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Fall Hypo Real Estate Das Versagen der Justiz

Der Fall der Hypo Real Estate zeigt, dass Wirtschaftsstrafsachen nur schneckenhaft aufgearbeitet werden. Das darf in einem Rechtsstaat nicht sein. Eine Analyse.
04.01.2017 - 15:30 Uhr Kommentieren
Die HRE steht exemplarisch für eine Reihe von Versuchen der Staatsanwaltschaften, die Verfehlungen von Bankmanagern in der Finanzkrise strafrechtlich zu bewerten. Quelle: APN
Hypo Real Estate

Die HRE steht exemplarisch für eine Reihe von Versuchen der Staatsanwaltschaften, die Verfehlungen von Bankmanagern in der Finanzkrise strafrechtlich zu bewerten.

(Foto: APN)

Der Fall begann im Dezember 2008. Rund 80 Ermittler durchsuchten die Geschäftsräume der Hypo Real Estate (HRE) in München und die Privaträume ehemaliger Vorstände und Aufsichtsräte. Die Staatsanwälte hegten den Verdacht, dass Manager Aktienkurse manipuliert, Firmenberichte geschönt und Unternehmensvermögen veruntreut hatten. Vieles sprach aus ihrer Sicht dafür, dass die ehemalige Führungsriege auch strafrechtlich Schuld auf sich geladen hatte.

Mehr als acht Jahre sind seither vergangen. Erst jetzt steht fest, dass dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Georg Funke und dem damaligen Finanzvorstand Markus Fell ab März 2017 der Prozess gemacht wird. Sechs weitere Angeschuldigte konnten dagegen eine Hauptverhandlung gegen sie abwenden. Sie kommen mit der Zahlung von Geldauflagen zwischen 30.000 und 80 .000 Euro davon.

Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München hat bis September 18 Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist damit frühestens zum Jahresende zu rechnen. Danach können die Staatsanwälte und die Angeklagten Funke und Fell die Entscheidung anfechten. Am Ende dürfte die strafrechtliche Aufarbeitung des HRE-Skandals mehr als eine Dekade dauern. Es ist eine Zeitspanne, die das Funktionieren des Rechtsstaats in Wirtschaftsstrafsachen infrage stellt.

Der Fall HRE ist keine Ausnahme, auch wenn eine pannenreiche Sonderprüfung für zusätzliche Verzögerungen sorgte. Trotz der Besonderheiten steht die HRE exemplarisch für eine Reihe von Versuchen der Staatsanwaltschaften, die Verfehlungen von Bankmanagern in der Finanzkrise strafrechtlich zu bewerten. Vor allem Landesbanker etwa der HSH Nordbank, der BayernLB, der SachsenLB oder der baden-württembergischen LBBW mussten sich wegen riskanter und verlustreicher Finanzgeschäfte verantworten. In allen Fällen nahmen die Verfahren viele Jahre in Anspruch.

Mancherorts sind sie noch nicht einmal abgeschlossen. So gab der Bundesgerichtshof kürzlich der Revision der Staatsanwaltschaft in Sachen HSH Nordbank statt. Konsequenz: Die Freisprüche des Landgerichts sind nichts mehr wert. Das Verfahren gegen den Ex-HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher und fünf seiner früheren Vorstandskollegen muss neu aufgerollt werden. Knapp zehn Jahre nach den Hochrisikogeschäften der Landesbank steht noch immer nicht fest, ob die Ex-Vorstände des Instituts eine strafrechtliche Schuld trifft. Prozessbeteiligte gehen davon aus, dass der Fall sich weitere drei bis vier Jahre hinziehen wird.

Zweifellos sind die Bankverfahren sehr komplex und erfordern viel Zeit. Dennoch ist die schneckenhafte Aufarbeitung solcher gravierender Tatbestände eines Rechtsstaats unwürdig. Der Staat musste die HRE mit dreistelligen Milliardengarantien retten, um ein Haar hätte die Bank sogar das Finanzsystem zum Absturz gebracht. Letztlich mussten die Steuerzahler für das Desaster geradestehen. Ihnen ist kaum zu vermitteln, dass die Schuld erst etliche Jahre später geklärt wird. Auch das ist ein Grund dafür, dass viele Bürger den Eindruck haben, dass der Staat Wirtschaftskriminelle im Gegensatz zu Kleinkriminellen nicht konsequent genug verfolgt.

Hinzu kommt: Auch die Manager selbst haben ein Anrecht darauf, dass die Justiz sorgfältig, aber auch zügig arbeitet. Denn ganz unabhängig davon, ob sie letztlich schuldig sind oder nicht, ist allein ein Ermittlungsverfahren eine große Belastung – sowohl privat als auch beruflich. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Verfahren eingestellt oder Angeklagte schließlich freigesprochen werden. Doch je länger ein Verfahren dauert, desto schwerer wiegen die Kollateralschäden.

Beschuldigte haben ein verbrieftes Recht darauf, dass die Ermittlungen zügig vorangetrieben werden. Das verlangen im Übrigen sowohl das Grundgesetz als auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Überlange Ermittlungs- und Strafverfahren können dazu führen, dass Haftstrafen verkürzt oder erlassen werden müssen. In einigen Fällen haben Gerichte den Staat sogar zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet. Doch so weit sollte es die Justiz nicht kommen lassen. Bei aller Komplexität muss es möglich sein, auch Wirtschaftsstraftätern den Prozess zu machen und gegen sie eine gerechte Strafe zu verhängen.

Die Versäumnisse sind in aller Regel übrigens nicht den Ermittlungsbeamten und Richtern selbst anzulasten. Sie baden nur die Fehler der Politik aus. Die Länder müssen endlich dafür sorgen, dass es mehr auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Staatsanwälte und Richter gibt. Und der Gesetzgeber sollte das Prozessrecht vereinfachen.

Der Staat muss sicherstellen, dass Ermittlungs- und Strafverfahren deutlich schneller abgewickelt werden, als es derzeit der Fall ist. Die Finanzkrise ist zwar weitgehend ausgestanden. Doch große Wirtschaftskriminalfälle wird es auch in Zukunft geben.

  • vov
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