Fintechs Gemeinsam stark

Große Fintechs kooperieren jetzt auch untereinander.
Berlin, Frankfurt Wenn von jungen Start-ups aus der Finanzszene die Rede ist, wird gerne die alttestamentliche Geschichte von David und Goliath herangezogen. Wie in der Bibel scheinen auch in der Welt der Finanzen die riesigen Banken scheinbar übermächtig den kleinen Fintechs, wie die Start-ups genannt werden, gegenüberzustehen. Bislang gelingt den Kleinen zwar immer wieder ein Achtungserfolg gegen die Großen. Zu mehr, insbesondere zum Sieg wie in der Bibel, reicht es aber bislang noch nicht.
Doch die Chancen steigen gerade dramatisch. Um im Bild zu bleiben: Mehrere Davids, das heißt einige der größten deutschen Fintechs, verbünden sich – und wollen so die Banken als Goliaths aus dem Feld schlagen. Nach Informationen des Handelsblatts will die Smartphone-Bank N26, neben der Solarisbank das bislang einzige Fintech aus Deutschland mit einer Vollbank-Lizenz, von Montag an mit der größten deutschen Kreditplattform Auxmoney zusammenarbeiten. Und ebendiese Solarisbank beteiligt sich an der Refinanzierung des ebenfalls großen Kreditmarktplatzes Lendico, der Mitte Juli vom britischen Hedgefonds Arrowgrass übernommen wurde. Der Verkauf vom vorherigen Eigentümer Rocket Internet wurde bereits als ein erster, strategisch wichtiger und erfolgreicher Schritt betrachtet.
Die deutsche Fintech-Szene erreicht damit einen neuen Reifegrad, der sich jetzt auch in ihrer Strategie beim Größenwachstum ausdrückt. Anstatt den großen Banken immer Marktanteile abzunehmen, um am Ende mit ihnen zusammenzuarbeiten oder gar von ihnen zu einem hohen Preis übernommen zu werden, sind die Start-ups jetzt mutiger geworden und gleichzeitig groß genug, um unabhängig von den Branchengrößen zu agieren. „Nachdem schon zahlreiche Kooperationen zwischen traditionellen Banken und Fintechs bestehen, denke ich, dass nun auch die Kooperationen zwischen Fintechs zunehmen“, urteilt Friederike Stradtmann von Accenture Strategy. Gemeinsam können die Fintechs umfassendere Services anbieten und deutlich mehr Kunden ansprechen.
Aktuell tummeln sich mehr als 500 Fintechs in Deutschland – mit sehr unterschiedlichen Strategien. Zunächst hatten es die ersten Fintechs auf das Privatkundengeschäft der Banken abgesehen. Hier fürchten laut einer Studie der Berater von PwC mittlerweile beinahe 90 Prozent der etablierten Banken, dass sie Marktanteile an die neuen Wettbewerber verlieren werden. Das war aber nur ein erster Schritt. Die Konkurrenz wird härter. Mittlerweile attackieren die jungen Technologiefirmen die Kreditinstitute verstärkt auch im Firmenkundengeschäft. Die Experten der Beratung SSC kommen angesichts des Trends zu dem Schluss, dass allein den deutschen Geldhäusern hier etwa zehn Prozent ihrer Bruttoerträge verloren gehen könnten. Sie stehen ohnehin unter Druck. Nach Berechnungen von Unternehmensberater Roland Berger sind die Erträge deutscher Banken aus Firmenkundengeschäft seit 2011 von 35 auf 30 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesunken.
Innovative Form der Kreditvergabe
In den nun angekündigten Kooperationen wird sich die im Frühjahr 2016 gegründete Solarisbank an der Refinanzierung des Kreditmarktplatzes Lendico beteiligen. Das ehemalige Rocket-Unternehmen hatte sich parallel ein Funding-Volumen von 250 Millionen Euro gesichert. Ein zweistelliger Millionenbetrag soll dabei auf die Solarisbank entfallen. Die Kredite für kleine und mittlere Unternehmen, die Lendico auf seiner Plattform generiert, nimmt die Solarisbank also teilweise in ihre Bücher. „Mit Lendico können wir ein Fintech unterstützen, das in einem Bereich aktiv ist, der extrem interessant für uns ist“, sagte Solarisbank-Vorstandsmitglied Marko Wenthin. Natürlich habe sich die junge Bank angesehen, wie Lendico die Risiken der Kreditnehmer einschätzt. „In diesem Bereich können sie sicherlich mit vielen traditionellen Banken mehr als mithalten“, lobt Wenthin. Die Kooperation mit Lendico erweitere das Geschäft der Solarisbank um eine innovative Form der Kreditvergabe, urteilt Expertin Stradtmann. Für Clemens Paschke, Gründungsmitglied und Geschäftsführer von Lendico, macht die Kräftebündelung Sinn. „Wir sind erwachsen geworden und machen den nächsten Schritt.“ Und gleichzeitig ist er sich sicher: „Unsere Kooperation wird eine Signalwirkung in der Fintech-Szene haben.“
Mit einer solchen Wirkung rechnen auch N26 und Auxmoney, die bereits vor vier beziehungsweise zehn Jahren gegründet wurden. N26-Gründer Valentin Stalf sieht die Partnerschaft mit Auxmoney als „weiteren Schritt unserer Strategie, traditionelle Bankprodukte vollständig zu digitalisieren“. Zu dieser Strategie gehöre auch, nicht alle Produkte immer selbst zu entwickeln. „Dabei kooperieren wir mit den innovativsten Fintechs und besten traditionellen Anbietern und machen diese unseren Kunden zugänglich“, sagt er.
Zwar hat N26 schon bisher Kredite vergeben, mit Hilfe des Düsseldorfer Kreditmarktplatzes wird das Angebot aber erweitert und richtet sich nun auch an Selbstständige, Freiberufler und Studenten. Auxmoney bezeichnet sich selbst als führenden Kreditmarktplatz in Kontinentaleuropa und hat bereits Kredite mit einem Gesamtvolumen von mehr als 500 Millionen Euro finanziert. Obwohl die Kredite im Hintergrund von Auxmoney vergeben werden, sollen sie „über wenige Klicks direkt in der N26-App komplett digital abschließbar“ sein, schildert Stalf. Die Kreditsumme ist dabei auf 25 000 Euro begrenzt – bei Auxmoney.com sind es 50 000 Euro. Ansonsten sollen die mehr als 300 000 N26-Kunden die gleichen Konditionen bekommen. Auch Auxmoney-CEO Raffael Johnen sieht in der Kooperation einen Trend. „Fintechs vernetzen ihr Angebot über Produktgrenzen hinweg, um mehr Menschen mit noch besseren Angeboten zu erreichen.“
Marktanteil mit viel Platz nach oben
Noch sind die Fintechs allerdings davon entfernt, bei der Kreditvergabe im Vergleich zu den Banken eine wichtige Rolle zu spielen. Was Paschke von Lendico eher als Chance sieht: „Das Potenzial ist riesig.“ Seit Gründung hat Lendico bislang Kredite in Höhe von über 100 Millionen Euro vergeben. Derzeit sind es rund fünf Millionen Euro monatlich. Der durchschnittliche Lendico-Kunde kommt auf einen Umsatz von 2,6 Millionen Euro, nimmt einen Kredit über 120 000 Euro auf und beschäftigt fünf bis zehn Mitarbeiter. Die Kreditgrenze Lendicos liegt hierzulande bei 250 000 Euro. „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden nicht von den klassischen Banken unterstützt, wie man sich das wünschen würde“, bemerkt Solarisbank-Vorstand Wenthin, der auch mal in Diensten der Deutschen Bank stand. „Zusammen mit Lendico wollen wir diese Unternehmen perfekt bedienen“, lautet der Anspruch. Willkommener Nebeneffekt für Lendico: „Mit der Finanzierung von Krediten und den entsprechenden Zinseinnahmen verbreitern wir unseren Ertragsmix“, bemerkt Wenthin.
Bei all der Euphorie tauchen immer wieder Probleme mit den Start-ups auf. Als N26 eine eigene Banklizenz erhielt und vom damaligen Dienstleister Wirecard die Kundenkonten übertragen musste, gab es zahlreiche Probleme und Beschwerden. Vor einem Jahr hatte die Bank zudem rund 500 Kunden das Konto gekündigt, weil diese zu oft Geld abgehoben hätten. N26 verfügt über keine eigenen Geldautomaten. Da kommen Barabhebungen teuer, da die Bank selbst dafür bezahlen muss. Kurz danach sah sich die Smartphone-Bank gezwungen, Gebühren für häufiges Geldabheben einzuführen. Das alles zeigt, die Kooperationen der Fintechs sind zwar ein wichtiger Schritt. Auf dem Weg zum Goliath gilt es jedoch, noch etliche Hindernisse zu überwinden.
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