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Finanzskandal Greensill Bank: Die Rolle des Risikoausschuss-Chefs im Aufsichtsrat wirft Fragen auf

Weder die Bafin noch der Bankenverband haben die wahren Probleme der nun geschlossenen Bank frühzeitig aufgedeckt. Nun gerät der Vorsitzende des Risikoausschusses in den Fokus.
06.03.2021 - 10:48 Uhr Kommentieren
Ist die Finanzaufsicht Bafin in der entscheidenden Phase den Ereignissen hinterhergelaufen? Quelle: Reuters
Bremer Sitz der Greensill Bank

Ist die Finanzaufsicht Bafin in der entscheidenden Phase den Ereignissen hinterhergelaufen?

(Foto: Reuters)

Düsseldorf „Herr Kieser ist nicht zu sprechen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“, antwortet eine weibliche Stimme knapp. Dann ist der Versuch eines Telefonats mit dem Kölner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater über die in Existenznot geratene Greensill Bank beendet. Dabei könnte ein Gespräch erhellend sein, schließlich ist Kieser dort Aufsichtsrat und Vorsitzender des Bilanz- und Risikoausschusses.

Bei Greensill sollen etwa 3,6 Milliarden Euro im Feuer stehen, seit die Bundesfinanzaufsicht Bafin das Institut am Mittwoch wegen drohender Überschuldung geschlossen und den Vorstand bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Das Gros der Gelder, etwa 3,1 Milliarden Euro, sind dabei durch die gesetzliche Einlagensicherung sowie den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) gesichert – insbesondere die Anlagen von Privatkunden.

Nun ist zwischen der Bafin und dem Einlagensicherungsfonds der privaten Banken ein Streit über die Verantwortung für den Fall Greensill ausgebrochen. Der Fonds erklärte, er habe die Bafin schon Anfang 2020 auf Probleme bei Greensill hingewiesen. Die Bafin wiederum ist Insidern zufolge der Ansicht, dass die privaten Banken wesentliche Probleme nicht adressiert hatten.

Der Personalie Kieser kommt dabei in der Gemengelage eine bemerkenswerte Rolle zu.

Jahrzehntelange Verbandskarriere

25 Jahre lang gehörte Eberhard Kieser, Jahrgang 1951, dem Prüfungsverband deutscher Banken an, war dort Vorstand. Und er war zuständig für die Prüfung und Betreuung verschiedener Banken und Bausparkassen des privaten Bankensektors. Ihm waren Geschäftsmodellprüfungen, die Beurteilung von Risikomanagementsystemen, die Bewertung von Massenkreditgeschäften und innerbetriebliche Organisationsfragen anvertraut.

Dann übernahm der Mann, der so viel Erfahrung im Risikomanagement und in Geschäftsmodellprüfungen besitzt, eine neue Aufgabe. Anfang 2017 erhielt er einen Posten im Aufsichtsrat von Greensill, einer Tochter der auf Lieferkettenfinanzierung spezialisierten britisch-australischen Firmengruppe Greensill Capital.

In der Bank begann zu dieser Zeit ein schier explosionsartiges Wachstum. Lag die Bilanzsumme 2017 noch bei 338 Millionen Euro, waren es 2018 schon 666 Millionen Euro und 2019 schließlich 3,8 Milliarden Euro.

Das Geschäftsmodell Greensills: Die britisch-australische Gruppe schießt Unternehmen kurzfristig Bargeld vor, um ausstehende Rechnungen von Lieferanten zu bezahlen und erhält von diesen dafür einen Rabatt. Zahlen die Schuldner die Rechnungen später voll, sorgt das für einen entsprechenden Gewinn.

Die Bremer Tochter sorgte innerhalb der Greensill-Gruppe für die nötigen frischen Gelder für das Geschäft der Lieferkettenfinanzierung. Zahlungsansprüche gegenüber den belieferten Unternehmen bündelte sie in anleiheähnlichen Wertpapieren für Profiinvestoren.

Beim Prüfungsverband, Kiesers ehemaliger Wirkungsstätte, war das exorbitante Wachstum nicht unbeobachtet geblieben, der Verband schaute genauer hin. Und informierte die Bafin laut eigenen Angaben Anfang 2020 über Probleme bei Greensill.

Das Management habe sich bei der Ausweitung des Geschäftsvolumens nicht an die vom Verband gesetzten Regeln gehalten. Doch die Bafin nahm Greensill erst im Sommer stärker in den Fokus und startete eine Sonderprüfung. Ihr waren die Befunde offenbar zu dünn. Wesentliche Probleme, wie eine womöglich mangelhafte Werthaltigkeit von Forderungen, sollen nicht adressiert worden sein.

Im Rahmen der Sonderprüfung stellte die Bafin dann fest, dass Kredite und Wertpapiere Greensills eine auffällige Konzentration in Verbindung mit dem britisch-indischen Unternehmer Sanjeev Gupta aufwiesen. Und als kürzlich dann noch Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen und Kreditversicherungen aufkamen, war es aus Sicht der Bafin wohl zu spät, um ein Schließen der Bank noch verhindern zu können.

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Mancher Investor, der sein Geld Greensill anvertraut hatte und nun vorerst nicht wiedersieht, zeigt nun auf die Bafin. Hätte die Bafin sämtliche kommunalen Kunden der Bank über die Sonderprüfung aufgrund des mittlerweile bestätigten Anfangsverdachts des Bilanzbetrugs informiert, „dann hätten zumindest wir dort Mitte November keine 11,5 Millionen Euro eingelegt, sondern unser Engagement selbstverständlich zurückgefahren“, so Thomas Fillep, Kämmerer der Stadt Osnabrück.

Die niedersächsische Stadt hatte 14 Millionen Euro bei Greensill angelegt, die nun wohl weg sind. Noch mehr ist es bei der Stadt Monheim, die 38 Millionen Euro investiert hatte. Insgesamt rund 50 deutsche Kommunen sollen betroffen sein, der Schaden soll Hunderte Millionen Euro betragen.

Zahnlose Prüfer

Doch was tat der Prüfungsverband nach dem Hinweis an die Bafin? Auch er hat Durchgriffsrechte, wenn er zu riskante Geschäfte bei den Verbandsmitgliedern erkennt. Er kann Auflagen erteilen oder gar Banken aus der Institutssicherung entfernen. Dass der Prüfungsverband auch tatsächlich durchgreift, bewies er laut dem Portal Finanz-Szene bei der Bremer Greensill-Vorgängerin, der Nordfinanz. Dort verhängte er zwischen 2013 und 2015 Auflagen.

Und nun, nachdem die Bilanz sich binnen weniger Jahre vervielfachte und man selbst die Bafin über Probleme informierte? Hat der Verband erwogen, die Greensill Bank zu sanktionieren oder sie gar bereits sanktioniert? Auf Nachfrage des Handelsblatts dazu äußerte sich der Verband bisher nicht, sondern verwies an den übergeordneten Bundesverband deutscher Banken. Von diesem steht eine Antwort noch aus.

Der Verweis auf die eigene Meldung an die Bafin spricht zumindest dafür, dass vonseiten des Prüfungsverbandes selbst in Sachen Greensill nicht mehr viel geschah. Hatte sich Kieser bei seinem früheren Arbeitgeber für Greensill starkgemacht? Greensill reagierte bisher darauf nicht, auch der Bankenverband äußerte sich auf Nachfrage bisher nicht dazu, welche Rolle Kieser im Austausch über die Probleme bei Greensill gespielt haben könnte.

Mehr: Greensill Bank zeigt unheimliche Parallelen zum Fall Wirecard – und das sollte uns aufrütteln.

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