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Finanzmarkt China zwingt Frankfurter Börse Ceinex zum Sparen

Das deutsch-chinesische Joint Venture muss Kosten senken und Mitarbeiter entlassen. Die Euphorie am Finanzplatz Frankfurt ist verflogen, viele Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.
04.06.2021 - 17:30 Uhr Kommentieren
Die Bank of China will den Ideen von Xi Jinping zu einem „Sozialismus nach chinesischer Art“ folgen und „einen noch größeren Beitrag leisten, um eine moderne Wirtschaft zu entwickeln“. Quelle: AP
Chinas Staatschef Xi Jinping

Die Bank of China will den Ideen von Xi Jinping zu einem „Sozialismus nach chinesischer Art“ folgen und „einen noch größeren Beitrag leisten, um eine moderne Wirtschaft zu entwickeln“.

(Foto: AP)

Frankfurt, Peking Bei der Gründung der deutsch-chinesischen Börse Ceinex 2015 war die Euphorie groß. Die Verträge wurden im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang unterzeichnet. Die Etablierung des ersten regulierten Renminbi-Marktes außerhalb Chinas sei ein wichtiger Meilenstein, sagte Ceinex-Co-Chef Han Chen bei der Eröffnung. „Unser Produktangebot wird rasch ausgebaut werden, um die Ceinex für internationale Anleger noch attraktiver zu machen.“

Fünfeinhalb Jahre später ist die Ernüchterung groß. Die Zahl der Produkte ist seit dem Handelsstart im November 2015 nicht gestiegen, sondern gefallen. Zudem verzeichnete das Unternehmen, das der Deutschen Börse, der Börse Schanghai (SSE) und der China Financial Futures Exchange (CFFEX) gemeinsam gehört, bisher lediglich einen Börsengang.

Nun folgt der nächste Nackenschlag: Auf Druck aus Peking muss die Ceinex Kosten senken und Mitarbeiter entlassen, wie mehrere mit dem Thema vertraute Personen dem Handelsblatt sagten. Die chinesischen Anteilseigner reagierten damit auf Forderungen von Aufsichtsbehörden und Politik.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat angekündigt, Staatsfirmen besser und stärker machen zu wollen. Dazu gehört auch, den Staatssektor effizienter zu gestalten.

Eine Konsequenz daraus ist Insidern zufolge, dass die Staatskonzerne SEE und CFFEX nicht mehr so freimütig Geld in die Ceinex pumpen dürfen wie bisher. Viele Beteiligte haben den Eindruck, dass die deutsch-chinesische Börse nur noch auf kleiner Flamme am Leben gehalten wird – und sich von ihren ambitionierten Wachstumsplänen verabschiedet hat.

Die Entwicklung ist auch für den Finanzplatz Frankfurt ein Rückschlag, der noch vor wenigen Jahren große Hoffnung auf das Chinageschäft gesetzt hatte. Neben der Ceinex wurde eine sogenannte Clearingstelle eröffnet, über die seit 2014 Zahlungen in der chinesischen Währung abgewickelt werden können. Doch auch dort verharren die Umsätze auf überschaubarem Niveau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang waren 2015 dabei, als die Verträge zur Gründung der Ceinex unterschrieben wurden. Quelle: dpa
Die Kanzlerin in China

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang waren 2015 dabei, als die Verträge zur Gründung der Ceinex unterschrieben wurden.

(Foto: dpa)

Die Ceinex und der Renminbi-Hub seien von Anfang an auch eine Art Beziehungspflege zu China gewesen, mittlerweile „aber ziemlich eingeschlafen“, konstatiert ein Insider, der die Projekte einst vorangetrieben hat. Ein Grund dafür sei die fehlende Bereitschaft beider Seiten, gezielt Geschäfte auf die Plattformen zu lenken: „Das hat sich nicht so entwickelt, wie man es sich bei der Eröffnung gegenseitig versprochen hat.“

Andere Beteiligte sprechen von einem neuen Realismus bei Finanzgeschäften mit China. Sie sind der Ansicht, dass man bei solchen Projekten eben einen langen Atem braucht – und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen darf.

Aktiencrash macht Chinas Führung vorsichtig

Der Renminbi, der wie seine Einheit häufig auch Yuan genannt wird, ist im Gegensatz zu anderen Währungen nicht frei konvertierbar. Er zählt mittlerweile zu den zehn wichtigsten Handelswährungen der Welt, der Rückstand auf Euro und Dollar ist allerdings weiter groß. Auch durch die Eröffnung von Clearinghubs in mehreren globalen Finanzzentren will die Führung in Peking den Renminbi langfristig als neue Weltleitwährung etablieren.

In Frankfurt gab es beim Startschuss vor sieben Jahren die Hoffnung, dass die starken wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland positiv auf den Finanzplatz abstrahlen – und andersherum. Die Clearingbank werde dem Handel zwischen beiden Ländern „einen neuen Schub“ verleihen, sagte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) damals.

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Erfüllt hat sich diese Hoffnung nicht. Große Institute wie die Deutsche Bank und die Commerzbank wickeln den Großteil ihrer Renminbi-Geschäfte weiter über Hongkong ab. Die Folge: Bei der Frankfurter Clearingstelle, die von der Bank of China betrieben wird, lag das abgewickelte Volumen nach Angaben des Instituts 2020 bei 1987 Milliarden Yuan (254 Milliarden Euro) – und damit nur leicht über dem Wert des ersten vollen Betriebsjahres 2015.

„Das Chinageschäft ist deutlich schwächer gelaufen als 2014 und 2015 erhofft“, sagt Finanzprofessor Horst Löchel, der an der Frankfurt School of Finance & Management das Sino-German Center leitet. „Der Hauptgrund dafür ist ein deutlich langsameres Tempo bei der Renminbi-Internationalisierung – ausgelöst durch die Marktturbulenzen an den Devisen- und Aktienmärkten in den Jahren 2015 und 2016.“

Von Juni 2015 bis Februar 2016 brachen die Kurse an den chinesischen Börsen wegen Sorgen über ein geringeres Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik mehrfach ein. Zudem zogen Unternehmen und Anleger im großen Stil Kapital aus dem Land ab.

Nach dem Aktiencrash und den großen Kapitalabflüssen 2015 und 2016 fand die bis dahin vorangetriebene Öffnung der chinesischen Finanzmärkte ein jähes Ende. Quelle: Reuters
Ein Anleger blickt im August 2015 auf fallende Aktienkurse

Nach dem Aktiencrash und den großen Kapitalabflüssen 2015 und 2016 fand die bis dahin vorangetriebene Öffnung der chinesischen Finanzmärkte ein jähes Ende.

(Foto: Reuters)

Die chinesischen Behörden reagierten darauf mit drastischen Gegenmaßnahmen. Unter anderem verboten sie zeitweise Aktienverkäufe und führten strengere Kapitalkontrollen ein. Zudem setzte die Volksrepublik ein Viertel ihrer Währungsreserven ein, um den Renminbi zu stützen. Die bis dahin vorangetriebene Öffnung der chinesischen Kapitalmärkte fand ein jähes Ende.

Warten auf die Freigabe von Derivategeschäften

Für die Ceinex, auf deren Gründung sich die Deutsche Börse und ihre chinesischen Partner bereits Anfang 2015 verständigt hatten, kamen die Turbulenzen zur Unzeit. Die Eröffnung der deutsch-chinesischen Handelsplattform wurde zwar wie geplant durchgezogen, doch der von Anfang an anvisierte Einstieg ins Derivategeschäft ist bis heute nicht gelungen. Der Grund: Die chinesischen Behörden haben dafür bisher kein grünes Licht gegeben.

Den Entscheidungsträgern in Peking sind Geschäfte mit Renminbi-Derivaten im Ausland nach den Erfahrungen von 2015 und 2016 offenbar noch zu heikel, schließlich könnten sie Offshore-Märkte im Fall von Turbulenzen schlechter kontrollieren. Zudem gibt es in der Volksrepublik bei manchem die Befürchtung, internationale Anleger und US-Investmentbanken könnten den chinesischen Markt mit Derivategeschäften gezielt in eine bestimmte Richtung lenken.

Dass sich an der Haltung der chinesischen Behörden in naher Zukunft etwas ändert, glauben Beteiligte nicht – und verweisen dabei auch auf das angespannte politische Verhältnis zwischen China, den USA und der EU. „Die Großwetterlage wird schwierig bleiben“, prognostiziert ein Insider. Dass es zeitnah zu einer Belebung der Renminbi-Geschäfte in Frankfurt und anderen westlichen Finanzzentren komme, sei deshalb nicht zu erwarten.

Die Führung in Peking setze bei ihrer Internationalisierungsstrategie seit einiger Zeit stärker auf die Realwirtschaft als auf den Finanzsektor, beispielsweise im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative, beobachtet Finanzprofessor Löchel. Dort gebe es keine systemischen Risiken für die eigene Währung und den heimischen Kapitalmarkt. „Es gibt einen größeren Hang zur Stabilität – der trifft auch den Finanzplatz Frankfurt und die Ceinex.“

Experten sind überzeugt, dass China die Öffnung seiner Finanzmärkte früher oder später weiter vorantreiben wird, um die Bedeutung seiner Währung zu stärken. Quelle: Reuters

Experten sind überzeugt, dass China die Öffnung seiner Finanzmärkte früher oder später weiter vorantreiben wird, um die Bedeutung seiner Währung zu stärken.

(Foto: Reuters)

Löchel hat von 2003 bis 2011 in Schanghai gearbeitet und ist auch heute noch regelmäßig in China. Er ist überzeugt, dass das Land die Öffnung seiner Finanzmärkte früher oder später weiter vorantreiben wird, um die Bedeutung seiner Währung zu stärken. „Das Thema wird wiederkommen – das ist nur eine Frage der Zeit.“ Deutschland sei als Chinas größter Handelspartner in der EU deshalb gut beraten, an der Ceinex und der Renminbi-Clearingstelle in Frankfurt festzuhalten.

Die Deutsche Börse sieht das ähnlich. „Wir glauben fest an das große Potenzial der Öffnung des chinesischen Marktes und setzen unser Engagement konsequent fort“, erklärte Deutschlands größter Börsenbetreiber. „Hierfür sind wir mit unserem Joint Venture in einer sehr guten Ausgangsposition.“ Die Shanghai Stock Exchange, die wie die Deutsche Börse 40 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen hält, reagierte auf eine Anfrage zu dem Thema nicht.

Nur ein Börsengang in fünf Jahren

An der Ceinex können Konzerne Anleihen und börsengehandelte Indexfonds (ETFs) in Yuan auflegen. Zudem haben chinesische Firmen die Möglichkeit, Produkte in Euro zu emittieren und damit Gelder von westlichen Investoren einzusammeln.

Darüber hinaus können Unternehmen aus der Volksrepublik durch ein Zweitlisting an der Ceinex Kapital aufnehmen und ihre Bekanntheit in Europa steigern. Bis die erste Firma für einen Börsengang in Frankfurt gefunden wurde, dauerte es jedoch lange.

Zuerst wollte die Ceinex große chinesische Staatskonzerne wie Petrochina anlocken. Doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht – auch wegen der politischen Komplexität eines solchen Unterfangens. Deshalb änderte die Ceinex ihre Strategie und konzentriert sich seit einiger Zeit auf chinesische Privatunternehmen. Im Oktober 2018 feierte mit dem Waschmaschinenhersteller Haier der erste Konzern aus der Volksrepublik sein Börsendebüt und nahm dabei rund 300 Millionen Euro ein.

Der Waschmaschinenhersteller Haier sammelte bei seinem Börsengang an der Ceinex im Oktober 2018 rund 300 Millionen Euro ein. Quelle: xinhua / FOTOFINDER.COM
Bisher einziger Börsengang an der Ceinex

Der Waschmaschinenhersteller Haier sammelte bei seinem Börsengang an der Ceinex im Oktober 2018 rund 300 Millionen Euro ein.

(Foto: xinhua / FOTOFINDER.COM)

Haier ist bereits seit 1993 an der größten chinesischen Börse in Schanghai notiert. Ausländische Investoren haben zu den sogenannten A-Shares jedoch in aller Regel keinen Zugang. Deshalb gibt es seit einiger Zeit Zweitlistings: H-Aktien in Hongkong, S-Aktien in Singapur, N-Aktien in New York und D-Aktien in Frankfurt.

Die Hoffnung der Deutschen Börse, dass der Börsengang von Haier eine neue Dynamik auslöst und für deutlich mehr Geschäft an der Ceinex sorgt, hat sich allerdings nicht erfüllt.

Zum Start vor fünf Jahren waren an der Ceinex knapp 200 Anleihen und ETFs gelistet. Bei vielen handelte es sich um kurz laufende Bonds mit Chinabezug, die aus Marketinggründen von der Deutschen Börse zur Ceinex verschoben wurden.

Aktuell sind auf der Plattform nur noch 27 Anleihen und zwölf ETFs beziehungsweise Exchange Trades Products (ETPs) handelbar. Die in die ETFs investierten Mittel haben sich laut Ceinex seit Ende 2017 jedoch mehr als vervierfacht auf 4,1 Milliarden Euro.

Mittelstand setzt zunehmend auf Renminbi

Für die meisten deutschen Unternehmen spiele die Geldanlage in Renminbi bisher eine untergeordnete Rolle, sagt Commerzbank-Asienexperte Michael Rugilo. Im Tagesgeschäft wachse die Akzeptanz der chinesischen Währung dagegen.

Bei einer von der Bank beauftragten Umfrage unter Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 250 Millionen Euro gaben Anfang des Jahres 57 Prozent an, ihre Chinageschäfte in Renminbi abzuwickeln. Weitere 20 Prozent planten die Umstellung in den kommenden zwölf Monaten.

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Anfangs hätten nur große Konzerne wie deutsche Autobauer die Möglichkeit genutzt, grenzüberschreitende Geschäfte in Renminbi abzuwickeln, erzählt Rugilo. 2014 und 2015 seien dann viele größere Mittelständler dazugekommen. Mittlerweile nutzen auch kleine Mittelständler den Renminbi zunehmend.

„Die Eröffnung des Renminbi-Hubs in Frankfurt 2014 war wichtig, auch weil das Thema dadurch mehr Aufmerksamkeit bekommen hat“, findet Rugilo. Die Commerzbank wickelte damals für den Automobilzulieferer Stabilus die erste Zahlung über die Plattform ab. „Wenn Kunden es explizit wünschen, lassen wir Transaktionen auch heute noch über die Plattform in Frankfurt laufen“, sagt Rugilo. „Standardmäßig wickeln wir Renminbi-Zahlungen aber über das Clearingzentrum in Hongkong ab, das wir bereits seit 2009 nutzen.“

Preislich macht es für Deutschlands zweitgrößte Privatbank keinen Unterschied, ob sie die Plattform in Hongkong oder Frankfurt nutzt. „2014 hatten wir die Hoffnung, dass es in Frankfurt längere Öffnungszeiten gibt, dass wir Renminbi-Zahlungen dort also auch noch am späten Nachmittag deutscher Zeit abwickeln können“, erklärt Rugilo. „Doch leider ist dies in Frankfurt genauso wie in Hongkong nur bis elf Uhr deutscher Zeit möglich.“

Die Bank of China ist mit der Entwicklung des Frankfurter Renminbi-Hubs dennoch zufrieden. Die Zahl der angebundenen Banken sei in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen, erklärte das Institut. „Die Bank of China wird das Renminbi-Offshore-Zentrum Frankfurt weiter fördern und Wirtschaftsentwicklung in China und Deutschland unterstützen.“

Mitarbeit: Jan Mallien

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