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Finanzskandal Weitere Kommunen betroffen – Bürgermeister und Kämmerer geraten im Greensill-Debakel unter Druck

Zahlreiche Länder, Städte und Gemeinden haben ihr Geld bei der Bremer Bank investiert. Jetzt stellt sich die Frage nach der Verantwortung und danach, wer den Schaden zu tragen hat.
10.03.2021 - 16:04 Uhr Kommentieren
Auch der Freistaat Thüringen wirft der Bafin vor, ihre Prüfpflicht nicht erfüllt zu haben. Quelle: Colourbox.com
Blick auf Erfurt in Thüringen

Auch der Freistaat Thüringen wirft der Bafin vor, ihre Prüfpflicht nicht erfüllt zu haben.

(Foto: Colourbox.com)

Köln, Frankfurt Der Freistaat Thüringen ist sauer auf die Finanzaufsicht Bafin. Man erwäge „rechtliche Schritte“, sollte sich herausstellen, dass die Aufsichtsbehörde in den vergangenen sieben Monaten ungenügend gehandelt habe. In Thüringen stehen 50 Millionen Euro auf dem Spiel.

Osnabrücks Kämmerer Thomas Fillep geht bereits einen Schritt weiter: Er wirft der Bafin vor, ihre Prüfpflicht nicht erfüllt zu haben. Die Finanzaufsicht weist die Vorwürfe zurück. Schon 2020 habe man „entschlossen und tatkräftig gehandelt“, sagte ein Behördensprecher. Thüringen und Osnabrück gehören zu rund 50 öffentlichen Körperschaften, die ihre Gelder bei der Bremer Greensill Bank angelegt haben.

Die Bafin hat vor gut einer Woche ein Moratorium über die Bank verhängt. Das heißt: Das Institut darf kein Vermögen mehr bewegen und keine Auszahlungen vornehmen. Nach der Insolvenz der britisch-australischen Greensill Capital gilt auch die Pleite der deutschen Tochter als wahrscheinlich.

Während die Einlagen von Privatanlegern in Höhe von rund drei Milliarden Euro über den Einlagensicherungsfonds geschützt sind, müssen sich institutionelle Investoren und Kommunen auf Verluste einstellen. Finanzkreisen zufolge belaufen sich die ungedeckten Einlagen bei der Greensill Bank auf rund 500 Millionen Euro.

Nach und nach werden neue Namen der betroffenen Kommunen bekannt. So hat etwa die hessische Kleinstadt Eschborn 35 Millionen Euro investiert. Hohe Verluste drohen auch in Monheim (38 Millionen Euro), Schwalbach (19 Millionen Euro), dem Amt Mitteldithmarschen (17 Millionen Euro) oder Weissach (16 Millionen Euro) und Osnabrück (14 Millionen Euro). Insgesamt sind schon mehr als 20 Engagements öffentlich-rechtlicher Träger bekannt.

Glimpflich davon kommen dagegen vermutlich Sender wie NDR, SWR und SR oder Töchter der Stadt Köln, die ebenfalls bei Greensill angelegt haben. Denn Einlagen von „Unternehmen, Institutionellen, halbstaatlichen Stellen“ mit kurzen Laufzeiten sind wiederum geschützt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Laufzeit der Anlagen nicht mehr als 18 Monate beträgt. Länger laufende Investments sind seit Anfang 2020 auch nicht mehr abgesichert.

Der NDR ließ bereits verlauten, dass ihm kein finanzieller Schaden entstehe. Gänzlich ohne Sicherung sind dagegen Bund, Länder und Kommunen sowie bankähnliche Kunden.

Bafin und Spitzenbeamte stehen in der Kritik

Die Bürger der betroffenen Kommunen könnte das Greensill-Desaster am Ende einen hohen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Deshalb regt sich auch gegen die verantwortlichen Spitzenbeamten in den Gemeinden Widerstand.

So wurde gegen den Bürgermeister der Stadt Monheim, Daniel Zimmermann, inzwischen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt. Zimmermann hatte im Interview mit dem Handelsblatt erklärt, für den Fehler verantwortlich zu sein.

Seit 2017 sind Anlagen von Kommunen bei Privatbanken nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds geschützt. In aller Regel haben sich Städte und Gemeinden in ihren Anlageverordnungen deshalb dazu verpflichtet, ihre Guthaben risikolos anzulegen. Der Fall Greensill zeigt allerdings, dass dagegen in manchen Fällen verstoßen wurde.

„Für die Entscheidungsträger in den Kommunen kann eine solche Anlageentscheidung durchaus zu einem persönlichen Problem werden“, sagt Christian Winterhoff, Partner der Kanzlei GvW Graf von Westphalen und Spezialist für öffentliches Recht. „Es gibt Gemeindeordnungen, die ausdrücklich vorsehen, dass die Kommunen bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten haben.“

„Womöglich Dienstpflichten verletzt“

Die Verantwortlichen müssten ihre Entscheidungen mit Sachkenntnis und Sorgfalt treffen. Ist das nicht der Fall, würden womöglich Dienstpflichten verletzt. „Wer grob fahrlässig gehandelt hat, kann in Regress genommen werden“, sagt Winterhoff.

Der Anwalt vertritt die Stadt Bonn in einem Verfahren gegen die frühere Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann. Das Verwaltungsgericht Köln hatte das Stadtoberhaupt und einen anderen Vertreter der Stadt Bonn wegen des Fiaskos rund um das Kongresszentrum WCCB im September 2020 zu einer Schadensersatzzahlung von einer Million Euro verurteilt. Aktuell liegt das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster.

Im Fall Greensill kommt hinzu, dass der Bundesverband deutscher Banken bereits 2017 deutlich darauf hingewiesen hat, dass ab dem 1. Oktober 2017 unter anderem Bund, Länder und Kommunen nicht mehr dem Schutz der freiwilligen Einlagensicherung unterliegen.

Selbst die Fachpresse für Kämmerer hat diese Mitteilung und die Folgen aufgegriffen. Auch die Greensill Bank schreibt auf ihrer Internetseite, dass „seit dem 1. Oktober 2017 Einlagen von professionellen Anlegern (Bund, Ländern und Kommunen sowie bankähnlichen Kunden) nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds geschützt“ sind.

Bafin nennt Details zu Untersuchungen

Die Finanzaufsicht Bafin weist die Vorwürfe der Kommunen, sie habe bei der Greensill Bank nicht genau genug hingesehen, zurück. Die Behörde habe eng mit dem Prüfungsverband deutscher Banken (PdB) zusammengearbeitet, der bereits im April 2019 eine Prüfung der Greensill Bank gestartet habe, erklärte die Bafin. Dabei sei es vor allem um Konzentrationsrisiken und Verstöße gegen die Geschäftsorganisation gegangen.

„Nachdem die Bafin im Frühjahr 2020 erste Indikationen zum Prüfungsergebnis bekam, hat sie mit eigenen Untersuchungen begonnen“, erklärte die Finanzaufsicht. Als im Sommer 2020 das finale Prüfungsergebnis vom PdB übermittelt wurde, habe die Bafin am 11. September eine forensische Sonderprüfung angeordnet. Diese sei noch nicht abgeschlossen.

Darüber hinaus habe die Bafin Anfang Januar 2021 Sonderbeauftragte in die Bank geschickt und dem Institut höhere Berichtspflichten aufgegeben. „Es folgten umfangreichere Maßnahmen zur Absicherung der Vermögenspositionen, zum Beispiel das partielle Einlagen- und Kreditverbot sowie das partielle Zahlungsverbot.“

Den Vorwurf, die Bafin hätte öffentlich früher auf die Bedenken gegen die Greensill Bank hinweisen müssen, wies die Behörde zurück. „Die Bafin darf aufgrund ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht Kommunen und andere Anleger nicht über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen informieren.“

Mehr: Warum die Rolle des Risikoausschuss-Chefs im Aufsichtsrat Fragen aufwirft.

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