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Finanzmarktregulierung Mifid II Verloren im Dickicht der Paragrafen

Am Mittwoch tritt Mifid II in Kraft. Es ist das größte Finanzregulierungspaket der EU seit einem Jahrzehnt. Doch es droht ein holpriger Start, denn nicht alle in der Branche haben sich rechtzeitig darauf eingestellt.
02.01.2018 - 19:02 Uhr 1 Kommentar
Auch Finanzmanager müssen sich bisweilen in Regel-Labyrinthen zurechtfinden. Quelle: imago/Xinhua
Irrgarten in Genk

Auch Finanzmanager müssen sich bisweilen in Regel-Labyrinthen zurechtfinden.

(Foto: imago/Xinhua)

Frankfurt Die Anfragen kamen spät, sehr spät. „In den letzten Wochen des Jahres häuften sich Anrufe von Kunden, die sich noch mit einer ganzen Reihe recht grundsätzlicher Probleme zur Umsetzung der neuen Vorgaben plagten“, erzählt der Chef des Aktienhandelsgeschäfts einer Großbank. Da hätten Mitarbeiter eines Kunden – ein kleinerer Vermögensverwalter – noch zwischen den Feiertagen Überstunden einschieben müssen. Und Anfang des Jahres dürfte es mit neuen Überstunden weitergehen, berichtet der Banker.

Schuld ist die wohl umfassendste Änderung der EU-Finanzmarktregulierung des vergangenen Jahrzehnts: die Neuauflage der Richtlinie Mifid. Die Vorgaben namens Mifid II, die aus mehr als 1,4 Millionen Paragrafen bestehen und Banken, Vermögensverwalter, Broker, Börsenbetreiber und Pensionsfonds betreffen, treten an diesem Mittwoch in Kraft.

Obwohl der Start bereits um ein Jahr verschoben wurde, ist klar: Nicht alle in der Branche haben es geschafft, ihre Vorbereitungen rechtzeitig abzuschließen. „Für die Großen war Mifid II schon ein Kraftakt, für die Kleineren in der Branche war die Grenze zur Überforderung teilweise überschritten“, so fasst es ein Jurist zusammen, der Finanzfirmen bei der Einführung der neuen Regeln beraten hat.

Im Kern geht es dem Gesetzgeber um mehr Transparenz, bessere Beratung und stärkeren Wettbewerb im Handelsgeschäft. Für die Branche brachte das vor allem neue Kosten mit sich. In den ersten fünf Jahren schätzen Experten diese auf insgesamt sechs Milliarden Dollar.

Der Start in die neue Ära dürfte holprig ausfallen, weil die konkrete Umsetzung einiger Regeln teilweise noch unklar ist. Auch sind die Folgen und das Zusammenspiel mit anderen Vorgaben – etwa in den USA – schwer abzuschätzen. Von den „unknowable unknowns“, einer Gleichung mit noch ungewissen Unbekannten, spricht Jörg Kukies, Co-Chef von Goldman Sachs in Deutschland.

Als eine der größeren Baustellen sehen Fachleute das Geschäft mit dem Aktienresearch an. Es dürfte zu massiven Verschiebungen kommen, weil Mifid II die Bezahlregeln ändert. Lange Zeit waren Analystenstudien Teil des Pakets, für das Investoren mit den Gebühren zahlten, die sie Banken und Brokern für Wertpapierhandelsgeschäfte überwiesen. Jetzt muss das Research separat beglichen werden. Schon jetzt zeichnet sich eine sinkende Nachfrage nach Studien ab. Die Zahl der Aktienanalysten dürfte daher weiter sinken. Parallel dazu rechnen Experten des Deutschen Investor Relations Verbands (DIRK) damit, dass bei mittelgroßen Firmen die Zahl der Analysten, die sich mit den Unternehmen beschäftigen, deutlich sinken wird. Kleinere Firmen laufen sogar Gefahr, statt heute von weniger als zehn Analysten gar nicht mehr abgedeckt zu werden.

Daher müssten diese Firmen selbst aktiv werden, um sich auch künftig die nötige Aufmerksamkeit am Kapitalmarkt zu beschaffen, mahnt der DIRK. Im Zweifel müssen sie selbst Aktienresearch in Auftrag geben. Wenn Emittenten künftig Research aus eigener Tasche zahlten, sei es wichtig, „dass sie die Qualitätsmerkmale von Research kennen“ und ihre Aufträge danach ausrichteten, sagt Ralf Frank, Geschäftsführer des Berufsverbands deutscher Analysten, DVFA. Denn „Anleger sind zunächst einmal skeptisch bei Research, das vom Emittenten beauftragt wurde. Da muss die Qualität stimmen.“ Der Markt für Aktienresearch wird voraussichtlich erst in den nächsten Monaten verteilt: „Noch verhandeln Broker mit Fondshäusern“, sagt Werner Hedrich, Deutschland-Chef des Analyse- und Ratinghauses Morningstar. Ein Verteilungskampf zeichne sich ab: Anbieter seien mit „Kampfkonditionen“ unterwegs, sagt er. Am Markt kursieren Summen zwischen 15 000 Euro für den Zugang zu Analysten und 750.000 Euro für ein Rundum‧paket pro Jahr, das Studien sowie den Zugang zu Analysten und Firmenmanagern einschließt.

Beratung in der Grauzone

Als weiteres Problemfeld gilt die Anlageberatung: Noch ist unklar, wie streng freie Finanzberater für Geldanlage, die nicht einer Bank oder Versicherung angehören, künftig reguliert werden. Schätzungen zufolge gibt es rund 39.000 solcher Berater, die vor allem Fonds verkaufen und nicht unmittelbar von den neuen EU-Regeln erfasst werden, weil sie der Gewerbeordnung unterliegen. Die Bundesregierung will die Mifid-II-Regeln aber auch auf sie anwenden. Die dafür nötige Verordnung hat das zuständige Bundeswirtschaftsministerium allerdings noch nicht fertiggestellt. Dem Vernehmen nach könnte das noch Monate dauern. Somit leben diese Berater derzeit in einem „grauen Bereich“, wie Jan Altmann, Chef des Fondsberaters 4Assetmanagement, sagt. Gemäß Mifid II müssen alle Berater viel genauer prüfen, ob ein Fonds für einen Anleger geeignet ist. Zuwendungen von Produktanbietern sind nur dann erlaubt, wenn sie zur Verbesserung der Leistung für Kunden führen. Vor allem diese Vorgabe könnte freie Berater in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Unklar ist zudem, ob die aufwendige Aufzeichnungspflicht der Telefonberatung und andere strengere Dokumentationsauflagen auch für freie Berater gelten werden. Unterm Strich ist unter den Finanzberatern „Konsolidierungsdruck zu erwarten“, sagt Altmann.

Aufseher haben angesichts sich abzeichnender Startschwierigkeiten bereits signalisiert, dass sie der Branche eine gewisse Anlaufzeit geben werden. Doch als Finanzunternehmen müsse man sich gut überlegen, ob man Geschäfte betreiben wolle, die nicht Mifid-konform sind – weil man sich damit potenzielle Rechtsrisiken ins Haus hole, warnen Fachleute. Denn wenn das Geschäft für den Kunden nicht gut laufe, könne er im Zweifel vor Gericht gehen und den Vertrag anfechten – und das mit guten Erfolgsaussichten.

Wegen der Unklarheit in einigen Bereichen rechnen Fachleute für 2018 noch mit Änderungen und Ergänzungen der Regeln: „Wir erwarten zwei Wellen von Nachjustierungen“, sagt Detmar Loff von der Kanzlei Ashurst: Anfang des Jahres und in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Prüfungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz anstünden. „Da wird sich herausstellen, wo Nachbesserungen notwendig sind.“ Mit einigen Interpretationsschwierigkeiten von Mifid II werde die Branche aber wohl vorerst leben müssen: „Gewisse Probleme lassen sich nicht ausmerzen“, meint Loff. Diese werde vermutlich erst Mifid III aus der Welt schaffen können.

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  • ... klingt wie Wasser auf die Mühlen der modernen Pyramidenspiele.

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