Finanzaufsicht Linke legen Zehn-Punkte-Plan als Folge des Wirecard-Falls vor: Bafin soll BMW und Siemens überwachen

Er zählt zu den aktivsten Abgeordneten bei der Aufarbeitung des Betrugsskandals beim insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard.
Frankfurt Der Linken-Politiker Fabio De Masi zählt bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals zu den aktivsten Abgeordneten. Sein Engagement hat auch dazu beigetragen, dass die Betrugsaffäre und die Versäumnisse der Aufsichtsbehörden demnächst in einem Untersuchungsausschuss intensiv beleuchtet werden.
Mit seinen Parteikollegen hat De Masi nun bereits vorab einen Zehn-Punkte-Plan zur Reform der Finanzaufsicht erarbeitet. Das Positionspapier, das dem Handelsblatt vorliegt, wurde am Freitag von der Linksfraktion verabschiedet.
„Der Fall Wirecard hat einmal mehr gezeigt, dass der schlanke Staat bei der Finanzaufsicht ein nackter Staat ist und die Integrität des Finanzmarktes untergräbt“, heißt es in dem Papier. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) müsse deshalb aufgerüstet werden und ihre Aufsichtskultur radikal ändern.
Unter anderem fordern die Linken, dass Konzerne wie Siemens und BMW, die auch Finanzsparten betreiben, künftig als Ganzes von der Bafin beaufsichtigt werden. „Denn im Fall von Wirecard war genau das das Problem: Die Bafin hat sich nur für die Tochtergesellschaft Wirecard Bank zuständig gesehen, nicht aber für den gesamte Konzern Wirecard AG“, argumentieren die Linken.
Darüber hinaus fordert die Partei, dass die Finanz- und Geldwäscheaufsicht künftig aus einer Hand erfolgt. Bei Wirecard hatte sich dafür zunächst die Bezirksregierung Niederbayern für zuständig erklärt. Am Tag der Wirecard-Insolvenz teilte das bayerische Innenministerium der Bafin dann jedoch mit, es sehe die Bezirksregierung nicht als zuständig an.
Für die Linken ist klar, dass die Geldwäscheaufsicht zentral gebündelt werden sollte. „So wie der Regierungsbezirk Niederbayern für die Geldwäscheaufsicht über einen Weltkonzern ungeeignet ist, wäre der Bezirk St. Pauli für die Kontrolle des Datenschutzes bei Facebook ungeeignet.“
Die Reformvorschläge der Linken im Überblick:
1. Aufsicht an digitale Geschäftsmodelle anpassen
Statt einer Trennung zwischen Zahlungsdiensten und technischen Diensten solle das Mandat der Bafin auf alle Konzerne erweitert werden, die zur Erbringung von Zahlungsdiensten beitragen, fordern die Linken. „Im digitalen Zeitalter, in dem 'Big Techs' wie Apple, Google, Facebook, Ant Financial oder Amazon zunehmend unsere Finanzdaten abschöpfen und Zahlungsdienste anbieten, müssen alle finanznahen Geschäfte und Technologien zur Zahlungsabwicklung von der Bafin beziehungsweise der europäischen Finanzaufsicht beaufsichtigt werden.“
2. Schnelle Eingreiftruppe in der Bilanzkontrolle
Die Finanzaufsicht soll bei der Bilanzkontrolle direkte Durchgriffsrechte erhalten. Zudem brauche es eine schnelle Eingreiftruppe, schreiben die Linken. Statt Prüfaufträge an externe Stellen zu vergeben, müsse die Bafin entweder selbst Experten einstellen oder es müsse eine entsprechende Prüfbehörde des Bundes geschaffen werden. „Als Vorbild bietet sich hier eine Orientierung am Bundesrechnungshof an, der über exzellente Expertise und qualifizierte Mitarbeiter mit Wirtschaftsprüferexamen verfügt.“
3. Mehr Expertise und bessere Technik
Um die Effektivität der Finanzaufsicht zu steigern, braucht die Bafin aus Sicht der Linkspartei grundsätzlich „mehr und spezialisiertes eigenes Fachpersonal“. Daneben müsse in Künstliche Intelligenz investiert werden, um ein digitales Reporting und forensische Ermittlungsmethoden zu etablieren.
4. Härtere Auflagen für Wirtschaftsprüfer
Die Wirtschaftsprüfer sollten nicht länger gleichzeitig prüfen und beraten dürfen, finden die Linken. Zudem sollten Unternehmen ihre Bilanzprüfer alle drei bis fünf Jahre wechseln. Darüber hinaus braucht es nach Einschätzung der Linken gemeinsame Prüfungen („Joint Audits“) sowie eine Pool-Finanzierung der Wirtschaftsprüfer, damit das zu prüfende Unternehmen die Kontrolleure nicht direkt bezahlt.
5. Besserer Informationsaustausch
Aus Sicht der Linken ist ein besserer Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Behörden und Organisationen nötig - unter anderem zwischen der Bafin, der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU, der Wirtschafsprüfer-Aufsicht Apas sowie den Verbraucherschützern. Auf all diesen Ebenen müsse ein Frühwarnsystem für Marktmanipulation installiert werden.
6. Mitarbeitergeschäfte beschränken
Mitarbeiter der Bafin sollten künftig keine Wertpapiere und Derivate von und auf Unternehmen erwerben dürfen, die von der Behörde beaufsichtigt werden, fordern die Linken. Ausgenommen davon sollen Publikumsfondsanteile, ETFs und Versicherungsprodukte sein. Vor der Insolvenz von Wirecard hatten Bafin-Mitarbeiter sehr häufig Aktien des Zahlungsdienstleisters gehandelt. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat am Donnerstag gegenüber dem Handelsblatt bereits angekündigt, die internen Kontrollsysteme zu verschärfen.
7. Unterstützung von Geschädigten
Die Linkspartei ist der Ansicht, dass das Verbraucherschutz-Mandat der Bafin um den Schutz vor Finanzkriminalität und Geldwäsche erweitert werden muss. “Der kollektive Verbraucherschutz der Bafin sollte um die Verpflichtung zur Unterstützung von Geschädigten erweitert und ein Verbandsklagerecht erwogen werden.“
8. Produktaufsicht stärken
Jede Geld- und Vermögensanlage sowie jedes Kreditgeschäft müsse gesetzlich reguliert und der Produktaufsicht der Bafin unterstellt sein, fordern die Linken.
9. Verbraucherschutz statt Drückerkolonnen
Die Partei ist der Ansicht, dass der provisionsbasierte Verkauf von Finanzinstrumenten sowie der Verkaufsdruck auf Vertriebsmitarbeiter und Berater unterbunden werden sollte. „Stattdessen müssen Honorarberatung und unabhängige Finanzberatung durch Verbraucherzentralen gestärkt werden.“
10. Einführung eines Finanz-Tüv
Vor der Zulassung von neuartigen Kapitalanlagen und Finanzinstrumenten solle immer erst deren Nutzen sowie deren Unbedenklichkeit geprüft werden, fordert die Linke. So werde die Finanzmarktstabilität gestärkt und der Verbraucherschutz verbessert.
Mehr: Olaf Scholz will „so schnell wie möglich“ Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal ziehen.
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