Finanzaufsicht Politik und Banken streiten über die Aufrüstung der Bafin

Innerhalb der Behörde sind viele der Ansicht, dass der geplante Stellenaufbau nicht ausreichen wird, um die Schlagkraft der Bafin deutlich zu erhöhen.
Frankfurt, Berlin Wirecard-Skandal, Greensill-Pleite, Präsidentensuche: Bei der Finanzaufsicht Bafin geht es derzeit drunter und drüber. Für zusätzliche Unruhe sorgt nun der Streit über die geplante Aufrüstung der Behörde. Nach Informationen des Handelsblatts sollen bei einer Verwaltungsratssitzung der Bafin an diesem Montag 158 neue Stellen bewilligt werden.
Innerhalb der Finanzaufsicht sind viele der Ansicht, dass diese Aufstockung nicht ausreichen wird, um die Schlagkraft der Behörde deutlich zu erhöhen. Ursprünglich wollte die Bafin Insidern zufolge fast doppelt so viele neue Stellen, beantragte dann nach Rücksprache mit der Politik jedoch nur 189. Diese Zahl strich das Finanzministerium, das für die Rechts- und Fachaufsicht über die Bafin zuständig ist, dann nochmals zusammen. Die Bafin und das Finanzministerium äußerten sich dazu nicht.
Vielen Instituten, die die Bafin im Rahmen eines Umlageverfahrens finanzieren, geht die Aufrüstung der Behörde bereits jetzt zu weit. Sie machen Stimmung gegen einen zu starken Personalaufbau – und fordern stattdessen, die Bafin müsse intern besser zusammenarbeiten und vorhandene Ressourcen effizienter nutzen.
Der SPD-Finanzexperte Jens Zimmermann, der im Bafin-Verwaltungsrat sitzt, hat für die Proteste kein Verständnis. „Nach dem Wirecard-Skandal waren sich alle einig, dass die Bafin aufgerüstet werden muss“, sagt er. „Doch jetzt, wo es zum Schwur kommt, wollen Banken und Versicherer davon auf einmal nichts mehr wissen. Das ist unglaubwürdig.“
Scholz will „Finanzaufsicht mit Biss“
Die Bafin hat beim Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard nach Ansicht vieler Beobachter ein schlechtes Bild abgegeben. Statt den Bilanzskandal frühzeitig aufzudecken, zeigte sie kritische Investoren und Journalisten an und verbot zeitweise Wetten auf fallende Wirecard-Kurse.
Als Reaktion kündigte Finanzminister Olaf Scholz eine grundlegende Reform der Bonner Behörde an. Sie sieht unter anderem vor, dass die Bafin komplexen Unternehmen im Rahmen einer Fokusaufsicht genauer auf die Finger schaut. Zudem soll die Behörde bei der Bilanzkontrolle und dem Verbraucherschutz eine aktivere Rolle spielen.

Die Bafin müsse „den Anspruch haben, sich mit den besten Aufsichtsbehörden der Welt zu messen – oder gleich die beste sein zu wollen“, sagt der Finanzminister.
„Ich will eine Finanzaufsicht mit Biss, eine härtere Kontrolle der Finanzmärkte“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat im Februar. Die Bafin müsse „den Anspruch haben, sich mit den besten Aufsichtsbehörden der Welt zu messen – oder gleich die beste sein zu wollen“.
Gemessen an diesen Ankündigungen finden viele Bafin-Mitarbeiter den geplanten Aufbau von 158 Stellen mehr als dünn. Im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl von 2722 Ende vorletzten Jahres entspricht er einem Zuwachs von knapp sechs Prozent. Weniger zusätzliche Stellen als beantragt soll die Bafin unter anderem im Präsidialbereich bekommen, der im Zuge der Reform eigentlich gestärkt werden sollte.
Der neue Bafin-Chef soll nicht nur die Modernisierung der Behörde vorantreiben, sondern auch die Fokusaufsicht und eine sogenannte Taskforce koordinieren. Letztere soll bei Verdachtsfällen kurzfristig forensische Sonderprüfungen in Eigenregie durchführen.
Banken bezweifeln Sparwillen bei der Bafin
Einige zusätzliche Stellen stehen unter dem Vorbehalt, dass der Bundestag ein geplantes Gesetz zur Stärkung der Bafin verabschiedet. Sollten der Finanzaufsicht im Rahmen der Reform weitere Aufgaben zugewiesen werden, könnte sie zu einem späteren Zeitpunkt grünes Licht für weiteres Personal bekommen.
Die 158 Stellen seien ein erster Schritt, der im Rahmen des Nachtragshaushaltes für das laufende Jahr umgesetzt werde, heißt es im Finanzministerium. Weitere würden folgen. Eine deutliche Aufstockung über die 158 Stellen hinaus erwarten viele Beteiligte auf absehbare Zeit allerdings nicht. Ein Gutachten von Roland Berger kam zu dem Ergebnis, dass im Zuge der Bafin-Reform 20 bis 60 neue Stellen nötig sind.
Dabei handelt es sich laut Finanzstaatssekretär Jörg Kukies jedoch um eine Nettozahl. „Es wird deutliche Umschichtungen geben, etwa weil dank Digitalisierung in einigen Bereichen weniger Personal benötigt wird“, sagte er im Februar im Handelsblatt-Interview.
Dass die Bafin im Zuge des Umbaus neue Mitarbeiter wie Datenanalysten und Wirtschaftsprüfer braucht, bestreiten die meisten Banker nicht. Ihnen fehlt jedoch der Glaube, dass die Finanzaufsicht in anderen, weniger wichtigen Bereichen tatsächlich Stellen abbaut. „Viele Dinge werden einfach gemacht, weil sie schon immer so gemacht wurden“, moniert ein Kritiker.
Er verweist auch darauf, dass sich der Haushalt der Bafin in den vergangenen Jahren bereits mehr als verdoppelt hat – von 224 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 493 Millionen Euro im laufenden Jahr. Dabei ist für die Kontrolle von Großbanken seit November 2014 federführend die Europäische Zentralbank zuständig.
Bloßer Personalaufbau könne nicht die Antwort auf die anstehenden Herausforderungen sein, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft, die gemeinsame Interessenvertretung der deutschen Bankenverbände, im Januar. „Die Bafin verfügt bereits über ein hohes Maß an Expertise, das in Teilen besser eingesetzt und weiterentwickelt werden könnte.“
Da die Banken wegen Negativzinsen und der Coronakrise ohnehin unter Druck stehen, finden es viele unangemessen, dass sie nun für die Finanzaufsicht mehr Geld bezahlen müssen. Manche Beteiligte vermuten hinter den Protesten jedoch noch ein anderes Motiv: Viele Banken hätten schlicht kein Interesse an einer zu starken Finanzaufsicht.
Verhindern wollen die meisten Finanzinstitute auf jeden Fall, dass sich die Bafin im Zuge der Reform zum obersten Verbraucherschützer des Landes aufschwingt. „Bevor bei der Bafin neue Instrumente für den Anleger- und Verbraucherschutz geschaffen werden, sollte zunächst einmal sichergestellt werden, dass in denjenigen Bereichen, in denen in den letzten Jahren Defizite festgestellt wurden, eine effektive Aufsicht stattfindet, zum Beispiel im grauen Kapitalmarkt beziehungsweise bei den Anlagevermittlern“, heißt es in einer Erklärung der Bankenverbände DSGV, BVR, VÖB und VDP.
Der SPD-Abgeordnete Zimmermann hat für das Jammern der Banken kein Verständnis. „Wenn die Bafin mehr Aufgaben übernehmen und weniger auf externe Hilfe zurückgreifen soll, braucht sie mehr Personal“, sagt er. „Die Leier, die Bafin müsse einfach effizienter arbeiten, höre ich von Banken und Versicherern schon lange. Aber das ist nicht zutreffend.“ Mehrere Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Bafin personell nicht überbesetzt sei.
Sollte der neue Bafin-Chef mehr verdienen?
Aus Sicht des FDP-Finanzexperten Frank Schäffler ist bei der Bafin in erster Linie ein Mentalitätswechsel vonnöten. „Die Bafin hat vor allem ein Vollzugsproblem – das hat aus meiner Sicht auch der Fall Greensill gezeigt.“ Bei der inzwischen insolventen Bremer Bank habe die Finanzaufsicht Probleme erkannt, aber nicht schnell genug gehandelt, sagt Schäffler. „Die Bafin muss entscheidungsfreudiger werden.“
Die Finanzaufsicht ist dagegen der Ansicht, dass sie im Fall Greensill gute Arbeit geleistet hat. Dass viele Politiker und Kommunen nach dem Zusammenbruch des Bremer Instituts sofort mit dem Finger auf die Bafin zeigten, finden in Bonn viele ungerecht.
Die Reaktionen zeigen jedoch auch, wie groß das Misstrauen gegenüber der Bafin nach dem Wirecard-Skandal ist – und wie schwer ein Neuanfang unter einem neuen Präsidenten werden wird. Da bis Ende März voraussichtlich kein Nachfolger für den scheidenden Amtsinhaber Felix Hufeld gefunden wird, soll der oberste Bankenaufseher Raimund Röseler die Behörde zunächst übergangsweise leiten.

Der oberste Bankenaufseher der Bafin soll die Behörde als dienstältester Exekutivdirektor leiten, bis ein Nachfolger für Felix Hufeld gefunden ist.
Dass die Suche nach einem neuen Bafin-Chef so zäh verläuft, liegt nach Angaben von Beteiligten unter anderem an dem sehr ambitionierten Profil und der übersichtlichen Bezahlung.
Was der Bafin-Präsident genau verdient, ist öffentlich nicht bekannt, aber es dürfte sich um eine niedrige bis mittelgroße sechsstellige Summe pro Jahr handeln. Für 2021 belaufen sich die Gesamtbezüge des sechsköpfigen Direktoriums laut Bafin-Haushaltsplan auf 1,3 Millionen Euro.
SPD-Finanzexperte Zimmermann kann sich deshalb vorstellen, dass sich der Verwaltungsrat am Montag auch mit der Vergütung des künftigen Präsidenten beschäftigen wird. „Aktuell verdient der Bafin-Chef weniger als viele Sparkassenchefs“, sagt Zimmermann. „Gemessen an der Verantwortung ist diese Position also sicher nicht überbezahlt.“
Mitarbeit: Jan Hildebrand
Mehr: Inside Finanzaufsicht: Woran es bei der Bafin wirklich hapert.
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@Herr Thomas Wolfzettel
meine volle Zustimmung.
Es ist in Deutschland scheinbar üblich bei Behörden, die eine schlechte Leistung bringen, zusätzlich unqualifizierte Mitarbeiter zu beschäftigen, damit noch mehr gut bezahlte Mitarbeiter noch schlechtere Leistung bringen.
Für den Bundestag gilt ähnliches: Zum Überhangmandat kam das Ausgleichsmandat und damit wurde der Bundestag massiv aufgebläht - 709 Abgeordnete für nur 80 Millionen Bürger - da übertreffen wir selbst China. Und dann gibt es noch die EU-Politiker.....
Ja, die BaFin...Es ist ja nicht so, dass sie im Fall Wirecard nicht gehandelt hat, sondern eben nur falsch. Das grundlose Verbieten von Leerverkäufen, das Verfolgen von kritischen Journalisten erinnert einen eher an ein totalitäres Regime mit mafiösen Strukturen, als an eine Demokratie und einen Rechtsstaat. Ich zitiere hier gerne die junge Shortsellerin Fahmi Quadir: "Der Trick lag auf der Hand: Der Schlüssel zum Wachstum von Wirecard lag im Erwerb einer Banklizenz. Wenn man Geldwäsche betreiben möchte, dann muss man eine Bank und alle Glieder in der Kette kontrollieren. So kann man Konten eröffnen für Vermögen, die aus Verbrechen, Kriegen, Drogenhandel und anderen illegalen Tätigkeiten erwachsen sind. Quadir bedauert, dass die Bafin ihr „Gesprächsangebot“ nicht angenommen habe. Das Wirecard-Verbrechen hätte viel früher aufgeklärt werden können." (BZ, 06.03.21) Daher macht es eigentlich nicht so viel Sinn, mehr Personal einzustellen, wenn es über dieselbe Intelligenz und Mentalität verfügt, wie das bestehende. Und Olaf Scholz nährt ja immer noch gerne die Legende, dass die BaFin gar nicht anders hätte handeln können und sein Ministerium natürlich auch nicht. Die Fachfrau erklärt in dem Zitat das Gegenteil.