Finanzaufsicht Brisanter Brief: Wie abhängig ist der neue Bafin-Chef vom Finanzministerium?

Der neue Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin hat einen offenen Brief an EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zur Umsetzung strengerer Kapitalregeln nicht unterschrieben.
Frankfurt Der neue Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin findet harte Kapitalvorgaben für Großbanken wichtig. Dicke Kapitalpuffer seien von großer Bedeutung, weil Finanzinstitute damit hohe Belastungen durch Einzelfälle wie den zusammengebrochenen Hedgefonds Archegos verkraften könnten, sagte Mark Branson im April. „Über internationale Standards hinauszugehen wie in der Schweiz hat sehr großen Mehrwert – genau in diesen unvorhersehbaren Fällen.“
Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass Branson einen offenen Brief an EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness nicht unterschrieben hat, in dem 25 Chefs von europäischen Notenbanken und Aufsichtsbehörden eine vollständige und zeitnahe Umsetzung der strengeren Basel-III-Kapitalregeln fordern. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat das Schreiben vom 7. September, über das zuerst die „Börsen-Zeitung“ berichtet hatte, ebenfalls unterzeichnet.
Branson habe den Brief nach Rücksprache mit dem Finanzministerium nicht unterschrieben, obwohl er die Forderungen seiner Kollegen grundsätzlich unterstütze, heißt es in Finanzkreisen. Eine Rolle habe dabei auch gespielt, dass sein Vorgänger Felix Hufeld mit dem Ministerium eine entsprechende Linie vereinbart habe. Diese Verabredung habe Branson nicht nachträglich infrage stellen wollen, da dies aus seiner Sicht schlechter Stil gewesen wäre.
Experten und Politiker sehen in dem Vorgang einen weiteren Beleg dafür, dass die Bafin zu abhängig vom Finanzministerium ist, das für die Rechts- und Fachaufsicht über die Behörde zuständig ist.
„Mark Branson ist mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Er muss sich jetzt freischwimmen“, forderte FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. „Wenn er wie sein Vorgänger am Haken des Finanzministeriums hängt, wäre das ein schlechter Start.“ Schon im Wirecard-Skandal habe sich gezeigt, dass eine zu große Abhängigkeit der Bafin vom Finanzministerium schädlich sei.
Branson bekommt Jahresgehalt von 474.000 Euro
Die Bafin war wegen ihres Umgangs mit dem inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard stark in die Kritik geraten. Präsident Hufeld trat Ende März vorzeitig ab. Sein Nachfolger Branson war zuvor Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma und steht seit August an der Spitze der Bafin.
Bei der deutschen Finanzaufsicht bekommt Branson, der die britische und die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt, Finanzkreisen zufolge ein Jahresgehalt von 474.000 Euro. Darüber hatte die „Bild“-Zeitung zuerst berichtet. Im Vergleich zu seinem vorherigen Job bei der Finma, wo er 552.000 Schweizer Franken (rund 508.000 Euro) verdiente, verschlechtert er sich damit geringfügig.
Die Bafin und das Finanzministerium wollten sich zu Bransons Gehalt nicht äußern, bekannten sich aber zu den Basel-III-Kapitalregeln, wie diese vor vier Jahren beschlossenen wurden. „Insbesondere soll die Regelung zum sogenannten Output-Floor wie vereinbart umgesetzt werden“, betonte die Bafin. Diese begrenzt die Möglichkeiten der Banken, ihre Risiken und damit letztlich ihren Kapitalbedarf durch den Einsatz interner Modelle herunterzurechnen.
„Dieses letzte Paket der globalen Antwort auf die letzte Finanzkrise ist austariert und risikogerecht“, erklärte die Bafin. „Jetzt, 13 Jahre nach der Krise, ist eine global konsistente Umsetzung längst überfällig.“
Auf das Regelwerk hatte sich der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, in dem die wichtigsten Finanzaufseher der Welt vertreten sind, Ende 2017 nach jahrelangen Diskussionen verständigt. Die EU-Kommission wird vermutlich Ende Oktober einen Vorschlag präsentieren, wie die Regeln in Europa umgesetzt werden sollen.
Deutschland hat dazu zusammen mit Frankreich, Luxemburg und Dänemark Vorschläge gemacht, die nach Ansicht mancher Bankenaufseher und Politiker aber nicht streng genug sind. Aufmerksam registriert wurde in der Branche deshalb, dass Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau den offenen Brief an die EU-Kommission wie Branson nicht unterschrieben hat.
Das Berliner Finanzministerium erklärte, es setze sich für „eine vollständige und fristgerechte Umsetzung der Basel III-Standards auf europäischer Ebene ein“. Man habe jedoch wie von den G20-Finanzminister kommuniziert die Erwartung, dass die Kapitalanforderungen für die Banken insgesamt nicht signifikant steigen.
„Daran halten wir fest“, erklärte das von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geführte Ministerium. „Wichtig für uns sind die Sicherstellung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft und eine proportionale Regulierung für kleine, nicht international tätige Banken.“
Mehr: Bundesbank widerspricht Bankenlobby im Streit über strengere Kapitalregeln.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Herr Scholz laviert halt gern im Ungefähren mit den bekannten Ergebnissen: Wirecard, Cum-Ex, Geldwäscheparadies Deutschland...Wenn an Banken die gleichen Eigenkapitalanforderungen gestellt würden, die Mittelständler bei der Kreditvergabe zu erfüllen haben, bräuchte man dieses monströse Regelwerk zur Regulierung der Banken vermutlich nicht einmal ansatzweise. Aber hier gilt wie im Steuerrecht "Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht".