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Finanzsystem Ökonomen fordern Schutzschirm für Banken

Der Einbruch der Wirtschaftsaktivität könnte ohne Gegenmaßnahmen eine Finanzkrise herbeiführen. Experten fordern eine europäische Lösung.
17.03.2020 - 18:16 Uhr Kommentieren
Wie hart trifft die Coronakrise die Banken? Erste Ökonomen fordern einen Schutzschirm für die Geldhäuser. Quelle: dpa
Frankfurter Skyline im Dunst

Wie hart trifft die Coronakrise die Banken? Erste Ökonomen fordern einen Schutzschirm für die Geldhäuser.

(Foto: dpa)

Frankfurt Der weltweite plötzliche Einbruch der Wirtschaftstätigkeit in Reaktion auf die Corona-Epidemie stellt eine bisher zu wenig beachtete Gefahr für das Finanzsystem dar. Diese Einschätzung vertreten der bekannte Experte für Finanzkrisen Moritz Schularick von der Universität Bonn und Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance in einem am 16. März veröffentlichten Thesenpapier. Darin schlagen sie einen großen europäischen Schutzschirm für die Banken vor.

So soll verhindert werden, dass die Wirtschaftskrise zu einer Bankenkrise führt, die dann wiederum die wirtschaftliche Erholung nach dem Ende der Epidemie behindern würde.

Selbst wenn es gelingen sollte, mit Liquiditätshilfen für Unternehmen, wie sie die Bundesregierung beschlossen hat, eine Pleitewelle zu verhindern, würden der Gewinnrückgang, der Einbruch der Aktienmärkte und Wertverluste auf anderen Finanzmärkten tiefe Spuren in den Bilanzen der Banken hinterlassen.

Die beiden Ökonomen schlagen damit einen ganz anderen Ton an als die verantwortlichen Regulierer und Politiker. Der Präsident der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, sagte am Dienstag im Handelsblatt-Interview: Corona stelle eine erhebliche Belastung für die Finanzbranche dar, aber „kein systemisches Risiko“.

Finanzminister Olaf Scholz sagte ebenfalls am Dienstag im Handelsblatt-Interview, es sei noch zu früh, um über einen Einsatz des Rettungsfonds ESM zu reden. Tobias Adrian, der Direktor der Abteilung Geld- und Kapitalmärkte des Internationalen Währungsfonds (IWF), schrieb am 11. März auf dem Corona-Weblog des IWF: „Die gute Nachricht ist, dass die Banken stabiler sind als vor der Finanzkrise von 2008.“ Deshalb seien die Risiken für die Finanzstabilität, die vom Bankensektor ausgingen, heute viel geringer, trotz sinkender Aktienkurse der Banken.

Schularick und Steffen sehen das anders. „Wir haben in der letzten Krise gelernt, dass es nicht darauf ankommt, was die Regulierer oder Zentralbanken über die Bankenstabilität denken“, warnen sie.

Liquiditätsabzug muss vermieden werden

Für sie ist es ein Alarmzeichen, dass die Aktien europäischer Banken schon die Hälfte ihres Wertes verloren haben. Und das war noch vor dem neuerlichen Kurseinbruch am letzten Montag. Die meisten Banken hätten am Aktienmarkt nur einen Bruchteil des Wertes, den ihr Buchwert anzeigt. „Was zählt, ist die Wahrnehmung der Märkte.“

Es müsse unbedingt vermieden werden, dass es zu einem Liquiditätsabzug von den Banken kommt, der eine Liquiditätskrise in eine Solvenzkrise verwandelt, also Banken pleitegehen lässt. Deshalb dürfe es keinen Zweifel daran geben, dass die Europäische Zentralbank und die nationalen Regierungen täten, was nötig sei, um die Finanzstabilität zu sichern. Das müsse auch für Banken in Ländern mit Budgetproblemen gelten.

„Frühzeitig und entschlossen zu handeln spart letztlich Geld“, empfehlen die beiden Ökonomen und verweisen auf Fehler, die Europa in der letzten Krise gemacht habe. Dort habe es immer zu lange gedauert, etwas zu beschließen, und das sei dann unzureichend gewesen.

Weil manche Länder dafür nicht das Geld hätten, sollten gemeinsame Mittel genutzt werden. Liquiditätshilfen für Banken, wie sie etwa die Bundesregierung für andere Unternehmen bereitgestellt habe, seien keine gute Lösung für Banken. Das habe sich in der letzten Finanzkrise gezeigt. Denn dann blieben die Banken unterkapitalisiert und könnten langfristig ihre Funktion, ausreichend Kredite bereitzustellen, nicht erfüllen.

Konkret schlagen sie vor, über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) 200 Milliarden Euro für Kapitalbeteiligungen an Banken bereitzustellen. Das wäre die Hälfte der derzeitigen Marktkapitalisierung europäischer Banken. Das Geld müsse bereitstehen, bevor es zu einer ernsten Bankenkrise komme. Nach derzeitiger Vertragslage sind die über den ESM für Bankenbeteiligungen einsetzbaren Mittel auf 60 Milliarden Euro begrenzt. Deutlich zu wenig, finden Schularick und Steffen.

Es müsse auch die „erste Verteidigungslinie“ darstellen, also nicht erst eingesetzt werden, wenn die nationalen Regierungen am Ende ihrer Möglichkeiten seien. Denn nach ihrem Urteil war die sich gegenseitig verstärkende Rückkopplung von finanziell ausgebluteten Regierungen und finanziell hilfsbedürftigen Banken die wichtigste Ursache dafür, dass die Bewältigung der letzten Finanzkrise in Europa weniger erfolgreich verlief als in den USA.

Und eine weitere Lehre ziehen sie aus der letzten Krise. Damals habe die Sanierung der US-Banken viel besser geklappt als die der europäischen, auch deshalb, weil die USA auch gesunden Banken Kapitalspritzen aufgenötigt hätten. Auf diese Weise sei vermieden worden, dass Banken, die Kapitalspritzen bekommen, als Pleitekandidaten geoutet werden und kein privates Geld mehr bekommen. Daran solle sich Europa in dieser Krise ein Beispiel nehmen.

Geldpolitik und Finanzpolitik intensivieren

Tommaso Monacelli, Professor an der italienischen Bocconi-Universität hält dagegen, bevor man mit viel öffentlichem Geld wieder einmal die Banken herauspauke, sollten zuerst die künstlichen finanziellen Beschränkungen für die nationalen Regierungen gelockert werden. „Besser wäre es, die Zusammenarbeit von Geldpolitik und Finanzpolitik zu intensivieren, um deutlich zu machen, dass das kein Tabu ist“, schreibt er.

Die EZB sollte ausdrücklich befürworten, dass Regierungen das Geld ausgäben, das nötig sei, um die Krise zu bewältigen, und sich verpflichten, dafür zu sorgen, dass die Finanzmärkte einzelne Regierungen dafür nicht abstraften.

Der IWF-Ökonom Adrian diagnostiziert zwar bereits eine Verteuerung von Krediten für Unternehmen. Er sieht aber vor allem die Geldpolitik gefordert, dem zu begegnen. „Sie können schnell dazu beitragen, die Kreditbedingungen zu lockern, indem sie die Zinsen senken und Liquidität bereitstellen“, erklärt er.

Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze von der Harvard University begrüßte dagegen ausdrücklich den Vorschlag von Schularick und Steffen. „Der Euro-Raum muss anfangen, darüber zu reden, wie man verhindert, dass ein destabilisiertes Bankensystem die wirtschaftliche Agonie noch vertieft und verlängert“, kommentiert er. Denn das würde einen politischen Stress auslösen, den der Währungsraum kaum verkraften könnte.

Zur Frage, ob und wie sich der ESM als Kapitaleigner in die Führung der Banken einbringen sollte, äußern sich Schularick und Steffen nicht. In der letzten Finanzkrise hatte sich die Bundesregierung zwar an Banken beteiligt, auf Stimmrechte aber verzichtet.

Mehr: Anleihehandel kommt fast zum Erliegen – Sorge vor Pleitewelle bei Unternehmen

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