Fintech Scalable Capital will Brokerage-Geschäft deutlich ausbauen

Der Mitgründer und Chef des Münchener Fintechs Scalable Capital will die beiden Geschäftsschwerpunkte Online-Brokerage und digitale Vermögensverwaltung in den nächsten Jahren massiv ausbauen.
Frankfurt Erik Podzuweit denkt groß: Der Mitgründer und Chef des Münchener Fintechs Scalable Capital will die beiden Geschäftsschwerpunkte Online-Brokerage und digitale Vermögensverwaltung in den kommenden Jahren massiv ausbauen. Als Zielgröße nennt er im Gespräch mit dem Handelsblatt 50 bis 100 Milliarden Euro gemanagtes Vermögen in beiden Sparten in fünf Jahren.
Aktuell beträgt das gemanagte Vermögen gut vier Milliarden Euro. In einem nächsten Schritt sollen Anleger in diesem Jahr über den Neobroker auch Derivate und Kryptowährungen handeln können. Dafür holt Podzuweit schlagkräftige Unterstützung an Bord und setzt auf eine neue Finanzierungsrunde.
Am 1. Juni startet der ehemalige langjährige Goldman-Sachs-Manager Dirk Urmoneit als Chefstratege (CSO) und Geschäftsführer bei der jungen Firma. „Dirk Urmoneit hat bei Goldman Sachs und später auch bei JP Morgan den europäischen Derivatehandel mit aufgebaut. Wir sehen ihn als idealen Partner, um unseren Kunden hier ein professionelles Angebot machen zu können“, sagt Podzuweit.
Im Jahr 2016 mit einer digitalen Vermögensverwaltung gestartet, bietet Scalable seinen Kunden mittlerweile neben dem Wertpapierhandel für Selbstentscheider, dem sogenannten Online-Brokerage, über den Vermittler Weltsparen auch einen Zugang zu Tages- und Festgeldangeboten meist ausländischer Banken an. Im vergangenen Jahr war bereits der ehemalige ING-Manager Martin Krebs als Finanzvorstand zum Unternehmen gekommen.
Vor allem das im Sommer 2020 gestartete Online-Brokerage boomt, da viele Menschen während der Coronakrise erstmals ihr Interesse für die Aktienmärkte entdeckt haben. Im Jahr 2020 ist die Zahl der Aktionäre im Land um 2,9 Millionen gestiegen auf knapp 12,4 Millionen. Experten sehen das insbesondere als Reaktion auf die lang anhaltende Phase niedriger Zinsen. Vor allem mehr junge Menschen unter 30 Jahren kauften erstmals Aktien, wie das Deutsche Aktieninstitut feststellt.

Neue Herausforderungen für den ehemaligen Goldman-Sachs-Manager, der jetzt beim Fintech Scalable Capital einsteigt.
Neobroker wie Scalable Capital und Marktführer Trade Republic bieten mit ihren einfach gehaltenen Smartphone-Apps Wertpapierhandel von praktisch überall an. Sie locken Neukunden mit besonders günstigen Gebühren. Scalable Capital etwa bietet im Brokerage mehrere Modelle, unter anderem eine Trading-Flatrate.
„Wir haben inzwischen auf unserer Plattform über eine Viertel Million Kunden und ein Vermögen von über vier Milliarden Euro, davon deutlich über eine Milliarde im Online-Brokerage“, sagt Podzuweit.
Konkurrent Trade Republic, der vor Kurzem eine gigantische Finanzierungsrunde von 900 Millionen Dollar angekündigt hatte, zählt inzwischen über eine Million Kunden mit einem Vermögen von mehr als sechs Milliarden Euro. „Die Finanzierungsrunde zeigt, dass Neobroker keine Eintagsfliege bleiben werden, sondern dass die Geschäftsmodelle nachhaltig sind“, meint Podzuweit.
Europäische Expansion vorantreiben
Scalable Capital will den Rückenwind nutzen. „Investoren haben derzeit ein großes Interesse an den Trading-Apps in Europa. Wir planen daher auch, noch in diesem Jahr frisches Geld aufzunehmen“, sagt Podzuweit. Erst im Sommer 2020 hatte das Unternehmen 50 Millionen Euro von Investoren wie Blackrock, HV Capital, Michael Bloomberg und Tengelmann Ventures eingesammelt.
„Das Geld haben wir bislang nicht benötigt, wollen aber dafür gewappnet sein, die europäische Expansion voranzutreiben“, so Podzuweit. Dazu will Scalable Capital noch in diesem Jahr Länder wie Frankreich, Spanien und Italien ins Visier nehmen.
Und Podzuweit will nicht kleckern: „Wir können uns vorstellen, dass unser verwaltetes Kundenvermögen bis in fünf Jahren auf 50 bis 100 Milliarden Euro angestiegen ist.“ Sein Ziel: Scalable Capital soll eine „vollwertige Investmentplattform“ werden.
Vorbild für Podzuweit ist dabei der US-amerikanische Online-Broker und Vermögensverwalter Charles Schwab. „Nur moderner“ stellt er sich Scalable Capital vor.
Zwei Szenarien
Je nach Marktentwicklung erkennt Podzuweit für die nächsten fünf Jahre zwei Szenarien: In einem ruhigen Marktumfeld mit leicht steigenden Kursen, aber eher geringen Kursschwankungen entwickelt sich normalerweise die Vermögensverwaltung sehr gut.
Dann dürften die Erträge und auch Vermögen jeweils zur Hälfte aus Vermögensverwaltung und Online-Brokerage kommen. Gibt es weiterhin größere Schwankungen an der Börse, dürften die Erträge im Wertpapiergeschäft jedoch zwei Drittel der gesamten Einnahmen ausmachen.
Scalable Capital ist mit den nach eigener Angabe gemanagten drei Milliarden Euro Kundenvermögen Marktführer im Segment der digitalen Vermögensverwaltung, das aktuell auf rund sieben Milliarden Euro geschätzt wird.
Die rund 40 Anbieter am deutschen Markt treten an, mithilfe automatisierter, preiswerter Vermögensverwaltung den klassischen Geldverwaltern Konkurrenz zu machen und Kunden zu gewinnen, deren Kapital bisher auf Konten und Sparbüchern liegt oder in Lebensversicherungen steckt.
Über das Marktpotenzial in Deutschland gehen die Prognosen weit auseinander. Nach einer Phase erster Euphorie nach dem Marktstart im Jahr 2013 hatte sich zunächst Ernüchterung breitgemacht. Denn die Anstrengungen und Kosten, Kunden zu gewinnen, wurden vielfach unterschätzt.
Kooperationen im Blick
Daher setzen Anbieter immer stärker auf Kooperationen mit starken Vertriebsnetzen wie Banken. Scalable etwa arbeitet mit der Direktbank ING zusammen. Optimistische Einschätzungen gestehen dem gesamten Markt in den kommenden fünf Jahren ein Wachstum bis auf über 35 Milliarden Euro zu.
Der Markt dürfte angesichts des Zinsschwunds am Kapitalmarkt in den nächsten Jahren getrieben werden vom Fehlen von Anlagealternativen zu Wertpapieren, meint etwa Kamil Kaczmarski, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman – noch immer liege der Großteil des Kapitals privater Kunden auf Sparkonten. Andere sehen den Markt zunächst in einer Konsolidierungsphase.
Einer möglichen stärkeren Regulierung des Neobroker-Sektors sieht Podzuweit gelassen entgegen. „Wir rechnen nicht damit, dass größere Änderungen an unserem Geschäftsmodell nötig werden“, sagt er.
Zuletzt sind die Neobroker immer wieder in die Kritik geraten. Die Anbieter ermöglichen günstigen Wertpapierhandel, weil sie sich über Rückvergütungen finanzieren, die sie von ihren Handelspartnern für die Weiterleitung von Kundenaufträgen erhalten. Beobachter sehen in diesem sogenannten Payment-for-Orderflow einen Interessenkonflikt. Politisch wird das Thema daher gerade auf EU-Ebene diskutiert.
Podzuweit wiegelt ab: Untersuchungen zeigten immer wieder, dass sich die Preise auf verschiedenen Handelsplätzen während der Xetra-Öffnungszeiten nicht unterscheiden. Zudem könnten Anleger etwa bei Scalable wählen, ob sie über Xetra oder Gettex handelten. „Wer aber früh morgens oder spät abends handeln will, muss jedoch größere Spreads akzeptieren“, räumt er ein. Das sei bei anderen Produkten auch so: Wer eine Milch tagsüber beim Discounter kauft, zahle weniger als nachts beim Späti.
Mehr: Neobroker Trade Republic ist jetzt das wertvollste Start-up in Deutschland
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Auch Scalable Capital lebt von saftigen Gebühren auf das verwaltete Capital. Diese Info sollte nicht fehlen. Ein wenig mehr kritischer Journalismus kann nicht schaden....