Einzigartige Bankfilialen – Postsparkasse Wien: Die große Leere im noblen Kassensaal
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Einzigartige Bankfilialen – Postsparkasse WienDie große Leere im noblen Kassensaal
Die Digitalisierung fordert ihren Tribut: Auch in Österreich dominieren Geldautomaten, immer mehr Zweigstellen schließen – wie die Zentrale der früheren Postsparkasse in Wien. Sie ist zum Symbol des Umbruchs geworden.
Der einstige Kassenraum für die betuchte Wiener Kundschaft ist längst ein Bankenmuseum.
(Foto: PR)
Wien Das Sparbuch der kaiserlich-königlichen Postsparkasse liegt in der Vitrine des kleinen Kassensaals. Das noch mit einem zweifarbigen Faden gebundene „Einlagebüchl“, wie es liebevoll im Österreichischen genannt wird, war einst einmal im Jahr in der Filiale vorzulegen, was auf der Vorderseite mit rotem Stempel vermerkt ist.
Das brachte die Kunden zu Zeiten von Kaiser Franz Joseph I. in die Bank. Heute hingegen herrscht im ehemaligen Saal für Effektengeschäfte gähnende Leere. Der einstige Kassenraum für die betuchte Wiener Kundschaft ist längst ein Bankenmuseum.
Architekt Otto Wagner baute mit der spektakulären Postsparkasse, 1912 endgültig fertiggestellt, einen für die damaligen Verhältnisse ultramodernen Palast für den boomenden Kundenverkehr des in jenen Tagen mächtigen Geldhauses. Noch heute führt ein roter Teppich auf den Marmorstufen zur Rezeption und in den dahinterliegenden Großen Kassensaal. Noch immer hat die Zentrale der P.S.K. (Postsparkasse) Bawag in dem achtstöckigen Jugendstilgebäude seinen Sitz.
Die P.S.K. Bawag im Überblick
Im Jahr 2007 stieg der US-Finanzinvestor Cerberus bei der Bawag P.S.K. ein. In Österreich betreibt das Geldhaus 480 Filialen und hat 2 600 Mitarbeiter. Im November 2015 wurde der Kassensaal in der historischen Postsparkasse geschlossen. Im Gebäude ist weiterhin die Zentrale der P.S.K. Bawag.
Die größte österreichische Bank steckt mitten in einem Umbau. 70 von noch 190 Filialen in Österreich sollen geschlossen werden. Auch die Personalkosten werden bis 2018 um 300 Millionen Euro gesenkt.
Doch ein Kundenberater ist im Großen Kassensaal nicht zu sehen. Im November verließ der letzte seinen Arbeitsplatz. Am Bankschalter ist ein Schild „Geschlossen“ aufgestellt. Neben den noch von Wagner designten Stehpulten zum Ausfüllen von Bankformularen findet sich nun ein hellgrauer Bankcomputer mit großem Bildschirm. An der Wand wird auf einem roten Band seine Funktion genannt: „Kontoservice“.
Ein Ausdruck des Umbruchs im Bankensektor
Die heutige Wiener Postsparkasse führt den Umbruch in Österreichs Bankenbranche vor Augen. Für das tägliche Brot-und-Butter-Geschäft hat der Computer die Rolle des einstigen „Bankbeamten“ übernommen. Angesichts der hohen Personalkosten in der Alpenrepublik wird die Digitalisierung im Kundengeschäft zur Überlebensfrage.
Die Bawag P.S.K. ist seit Mai 2007 im Besitz des amerikanischen Finanzinvestors Cerberus. Die Bank, die aus der Fusion der einstigen Gewerkschaftsbank und der Postsparkasse hervorging, hat eine harte Sanierung unter ihrem Vorstandschef Byron Haynes hinter sich. So hat sie die Töchter in der Slowakei, in Tschechien und schließlich in Slowenien verkauft. Jetzt wappnet sich das Haus mit 480 Filialen und 2 600 Mitarbeitern für die anstehende Konsolidierung auf dem österreichischen Bankenmarkt.
Imposante Fassade
Der Architekt Otto Wagner entwarf das Gebäude der Postsparkasse als einen für die damalige Zeit ultramodernen Palast.
(Foto: PR)
Haynes will aktiv dabei sein. Zuletzt bemühte sich die Cerberus-Tochter ohne Erfolg um den Kauf des Privat- und Firmenkundengeschäfts der Bank Austria, dem Marktführer in der Alpenrepublik. Doch deren Eigentümerin, die italienische Unicredit, entschied sich gegen eine Veräußerung. Nun soll die Bank Austria unter Führung ihres Chefs Willibald Cernko ihr defizitäres Kundengeschäft selbst gesundschrumpfen.
Die Probleme der Bank Austria im Heimatmarkt sind symptomatisch. Zu viele Filialen, zu viele Bankberater für viel zu wenige Kunden. Das Ergebnis: Im Retailbereich mit 1,6 Millionen Privat- und Firmenkunden schreibt die Unicredit-Tochter in den ersten drei Quartalen 2015 tiefrote Zahlen. Nun will die Bank mit einem Sanierungsplan das Blatt wenden. Die Restrukturierung fällt brutal aus. Während die deutsche Schwester, die Hypo-Vereinsbank, bereits den Filialabbau hinter sich hat, steht die Bank Austria vor einer schmerzlichen Rosskur. Jede dritte Filiale soll wegfallen. Bis zum Jahr 2018 sollen die Personal- und Sachkosten um 300 Millionen Euro reduziert werden.
Nicht nur die Bank Austria, sondern auch ihre Konkurrenten wie die Erste oder Raiffeisen ringen – wie auch deutsche Geldhäuser – mit den Minizinsen in der Euro-Zone, der zunehmenden Regulierung und der Digitalisierung des Geschäfts. Sie alle setzen auf den Ausbau der Onlineservices – und einen Abbau von Filialen. Beispielsweise hat die Erste Group in den vergangenen zehn Jahren bereits 30 Prozent ihrer Filialen geschlossen. Wie viele am Ende übrig bleiben werden, ist noch nicht ausgemacht.
Löchriges Filialnetz
„Der Strukturwandel im Bankensektor ist notwendig und auch bereits im Gang“, sagt Ewald Nowotny, Chef der Österreichischen Nationalbank. Nach seinen Worten steht jeder dritte Arbeitsplatz bei den österreichischen Banken in den nächsten Jahren zur Disposition. Das wären 25 000 Jobs. Derzeit sind es noch knapp 76 000 Arbeitsplätze. Notenbanker Nowotny empfiehlt die „notwendigen Strukturmaßnahmen zügig“ umzusetzen.
Die Veränderungen sind dramatisch und längst nicht abgeschlossen. Nur so viel ist klar: Das Netz an Bankfilialen wird sehr viel löchriger. „Alle großen Banken in Europa sollten sorgfältig ihr Geschäftsmodell prüfen. Es gibt noch viel Platz für eine weitere Konsolidierung im Finanzsektor“, sagte Bawag-Chef Haynes dem Handelsblatt bereits im Frühsommer.
Der kahlköpfige Brite residiert in den prächtigen Räumen der einstigen kaiserlich-königlichen Postsparkasse im ersten Stock. Das Bankmuseum im eigenen Haus ist für Haynes quasi eine tägliche Mahnung, wie schnell und radikal die Veränderungen im Finanzwesen ausfallen können.