefs bei der Metro. Ernst trat diesen Posten 2017 an – ein Jahr nachdem das Bundesjustizministerium eine Verschärfung der DPR-Statuten durchgesetzt hatte. Seither ist festgelegt, dass der Chef der Prüfungsstelle gar keine weiteren Aufsichtsratsmandate mehr annehmen darf.
Ernst wird vorgeworfen, gegen diese Regel verstoßen zu haben. Die DPR hat dazu bei einer Berliner Kanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das Ernst zwar entlastete. Die grundsätzliche Forderung aus Berlin nach seinem Rücktritt aber blieb.
Dies muss auch im Lichte der von der Bundesregierung betriebenen Neuordnung der gesamten Bilanzkontrolle in Deutschland bewertet werden. Union und SPD sind bemüht, nach dem Wirecard-Skandal bei vielen Stellen personell reinen Tisch zu machen – soweit ihr Einfluss reicht. Zuletzt musste der Chef der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, seinen Hut nehmen. Davor traf es den Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, Ralf Bose.
Mit Material von Reuters
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