Euribor-Prozess beginnt Deutsche Bank leidet unter den Nachwehen der Vergangenheit

Vor britischen Gerichten ist die Perücke Pflicht.
London Die Deutsche Bank durchlebt schwere Tage: Das erste Quartal lief schlechter als erwartet, der Aktienkurs ist auf einer Berg- und Talfahrt, noch dazu wird über die Ablösung von Vorstandschef John Cryan spekuliert. Als sei das noch nicht genug, rückt in der kommenden Woche eine unangenehme Altlast in den Blick. Am Montag beginnt vor dem Southwark Crown Court in London der Strafprozess gegen ehemalige Händler, die den Referenzzinssatz der Euro-Zone (Euribor) manipuliert haben sollen.
Angeklagt sind vier ehemalige Mitarbeiter der britischen Großbank Barclays und ein amtierender Managing Director der Deutschen Bank, der inzwischen jedoch in einer anderen Abteilung arbeitet. Ein sechster Angeklagter, Christian Bittar, früher Starhändler der Deutschen Bank, hatte sich bereits vor Prozessbeginn schuldig bekannt und wartet nun im Gefängnis auf sein Strafmaß. Das wird erst festgelegt, wenn der Prozess gegen die fünf Mitangeklagten beendet ist. Die Deutsche Bank will sich zum Prozess nicht äußern.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, den Euribor zum Vorteil ihrer Arbeitgeber manipuliert zu haben. Die Anklage lautet auf „Verschwörung zum Betrug“. Die Absprachen sollen laut Anklage von 2005 bis 2009 gelaufen sein. Der Euribor ist das europäische Pendant zur London Interbank Rate, kurz Libor. Weltweit sind Finanzprodukte im Wert von 350 Billionen Dollar an diesen Referenzzinssatz gekoppelt.
Der Libor wird – wie auch der Euribor – an jedem Arbeitstag neu festgelegt, früher unter Führung des britischen Bankenverbands. Nach dem 2011 aufgedeckten Skandal um ein Kartell von Händlern, das den Londoner Interbankenzins zu ihren Gunsten manipuliert hatte, übernahm 2014 der US-Börsenbetreiber ICE die Verwaltung. Bis 2021 soll der Libor durch einen alternativen Zins ersetzt werden (siehe „Ersatz für den Libor“).
Britische Behörden zeigen Härte
Zu den Nachwehen des Libor-Skandals gehört auch der am Montag in London beginnende Prozess. Mehrere Großbanken, darunter UBS, Barclays und die Deutsche Bank, haben in den vergangenen Jahren Strafen in Milliardenhöhe gezahlt, etliche Händler wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Den Anfang machte 2015 der frühere Citigroup- und UBS-Händler Tom Hayes. Der Brite wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, die Strafe wurde später auf elf Jahre reduziert. Hayes galt als Kopf eines Netzwerks in zehn Banken, das den Libor, Euribor und andere Referenzzinssätze manipulierte. Im Sommer 2016 wurden dann vier Barclays-Händler zu Haftstrafen zwischen knapp drei und sechseinhalb Jahren verurteilt.
Die britische Behörde für den Kampf gegen schwere Wirtschaftsverbrechen (SFO) hat es sich zum Ziel gesetzt, Betrug im Finanzsektor härter zu bestrafen. In dem am Montag startenden Prozess waren ursprünglich sogar elf Banker angeklagt. Vier ehemalige Händler der Deutschen Bank blieben jedoch in Deutschland und wehrten sich erfolgreich gegen ihre Auslieferung. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht kamen im Februar zum Schluss, dass die Taten verjährt seien und die Banker deshalb nicht ausgeliefert werden müssten.
Gegen die vier besteht weiterhin ein Europäischer Haftbefehl der britischen Behörden. Sie riskieren also eine Festnahme, wenn sie ins europäische Ausland reisen. Das Gleiche gilt für einen Händler der französischen Großbank Société Générale.
Die zentrale Figur in diesem Prozess ist Ex-Deutschbanker Christian Bittar. Auch wenn er nun nicht vor Gericht erscheinen wird, spielt er als führender Akteur in der angeblichen Verschwörung doch eine wichtige Rolle. Öffentlich bekannt ist er vor allem deshalb, weil er 2009 mit 80 Millionen Euro den höchsten Bonus in der Geschichte der Deutschen Bank erhalten hat.
Warum er Anfang März dieses Jahres seine Meinung änderte und auf „schuldig“ plädierte, ist nicht bekannt. Durch sein Schuldeingeständnis qualifiziert er sich jedenfalls für eine deutliche Senkung einer möglichen Haftstrafe.
Der Libor-Skandal hat die Deutsche Bank bislang Geldstrafen in Höhe von rund vier Milliarden Dollar in den USA, Großbritannien und der EU gekostet. In dem Vergleich in den USA hatte die Bank 2015 eingeräumt, die Referenzzinssätze Libor, Euribor und Tibor – das japanische Gegenstück zum Referenzzins auf Pfund oder Euro – manipuliert zu haben. Etliche Mitarbeiter waren an den Aktivitäten beteiligt.
Die Frankfurter würden wohl gern nach vorn blicken, doch der Skandal dürfte sie noch eine Weile beschäftigen. Der Strafprozess in London soll bis zum Sommer laufen und wird das Thema in den Schlagzeilen halten. Laut dem Geschäftsbericht der Deutschen Bank sind auch noch 44 Zivilklagen anhängig, 43 in den USA, eine in Großbritannien. In fünf der US-Klagen haben die Kläger bereits konkrete Entschädigungssummen gefordert: Sie allein summieren sich auf 1,25 Milliarden Dollar.Yasmin Osman
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