Faule Kredite Größte Kreditausfälle drohen den Banken in den Jahren 2022 und 2023

Wirtschaftspolitische Stützungsmaßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Corona-Pandemie bislang nur zum Teil in den Bankbilanzen bemerkbar macht.
Frankfurt Die Folgen der Coronakrise drohen die deutschen Banken über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu belasten. So rechnen Risikomanager etlicher Kreditinstitute damit, dass sich die Corona-Pandemie erst nach und nach durch die Bankbilanzen frisst. Drei Viertel der Risikoexperten gehen davon aus, dass die Auswirkungen ihren Höhepunkt in den Jahren 2022, 2023 und 2024 finden.
Das ergibt eine Umfrage der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS), deren Mitglieder beispielsweise notleidende Kredite am Sekundärmarkt erwerben oder entsprechende Dienstleister sind. Geantwortet haben 62 Risikomanager und Experten für das Management notleidender Kredite in deutschen Geldhäusern.
Konkret erwarten 53 Prozent der Befragten, dass der Höhepunkt der Auswirkungen in den Bankbilanzen 2022 sichtbar wird. 21 Prozent nennen das Jahr 2023 und drei Prozent sogar 2024. Bisher sind die deutschen Institute vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen – sie verzeichnen kaum Kreditausfälle infolge der Pandemie.
Die Lage der Geldhäuser dürfte laut der BKS-Erhebung aber zusehends schwieriger werden. BKS-Präsident Jürgen Sonder verweist darauf, dass nur die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen die Banken bislang vor einer Welle notleidender Kredite verschont hätten.
So ist die Insolvenzantragspflicht nach wie vor teils ausgesetzt, viele Unternehmen erhalten Kurzarbeitergeld, zudem sind Milliarden an Hilfsgeldern sowie Kredite der Staatsbank KfW geflossen. Zahlreiche Unternehmen würden ohne diese Hilfen wahrscheinlich nicht mehr bestehen.
Zweitrundeneffekte befürchtet
Dieser Umstand erschwert es den Banken allerdings auch, die Folgen der Coronakrise abzuschätzen. Als notleidend oder faul gelten Darlehen, deren Rückzahlung mehr als 90 Tage in Verzug ist. Sie werden auch Non Performing Loans (NPL) genannt.
Der anhaltende Lockdown erhöht die Sorgen vieler Marktakteure. „Die aktuelle Corona-Entwicklung verschärft die Gesamtsituation“, meint BKS-Präsident Sonder. „Auch wenn der Staat weiterhin unterstützend eingreift, werden die nächsten Jahre Teile der Wirtschaft und die Banken signifikant belasten.“ Er warnt vor einem Dominoeffekt: dass mehr insolvente Firmen andere Unternehmen mit nach unten reißen. „Die Kreditvergabe könnte massiv eingeschränkt werden“, sagt Sonder.
Die Europäische Zentralbank (EZB) erklärte erst vor wenigen Tagen, die Geldinstitute im Euro-Raum sollten sich auf einen Anstieg fauler Kredite einstellen. Die Banken müssten sich proaktiv mit dem Management von Kunden in Schwierigkeiten beschäftigen und ihre Bilanzen rasch aufräumen, so die Notenbank.
Auch andere Beobachter erwarten, dass sich das wahre Ausmaß der Kreditausfälle im nächsten und übernächsten Jahr offenbart. Philipp Beckmann, Bankenexperte bei Creditreform Rating, nennt ebenfalls die Jahre 2022 und 2023. Auch er warnt vor deutlichen Zweitrundeneffekten, „weil viele Unternehmen erst durch die Insolvenz anderer Firmen getroffen werden“. Der Experte geht davon aus, dass auch viele Verbraucher ihr Konsumverhalten anpassen.
Die deutschen Geldhäuser haben die Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle im vergangenen Jahr zwar teils drastisch nach oben gefahren und wollen sie vielfach in diesem Jahr ausweiten – in der Annahme, dass künftig deutlich mehr Kredite ausfallen. Zu Beginn der Pandemie waren die Befürchtungen aber weitaus größer gewesen.
NPL-Volumen hat sich kaum verändert
Das spiegelt sich auch im NPL-Barometer der BKS wider. Vor knapp einem Jahr rechneten die Befragten im Schnitt noch damit, dass die Bestände an faulen Krediten 2020 um 50 Prozent auf rund 45 Milliarden Euro und 2021 auf fast 60 Milliarden Euro steigen.
Tatsächlich haben sie sich kaum verändert. Der Europäischen Bankenaufsicht Eba zufolge betrug das Volumen notleidender Kredite bei deutschen Geldhäusern per Ende September 33 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr erwarten die befragten Experten nun ein Volumen von knapp 41 Milliarden Euro an faulen Krediten. 2022 könnte der Bestand demnach auf nahezu 47 Milliarden Euro steigen.
Die Kreditinstitute sehen Gastronomie, Einzelhandel und Tourismusbranche als besonders gefährdet an. „Hier sind Ausfälle in größerer Höhe fast unvermeidlich“, so Sonder.
Bei Darlehen an kleine und mittlere Unternehmen prognostizieren die Befragten den Anteil fauler Kredite für 2021 auf 3,3 Prozent und für 2022 auf 3,8 Prozent. 2020 lag dieser laut BKS bei 2,5 Prozent. Bei Immobilienkrediten, vor allem bei privaten Wohnungsfinanzierungen, rechnen die Experten mit niedrigeren Quoten.
Mehr: Aufsicht ruft Banken auf, sich auf zunehmende Problemkredite vorzubereiten.
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