Filialsterben in Deutschland Es war einmal eine Bankfiliale ...

Die Geldhäuser reduzieren ihre Geschäftsstellen.
Frankfurt Manchmal lohnt ein Blick zurück, auch wenn er ein wenig verklärt erscheinen mag. Wie nett war es doch damals in den guten alten Bankfilialen. Geld gab es am Schalter, von freundlichen, honorigen Herrschaften, denen die Scheine beim Zählen nur so durch die Finger flogen. Mit dem Direktor konnte man noch mal über die Konditionen für Finanzierung oder Zinskonten reden. Früher hatten die Führungskräfte noch Verhandlungsspielraum und weniger strikte Vorgaben aus der Zentrale. Und einmal im Jahr, immer in der letzten Oktoberwoche, da tobten die Kinder herein und brachten zum Weltspartag ihre Sparschweine mit.
Was waren das noch für Zeiten! Heutzutage wird die gute alte Bankfiliale beinahe zu einem Auslaufmodell. Im vergangenen Jahr gab es laut Bundesbank-Statistik noch rund 34.000 Filialen in Deutschland, zehntausend weniger als zehn Jahre zuvor. In der nächsten Dekade soll sich der Abwärtstrend verschärfen: nach einer Prognose der Unternehmensberatung Investors Marketing wird es bis zum Jahre 2025 nur noch 20.000 Filialen geben.
Die Banken müssen sparen, weil sie mit Zinserträgen auf Basis von Kundeneinlagen am Kapitalmarkt kaum noch Geld verdienen. Und die Kosten vor Ort steigen. „Banken und Sparkassen müssen in den nächsten fünf Jahren ihre Kosten aus heutiger Sicht um 20 Prozent senken, gleichzeitig steigen die Kosten aber jedes Jahr um vier Prozent“, sagt Oliver Mihm, Vorstand bei der Unternehmensberatung Investors Marketing. „Das heißt im Klartext: Auf einen Zeitraum von fünf Jahren müssen die Kosten sogar um gut ein Drittel sinken“. Die verbliebenden Erträge aus Provisionserlösen und dem Zinsgeschäft würden vielerorts längst nicht mehr reichen, damit sich das stationäre Geschäft langfristig rechnet.
Trend: weniger Filialen
Viele klassische Aufgaben, die Bankfilialen früher einmal hatten, lassen sich heute auch über Internet oder Telefon erledigen. Die Bankvorstände wissen: Bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen die meisten Filialmitarbeiter mit grundsätzlichen Nachfragen von Kunden, Geldtransaktionen, und ähnlichen Services, die sich via Callcenter, Internetformular oder E-Mail günstiger erledigen ließen. Persönliche Beratungsgespräche – ein echtes Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Direktanbietern – machen oft nur einen kleinen Teil der eigentlichen Arbeitszeit aus. „Banken werden klassische Servicefunktionen zunehmend auf die neuen Medien übertragen und sich mehr auf die Beratung fokussieren“, sagt Mihm.
Wie sehen aber die Kunden ihre neue Bankenwelt und sind sie wirklich bereit, Filialbanken ohne Filialen die Treue zu halten? Eine Umfrage von Investors Marketing unter rund 2000 Bankkunden, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, zeigt, was die Kunden wirklich möchten. Ein Vergleich der FMH Finanzberatung zeigt, welches Sparpotenzial bei Girokonten, Ratenkrediten und Tagesgeldern Direktbanken bieten.
Nach der Studie von Investors Marketing gehören 18 Prozent der Kunden zu den „Preisentscheidern“, die rein rational bei der Wahl ihrer Bank vorgehen. Sie suchen sich die besten Konditionen aus und wählen danach die Bank. Diese Zielgruppe fühlt sich vor allem bei den Direktbanken wohl. 52 Prozent der ING-Diba-Kunden und 68 Prozent der Comdirect-Kunden zählen dazu. Klassische Filialbanken meiden Preisentscheider, bei Sparkasse, Volks- und Raiffeisenbanken beträgt der Anteil nur 13 Prozent – und das nicht ohne Grund.
Verbraucherschützer wie Niels Nauhauser sehen den Trend hin zu weniger Filialen entspannt. „Generell sind alle Services auch online gut möglich“, sagt der Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Und das ist positiv zu sehen, denn von schlankeren Kostenstrukturen profitieren ja auch die Kunden.“
Im Vergleich der FMH Finanzberatung für Tagesgelder bieten vier Direktanbieter noch einen Zins von mindestens ein Prozent – zumindest für Neukunden. Bei den klassischen Filialanbietern steht stattdessen regelmäßig eine Null vor dem Komma – und meistens auch danach. „Grundsätzlich gilt natürlich, dass Direktanbieter günstiger sind als Institute mit großen Filialnetzen“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung. „Es kann sich aber auch lohnen, die Online-Konditionen der Filialbanken zu prüfen.“
Deutsche sind bei Bankgeschäften konservativ
Nicht immer ist die Grenze zwischen günstiger Direktbank und teurer Filialbank aber klar gezogen. Bei Ratenkrediten führt etwa die regionale PSD Bank Nürnberg den Zinsvergleich an. PSD-Banken betreiben nur eine Handvoll Filialen und gelten als Preisbrecher unter den Genossenschaftsinstituten. Die PSD Nürnberg offeriert Kredite bei einer Laufzeit von 36 Monaten in der Filiale für 3,03 Prozent. Im Internet gibt es einen Abschlag von zehn Basispunkten. Zum Vergleich: Der günstigste bundesweite Direktanbieter, die DKB Bank verlangt 3,69 Prozent.
Die Pfennigfuchser sind aber in der Minderheit. Knapp die Hälfte der Kunden ist laut Investors-Marketing-Studie preissensibel. Sie erwägen, wann der Aufwand für einen Wechsel lohnt. Nur jeder Vierte dieser Kundengruppe nutzt reines Onlinebanking, nur jeder Sechste ausschließlich die Filiale. „Diese Zielgruppe erwägt bei Girokonten einen Wechsel, wenn die monatliche Kontoführungsgebühr über zehn Euro steigt“, sagt Mihm.
Das ist ein Problem für viele Filialbanken, da ihr Kostenaufwand im Schnitt zwischen fünf und sieben Euro liegt. Die Deutsche Bank verlangt beim Standardkonto 4,99 Euro im Monat plus 1,50 Euro pro Überweisung in der Filiale, die Hypo-Vereinsbank pauschal 7,90 Euro. Die Margen aus dem Provisionsgeschäft reichen kaum, damit sich gebührenfreie Konten, wie sie etwa die Commerzbank oder Postbank anbieten für sich allein rechnen. „In den Hochzinszeiten amortisierte sich die Neuauflage eines Gratiskontos für die Bank nach drei Jahren“, sagt Mihm. „Heute dürfte es bis zu acht Jahren dauern.“
Ob mit oder ohne solche Lockvogelangebote — die Deutschen sind bei ihren Bankgeschäften konservativ. Der Anteil reiner Filialkunden sank seit dem Jahr 2010 nur um vier Prozentpunkte auf 22 Prozent. Vor allem bei Sparkassen (Anteil: 26 Prozent) und den Volks- und Raiffeisenbanken (27 Prozent) sind sie zu finden. Filialschließungen betreffen solche Kunden hart. Im Schnitt wechselt jeder zehnte Kunde seine Bank, wenn die Filiale in der Nähe schließt. Bei den Sparda-Banken liegt die Quote bei knapp 19 Prozent, bei der Deutschen Bank bei 14 Prozent.
Mehr Fokus auf Beratung
Um die Kunden bei der Stange zu halten, werden manche Institute kreativ. Wenn kein Geldautomat erreichbar sei, könne das Geld direkt zu den Kunden gebracht werden, erklärte etwa der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Netzer. „Dieses Angebot wird bislang aber nur von wenigen Kunden genutzt.“ Auch Bustickets für die Fahrt zur nächsten Filiale oder mobile Geschäftsstellen hätten einige Sparkassen schon jetzt im Angebot.
Unternehmensberater Mihm empfiehlt stattdessen einen stärkeren Fokus auf die Beratung sowie eine „Emotionalisierung“ der inaktiven Kunden. „Über 85 Prozent aller Kunden bevorzugen für persönliche Beratung die Filiale, aber gleichzeitig sind auch über 40 Prozent der Kunden inaktiv und haben mit ihrer Bank schon lange kein Geschäft mehr gemacht“, sagt Mihm. „Diese gilt es erst emotional zurückzugewinnen, um überhaupt was verkaufen zu können.“
Verbraucherschützer bleiben beim Geschäft vor Ort skeptisch. „Beratung in Filialbanken? Schön wär‘s“, bemerkt Nauhauser. Vor Ort dominiere nach wie vor der provisionsgesteuerte Verkauf. „Und weil die Menschen das zunehmend merken, werden die Zeiten für die Banken gewiss nicht einfacher werden.“
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