Finanzwirtschaft Was US-Investmentbanken besser machen als die Konkurrenz aus Europa

Institute wie die Deutsche Bank suchen tragfähige Strategien.
Frankfurt Zurück zur alten Form. Das ist das Ziel, das Credit Suisse im Aktiengeschäft ausgegeben hat: „Wir sind im Vollzugsmodus. Wir haben mehr als genug Ressourcen, um wieder unter die Top fünf zu kommen“, sagte Mike Stewart, Chef des Aktienhandels bei der Schweizer Bank, jüngst in einem Interview. Credit Suisse ist in den vergangenen sechs Jahren in dem Geschäft vom dritten auf den siebten Platz abgerutscht. Den Niedergang will Stewart umkehren.
Euphorische Töne gab es Anfang dieses Jahres auch von den Chefs anderer europäischer Investmentbanken, etwa Barclays, die im Anleihehandel mit steigenden Umsätzen rechnen. Auslöser ist die Rückkehr der Volatilität. Stärkere Kursausschläge führen dazu, dass Kunden ihre Investments stärker absichern und mehr Wetten auf künftige Entwicklungen eingehen.
Es soll die lange erhoffte Trendwende werden: Nach Jahren des Schrumpfens sieht die Branche wieder Wachstumschancen – und die Möglichkeit, Konkurrenten Marktanteile abzunehmen. Doch das dürfte vor allem für europäischen Institute, die im Handel und im klassischen Beratungsgeschäft gegenüber der US-Konkurrenz deutlich an Boden verloren haben, in absehbarer Zeit schwierig bis unmöglich werden.
„Wir erwarten, dass die US-Investmentbanken sich wieder einmal besser schlagen als die Europäer“, schreiben Morgan-Stanley-Analysten in Bezug auf das erste Quartal, über dessen Ergebnisse die ersten US-Häuser in einer Woche berichten werden. Die Institute jenseits des Atlantiks profitierten von ihrer starken Position auf dem Heimatmarkt, ihrer Größe, Kapitalausstattung und besser durchdachten Investitionen in Technik. Morgan Stanley geht daher davon aus, dass die US-Banken ihren Umsatz in den ersten drei Monaten um zehn Prozent steigern konnten, während die Wettbewerber auf dem alten Kontinent Einbußen hingenommen haben.
US-Banken haben ihre Bilanzen schneller aufgeräumt
Es ist eine ganze Reihe von Faktoren, die seit der Finanzkrise die Wall Street gestärkt und die Kluft zwischen den Finanzhäusern diesseits und jenseits des Atlantiks vergrößert haben. Die US-Institute haben nach dem Kollaps von Lehman Brothers 2008 ihre Bilanzen schneller aufgeräumt.
Die regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie der frühere Abschied von der ultralockeren Geldpolitik in den USA und ein kräftiger Konjunkturaufschwung, der eher einsetzte, haben ihnen Rückenwind gegeben, sagt Amrit Shahani vom Londoner Analysehaus Coalition. „Die Entwicklungen, die die US-Häuser begünstigt haben, gehen jetzt noch weiter“ – angesichts der Senkung der Körperschaftsteuer und der weiteren Lockerung der Regulierungsauflagen.
Die Wall-Street-Banken hätten sich daher mit diesen Stärken im Rücken ihr breites Produktangebot bewahrt, so der Coalition-Experte, „während Europas Institute sich auf weniger Produkte konzentrieren, die nur zu bestimmten Zeiten gute Erträge bringen“. Das ist eine Folge der strengeren Regulierung und der vielen Einschnitte, Umstrukturierungen und Chefwechsel, mit denen Deutsche Bank & Co. mit Verspätung auf die Nachwehen der Krise reagierten. Die US-Häuser haben sich daher breitgemacht und die Europäer zurückgedrängt – im Handel mit Anleihen ebenso wie im Aktiengeschäft und bei Übernahmen und Fusionen (siehe Grafik).
Die US-Großbanken JP Morgan, Goldman Sachs, Citi, Bank of America und Morgan Stanley dominieren die Ranglisten der Branche. Nach Zahlen von Berenberg haben die US-Institute ihren Umsatzanteil im Investmentbankgeschäft seit 2008 von 50 auf 60 Prozent ausgebaut. Ihre Eigenkapitalrendite lag zuletzt bei 7,5 Prozent, während die Europäer auf gerade mal fünf Prozent kommen. Das geht aus einer Bilanzanalyse von EY hervor.
„Nicht zu unterschätzen ist auch die ständige Unruhe bei der Belegschaft, die immer neue Sparrunden auslösen und das Ausprobieren neuer Strategien, die dann doch schnell wieder verworfen werden“, sagt der Bankanalyst eines unabhängigen Researchhauses. Das habe die Moral der Mitarbeiter bei der Deutschen Bank, Barclays und Credit Suisse beschädigt. „Da wieder die für einen erfolgreichen Kurs notwendige Stabilität in die Teams und Konzentration auf das Geschäft reinzubringen, geht nicht von heute auf morgen.“
Solche Veränderungen brauchen viele Jahre: Um etwa eine Wende im angeschlagenen Investmentbankgeschäft von Barclays herbeizuführen, sei mehr Zeit notwendig als die zwei bis drei Jahre, die vom Management bisher veranschlagt würden, sagt Citigroup-Analyst Andrew Coombs. Beobachter halten es für fraglich, ob sich die Bank angesichts des jüngsten Einstiegs des aktivistischen Investors Edward Bramson mehr Zeit als bisher geplant nehmen wird.
Es sind vor allem die Schwächen von Deutscher Bank, Barclays und Credit Suisse, die US-Institute zu einem Ausbau ihrer Marktanteile etwa im Aktiengeschäft und im Handel mit Anleihen und Devisen verholfen haben. Dennoch gibt es unter den europäischen Banken in einzelnen Marktsegmenten Gewinner – etwa im Handel. Dazu zählen die französischen Banken. „Sie haben ihren Anteil an den globalen Umsätzen stabil gehalten“, schreiben Analysten von Autonomous in einer Studie.
Coalition-Experte Shahani geht noch einen Schritt weiter: Beflügelt von ihrer starken Position in der Heimat im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden, nutzten die Franzosen die daraus erzielten Gewinne, um ihr Produktangebot im Investmentbanking auszubauen.
Schwacher US-Rivale: Goldman Sachs
Spiegelbildlich zu Europa, wo französische Institute dem Niedergang trotzen, gibt es unter den US-Banken einige Institute, die Schwächen zeigen. Dazu gehört etwa Goldman Sachs. Die Investmentbank rangiert im Rohstoffhandel nicht mehr im Spitzentrio. Im abgelaufenen Jahr haben sich JP Morgan, Morgan Stanley und Citi die führenden Plätze im Ranking des Analysehauses Coalition gesichert.
Goldman Sachs kämpft zudem damit, dass der Handel mit Anleihen, Devisen und Rohstoffen – ein Geschäft, das die Bank lange dominierte – an Bedeutung abnimmt. So hatte dieses Segment 2009 nach Angaben von Berenberg-Analysen einen Anteil von 60 Prozent am Umsatz der Investmentbanken, inzwischen sind es 40 Prozent. Der Aktienhandel sowie die Beratung bei Übernahmen und Wertpapierplatzierungen haben mehr Gewicht bekommen. Ihr Umsatzbeitrag ist von jeweils 20 auf 30 Prozent gestiegen.
Selbst wenn Europas Finanzhäuser jetzt die wieder zunehmenden Kursschwankungen im Markt und auch die sich langsam abzeichnende Wende in der Geldpolitik auf dem Kontinent zur einer Aufholjagd nutzen, ist es fraglich, ob sie dadurch profitabler werden. „Historisch betrachtet, haben Investmentbanken die Ausgabenseite in Wachstumsphasen halb so schnell gesteigert wie ihre Umsätze“, heißt es in einer Autonomous-Studie.
Ein harter Konkurrenzkampf, wie er sich derzeit abzeichne, könnte den Banken aber einen Strich durch die Rechnung machen. Die Gewinnprognosen seien angesichts der Kostenstrukturen bei einigen Banken, etwa der Credit Suisse, zu optimistisch.
Einige Bankchefs dämpfen daher auch die Erwartungen. So klagte Colm Kelleher, Präsident bei Morgan Stanley, jüngst: Dass die Volatilität zugenommen habe, sei auf längere Sicht zwar gut, aber die Art der Kursschwankungen, wie man sie derzeit sehe, sei nicht von Vorteil. Sie fällt Experten zufolge teilweise zu heftig aus und führt dazu, dass viele Kunden eher abwarten.
Für Analysten ist klar, dass US-Institute angesichts ihrer Stärken solche Phasen besser überstehen können – ebenso wie den sich abzeichnenden Preiswettbewerb. Es liest sich daher wie eine Kampfansage, was JP-Morgan-Chef Jamie Dimon in dieser Woche in einem Brief an seine Aktionäre ankündigt: Man sehe „fast überall Wachstumschancen“ – in Bereichen, wo die Bank die Nummer eins sei, und selbst in Märkten, wo sich die ganze Branche schwertue.
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