Fintechs Zinsplattformen geraten im Greensill-Skandal in die Kritik

Zinsplattformen vermittelten Hunderte von Millionen Euro an Spargeldern an die Bremer Bank, gegen die die Aufsicht ein Moratorium verhängt hat.
Frankfurt Die Zinsversprechen waren verlockend – zu verlockend, wie sich jetzt für viele Kunden der Bremer Greensill Bank herausstellt. Am Mittwochnachmittag hat die Finanzaufsicht Bafin dem Institut das Geschäft untersagt und Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bilanzbetrug gestellt. Der Skandal rund um das Geldhaus, das zum Reich des australischen Unternehmens Lex Greensill gehört, setzt Einlagenvermittlungsplattformen wie Weltsparen oder Zinspilot unter Rechtfertigungsdruck.
Denn diese Plattformen haben Hunderte von Millionen Euro von Anlegergeldern an die Greensill Bank vermittelt, die mit vergleichsweise attraktiven Zinsen und der Garantie des deutschen Einlagenschutzes lockte. Auch das Vergleichsportal Check24 hatte Anlageprodukte der Greensill Bank gelistet.
Aus der Bundespolitik kommen nun die ersten Rufe nach einer schärferen Überwachung der Einlagenvermittler. Schon bei seiner nächsten Sitzung soll sich der Finanzausschuss des Bundestags mit dem Thema Greensill beschäftigen, kündigt die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, an. Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz von den Zinsplattformen. Die Unternehmen selbst verteidigen ihr Geschäftsmodell und weisen die Vorwürfe zurück.
Hinter den Zinsplattformen „Weltsparen“ und „Zinspilot“ stehen die Berliner Firma Raisin und die Hamburger Firma Deposit Solutions. Sie vermitteln unter anderem Tagesgeld- und Festgeldanlagen und gehören zu den erfolgreichen deutschen Finanz-Start-ups (kurz Fintechs). Zinsplattformen gelten als eines der wenigen Geschäftsmodelle von Fintechs, die in Deutschland ihren Ursprung haben – was an der Vorliebe der deutschen Verbraucher für Spareinlagen liegen dürfte. Deposit Solutions hat seit der Gründung mehr als 30 Milliarden Euro an Einlagen an rund 70 Banken vermittelt. Raisin wiederum hat 31 Milliarden Euro an Einlagen an gut 100 Geldhäuser geleitet.
„Kleinsparer können durch solche Plattformen schnell den Überblick verlieren. Letztlich wird immer unklarer, wem sie ihr Geld anvertrauen“, warnt die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. Ihr Fazit: „Wenn Geschäftsmodelle möglich werden, die auf der Ahnungslosigkeit der Anleger basieren, müssen wir gesetzlich nachbessern.“ Fabio De Masi, stellvertretender Fraktionschef der Linken, fordert: „Die Anleger müssen vor unseriösen Angeboten besser geschützt werden.“
Ähnlich sieht das Daniel Bayaz, Finanzexperte der Grünen: „Der Fall wirft kein gutes Licht auf einzelne Zinsplattformen. Nach Wirecard wäre das ein weiterer Schlag für unseren Fintech-Standort.“ Jetzt müsse genau überprüft werden, wie effektiv die Regulierung von Online-Einlagevermittlern funktioniere. Dazu gehöre auch der Bereich der Einlagensicherung.
Sparer in die Haftung nehmen
In Deutschland sind die Einlagen privater Sparer neben der gesetzlichen Absicherung von 100.000 Euro zusätzlich durch den Einlagenschutz der Banken abgesichert. Im Fall von Greensill ist dafür der Bundesverband deutscher Banken (BdB) verantwortlich. Linken-Politiker De Masi glaubt, dass Institute mit riskanterem Geschäftsmodell höhere Beiträge in die Absicherungsfonds einzahlen sollten. „Der Verband ist gut beraten, hier strengere Kriterien anzulegen, wenn einzelne Mitglieder uneingeschränkt und unhinterfragt in offenbar breitem Maßstab auf Geschäfte von Einlagenvermittlern setzen“, sagt der Finanzexperte. Höhere Abgaben an die freiwillige Einlagensicherung seien da nur recht und billig.
Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion sieht dagegen die Sparer selbst in der Pflicht: In Deutschland tummelten sich Dutzende kaum bekannte Banken, die mit vergleichsweise attraktiven Zinsen und dem Versprechen des Einlagenschutzes um Gelder von Kunden werben.
Toncar sieht das als einen Fehlanreiz, weil die Sparer gar nicht mehr prüfen müssten, wem sie ihr Geld anvertrauen. Das benachteilige solide geführte Banken mit realistischen Zinsangeboten und gefährde damit auch die Finanzstabilität. Toncar hält die „derzeitige Vollkasko-Versicherung für gefährlich“ und will die Anleger deshalb in die Pflicht nehmen mit einer nach Höhe des Anlagebetrags gestaffelten Selbstbeteiligung im einstelligen Prozentbereich.
Der CDU-Abgeordnete Sepp Müller sieht die Verantwortung ebenfalls erst einmal bei den Sparern. Müller kann „aktuell keine Verfehlungen durch die Einlagenvermittler erkennen“. Wer für sein Geld nach höheren Zinsen suche, müsse sich bewusst sein, dass er damit auch höhere Risiken eingehe.
Ganz so einfach liegt der Fall nach Einschätzung von Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies, nicht. Im Angebot der Zinsplattformen fänden sich nur „sehr wenige renommierte Institute“, moniert Brühl. Häufig handle es sich um Kreditinstitute aus dem ost- oder südeuropäischen Raum, „deren Namen die wenigsten Kunden schon einmal gehört haben dürften“.
Genau deshalb fordern Verbraucherschützer mehr Transparenz von den Einlagenvermittlern. „Die Plattformanbieter machen keinen Unterschied zwischen einzelnen Ländern in der EU bei der Einlagensicherung“, moniert Niels Nauhauser, Experte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Doch ein EU-weit gleicher Einlagenschutz existiert seiner Ansicht nach nur formal. Deshalb sollten die Plattformen, die unterschiedlichen Risiken in ihrer Angebotspalette stärker herausstellen.
Die Anbieter verteidigen sich
Raisin und Deposit Solutions sehen sich nicht in der Pflicht, die Banken, an die sie Einlagen vermitteln, intensiver zu prüfen als bisher. „Wir können und dürfen als Plattform und Vermittler nicht mehr leisten, als es die Aufsicht, die Ratinggesellschaften und die Wirtschaftsprüfer leisten“, heißt es bei Raisin. Die Qualität der Kreditbücher zum Beispiel und das Vorhandensein der Forderungen und deren Absicherung seien Merkmale, „die wir als Dritter nicht prüfen können und dürfen“. Rasin prüfe potenzielle Partnerbanken anhand bestimmter Kriterien, dazu zähle die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Kapitalausstattung, außerdem berücksichtige man das Geschäftsmodell der Bank oder die Eigentümerstruktur.
Raisin betont, dass die Greensill Bank Mitglied der Einlagensicherung des privaten Bankenverbandes BdB gewesen sei, mit entsprechend strikten Anforderungen. Außerdem habe die Bank bis zuletzt über eine gute Bonitätsnote verfügt. Die Ratingagentur Scope hatte die Greensill Bank im Herbst mit BBB+ bewertet, also drei Stufen über Ramschstatus.
Deposit Solutions betont, dass auf dem Portal Zinspilot für jede Bank das Rating des Heimatlandes angegeben werde. Für den Kunden sei nicht das Risiko eines Ausfalls der einzelnen Bank entscheidend, sondern der Ausfall der jeweiligen nationalen Einlagensicherung, und dafür sei das Landerrating der beste Indikator.
Ähnlich hält es das Vergleichsportal Check24. „Wir weisen bei Banken aus Ländern mit geringer Landesbonität deutlich auf diesen Sachverhalt hin.“ Check24 begrenzt zudem die Anlagebeträge, sodass ein Kunde „maximal bis zur Einlagensicherungsgrenze bei einer Bank Einlagen tätigen kann“. Höhere Einzahlungen würden zurückgewiesen.
Mehr: Streit über Krisenbank Greensill: Einlagensicherung hat Bafin früh auf Probleme hingewiesen
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