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Emmerich Müller im Interview Chef des Bankhauses Metzler: „Die Besteuerung von Aktien ist absurd“

Emmerich Müller spricht im Interview über die geplante Finanztransaktionssteuer. Der Chef der Privatbank erläutert, wie man in Zeiten von Minuszinsen sein Geld anlegen sollte.
06.01.2020 - 11:06 Uhr 1 Kommentar
Metzler-Chef Müller: So legt man in Zeiten von Minuszins sein Geld an Quelle: Bert Bostelmann für Handelsblatt
Emmerich Müller

Den persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Metzler bringen nur wenige Themen aus der Ruhe.

(Foto: Bert Bostelmann für Handelsblatt)

346 Jahre sind seit der Gründung des Frankfurter Bankhauses Metzler vergangen. Das Traditionsinstitut hat Kriege, Wirtschaftskrisen und Marktzusammenbrüche überstanden. Dieses Geschichtsbewusstsein sorgt beim persönlich haftenden Gesellschafter Emmerich Müller für ein gesundes Maß an Gelassenheit. Aber auch für den erfahrenen Banker gibt es Reizthemen.

Die geplante Finanztransaktionssteuer gehört dazu. Für Müller ist das Vorhaben von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) „grober Unsinn“. „Noch schlimmer“ findet Müller die Argumentation, „dass damit die Grundrente finanziert werden soll. Wir brauchen ja gerade in Deutschland die private Vorsorge.“

Zu einer solchen Vorsorge gehören auch Immobilien. Von einer Blase an diesem Markt will der Metzler-Chef zwar noch nicht sprechen. Aber wenn Immobilien zum 50-Fachen der Jahreskaltmiete verkauft werden, dann hält er die Bewertung für entschieden zu hoch. „Dreht der Zins ins Positive, befürchte ich massive Korrekturen“, warnt Müller. Deshalb bleibt er dem langjährigen Metzler-Credo treu und empfiehlt eine höhere Aktienquote.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Müller, Metzler ist eine Privatbank mit über 300-jähriger Geschichte, die sich immer wieder neu erfinden musste. Wieso leisten Sie sich heute noch einen Aktienhandel? In diesem Geschäft konzentriert sich doch alles immer mehr auf die ganz großen Spieler. Selbst die Deutsche Bank verkleinert ihren Aktienhandel radikal.
Der Aktienhandel ist Teil unserer Identität. Wir sind ein Aktienhaus und glauben an den Kapitalmarkt zur Finanzierung der Industrie. Gewiss, das Geschäft ist sehr herausfordernd und wurde durch die neuen europäischen Aufsichtsregeln, die unter dem Stichwort Mifid II bekannt sind, zusätzlich belastet. Die Geschäftsmodelle werden sich massiv verändern.

Für Veränderungen will auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz sorgen, der die Finanztransaktionssteuer vorantreibt. Was hält das Bankhaus Metzler davon?
Das Gespenst der Finanztransaktionsteuer geht seit zehn Jahren um. Ursprünglich sollten die Spekulation eingedämmt und die Banken an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Dann wurden zunächst die Staatsanleihen ausgenommen, inzwischen auch Derivate und Hochfrequenzhändler. Es trifft eigentlich nur noch den Aktiensparer.

… was zu Unverständnis führt.
Es handelt sich bei den Plänen um groben Unsinn; und noch schlimmer ist die Argumentation, dass damit die Grundrente finanziert werden soll. Wir brauchen ja gerade in Deutschland die private Vorsorge.

Was bedeutet das für die in Deutschland ohnehin unterentwickelte Aktienkultur?
Wir machen uns seit Jahren für die breite Beteiligung der Deutschen am Produktivvermögen stark, was über Aktien gut und einfach machbar ist. Aus gutem Grund: Beim Blick auf die Vermögensstatistiken in Europa steht Deutschland im Vergleich trotz der Sparkultur nicht sonderlich gut da. Das hängt mit der geringen Immobilienquote zusammen, aber auch mit zu wenig Aktien in den privaten Wertpapierdepots.

Das heißt?
Von den rund 6,2 Billionen Euro an privatem Geldvermögen in Deutschland liegt weiterhin der Großteil auf dem Sparbuch, dem Girokonto, bei Lebensversicherungen und Bausparkassen und es wird wenig in Aktien investiert. Deswegen profitierten die Deutschen kaum vom langanhaltenden Wertzuwachs an den Börsen. Vermögensbildungsgesetze, die eigentlich das Aktiensparen in der Breite fördern sollten, greifen wegen ihrer Laufzeit viel zu kurz.

Spielen die Negativzinsen auch eine Rolle, mit denen die Anleger zurecht kommen müssen?
In der Tat. Gerade diese Entwicklung zeigt, wie unerlässlich es ist, endlich die breite Bevölkerung am Produktivvermögen zu beteiligen. Denn eine Inflation von über einem Prozent führt auf dem Sparbuch zu einem Realverlust. Der einfachste Weg, der schleichenden Enteignung zu entgehen, ist die Anlage in Aktien, Aktienfonds oder börsennotierten Indexfonds, sogenannten ETFs. Doch bei Aktien soll die neue Steuer greifen: Und genau da trifft sie den Falschen, den Kleinanleger.

Welche Reaktion ist von den institutionellen Investoren zu erwarten?
Die Großanleger werden in andere Länder ausweichen oder verstärkt über Derivate investieren. Ohnehin müssen internationale Investoren nicht deutsche oder europäische Aktien kaufen. In den vergangenen Jahren waren die europäischen Aktien im Verhältnis zu US-amerikanischen oder asiatischen bei internationalen Anlegern nicht besonders gefragt. Die Besteuerung ist absurd!

Hat die Finanzlobby das Thema Transaktionssteuer verschlafen?
Das Thema beschäftigt die Bankenverbände seit etwa einem Jahrzehnt. Aber es ist politisch dominiert. Nun soll mit einem europäischen Minimalkonsens gestartet werden. Es geht um Symbolik, um ein Vorzeigeprojekt …

Wenn die Politik schon diesen Schritt geht, müssten doch zumindest Hochfrequenzhändler und Derivategeschäfte in die Steuer eingebunden werden. Gleiches gilt für Staatsanleihen.
Der Staat zieht sich gerne aus der Affäre, wie sich gut an der Regulierung der Banken ablesen lässt. Finanzinstitute müssen die Investition in Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegen, obwohl die Gefahren groß sein könnten, wie das Beispiel Griechenland gezeigt hat. Für viele Finanzpolitiker in Europa zählt, dass dies die Refinanzierung verteuern würde und sonst nichts.

Wer kassiert die anfallenden Steuern, fließt hierzulande alles in den deutschen Staatssäckel?
Es müssen mindestens zehn Staaten bei der Transaktionssteuer zusammenarbeiten. Länder wie Slowenien und die Slowakei besitzen aber keine Firmen mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro. Erst ab dieser Schwelle greift die Steuer. Das heißt, die Staaten bauen eine Infrastruktur auf und wollen deshalb an den Einnahmen insgesamt beteiligt werden. Mal schauen, wie der Verteilungsschlüssel am Ende aussehen wird.

Bleiben wir beim Thema Steuern, die SPD diskutiert über eine Vermögensteuer. Was halten Sie davon?
Die Vermögensteuer sehe ich sehr kritisch. Unter der verfassungsrechtlichen Vorgabe der Gleichbehandlung würde sie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft hart treffen. Bei den Vermögenden im Lande handelt es sich überwiegend um Familienunternehmer, die den Standort Deutschland weiterentwickeln und erfolgreich machen. Bei der Erbschaftsteuer wurde deshalb zu Recht alles getan, damit die Substanz der Familienunternehmen nicht angegriffen wird. Mit der Vermögensteuer würde eben das in einem zweiten Schritt nachgeholt.

Welche Folgen befürchten Sie konkret?
Die Einführung würde Vermögensverlagerungen ins Ausland nach sich ziehen und langfristige Investitionen in Deutschland verhindern. Die damit einhergehenden Schäden wären größer als der Nutzen. Das sollten wir vermeiden.

Woher kommt das Umdenken der Politik bei den Vermögen?
Hier wirkt sich die Negativzinspolitik der Notenbanken aus. Auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten steigen insbesondere in Deutschland die Preise für Immobilien und mit deren Wertentwicklung auch die Mieten. Das ist ein gesellschaftliches Thema; nur müsste sich die Politik endlich mit den Ursachen dafür auseinandersetzen.

Also …
… mit der Niedrigzinspolitik und den bereits genannten Sparformen, in denen das Geld in Deutschland zu 80 Prozent steckt. Ein Umdenken ist dringend erforderlich. Höhere Renditen wurden zuletzt vor allem mit Aktien und Immobilien erzielt. Diese Anlagen muss der Staat fördern und nicht mit Steuern belegen.

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1 Kommentar zu "Emmerich Müller im Interview: Chef des Bankhauses Metzler: „Die Besteuerung von Aktien ist absurd“"

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  • Die Finanztransaktionssteuer ist dringend notwendig. Zunächst muss man fragen, warum man beim Kauf eines Einfamilienhauses Grunderwerbsteuer und beim Kauf von Nudeln oder Maschinen Umsatzsteuer bezahlt, aber wenn man ein Unternehmen(-santeil) kauft, ist das steuerfrei. Zudem sind Aktien ja schon lange keine Anlage in ein bestimmtes Unternehmen mehr, sondern vorrangig Spekulationsobjekte unter der Psychologie der Märkte. Erst wenn Aktien wegen Transaktionskosten nur noch langfristig und wohl überlegt gekauft werden, werden sie auch wieder eine langfristige Anlage in Unternehmen, von Anlegern, die sich vorher mit dem Unternehmen und der Branche beschäftigt haben.

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