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Blick auf das Frankfurter Bankenviertel

Der Wettbewerb um Bankkunden wird immer härter.

(Foto: dpa)

Firmenkredite Der unheimliche Schuldenboom der deutschen Banken beunruhigt die Aufseher

Der Kreditmarkt wächst so rasant wie seit langem nicht mehr. Banken buhlen mit Kampfkonditionen um Kunden. Das könnte sich noch rächen.
17.10.2018 - 04:00 Uhr Kommentieren

Frankfurt Es klingt wie eine gute Nachricht: Befeuert von den extrem niedrigen Zinsen, fragen Unternehmen und Privatkunden so häufig Kredite nach wie seit Jahren nicht mehr. Der Bestand an Darlehen wächst so stark wie zuletzt vor der Finanzkrise. Doch diese Kreditbonanza ist nicht jedem geheuer. Viele Experten befürchten, dass sich die Geldhäuser Risiken in die Bücher holen, die sich im Konjunkturabschwung bitter rächen.

Es ist ein Vabanquespiel. Trotz der hohen Kreditnachfrage kämpfen die Geldhäuser mit harten Bandagen um jeden Kunden. „Das Firmenkundengeschäft in Deutschland ist aktuell nicht nur wettbewerbsintensiv, es herrschen Kampfkonditionen“, warnt der Finanzchef der DZ Bank, Cornelius Riese. Das werde aber nicht ewig so weitergehen. „Irgendwann wird es eine Krise geben, in der es zu mehr Firmenpleiten kommt und die Risikokosten bei den Banken steigen werden“, sagt er.

Rieses Eindruck lässt sich mit einem Blick auf Bundesbank-Daten unterlegen: Seit einigen Jahren lockern die deutschen Banken beständig ihre Kreditkonditionen für Unternehmens- und Wohnungsbaukredite, zeigt die „Umfrage zum Kreditgeschäft“, die die Bundesbank jedes Quartal erhebt. Als wichtigsten Grund dafür geben die Institute nicht etwa bessere Konjunkturaussichten oder billigere Refinanzierungsmöglichkeiten an, sondern die Konkurrenz durch andere Banken.

Allein im Juni stieg der Bestand an Unternehmenskrediten gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent, heißt es in einer Studie der unabhängigen Investmentbank FCF Fox Corporate Finance, die dem Handelsblatt in Auszügen exklusiv vorliegt. Das Wachstum lag damit acht Mal so hoch wie der langfristige Durchschnitt seit 2004, der bei 0,8 Prozent liegt – und fast fünf Mal so hoch wie der Durchschnitt seit Anfang 2011.

Das schlägt sich auch in der Gewinnspanne nieder, die die Institute etwa bei Unternehmenskrediten noch erzielen können: „Nahezu jede Bank verfolgt derzeit im Kreditbereich ambitionierte Wachstumsziele, so dass der hohe Wettbewerb deutlich auf die Marge drückt“, sagt Arno Fuchs, Vorstandschef von FCF. Die Margen für Unternehmenskredite lagen im August 2018 bei gerade einmal 1,41 Prozent, zeigt die Auswertung der Investmentbank. Das ist der niedrigste Stand seit der Finanzkrise.

Der Bestand an Firmenkrediten ist, inklusive Darlehen an Selbstständige, mittlerweile auf 1,2 Billionen Euro angeschwollen, hat die Deutsche Bank aus Bundesbank-Daten herauskristallisiert. Das Institut kommt in einer Analyse zu Unternehmenskrediten zu dem Schluss: „Am stärksten drängen momentan die Auslandsbanken und die Landesbanken in die Kreditvergabe – die beide ihr Kreditbuch vor wenigen Jahren noch verkleinert hatten.“

Mit einem Zuwachs des Kreditbestands im zweiten Quartal von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr hätten die Institute damit „bereits ihr höchstes Expansionstempo aus der Zeit vor der Krise überboten“, heißt es in der Studie. Bundesbank-Daten zeigen, dass Institute im Auslandsbesitz ihre „Lehman-Delle“, also den Rückgang im Kreditbestand nach Ausbruch der Finanzkrise, mittlerweile wieder fast gänzlich ausgebügelt haben.

Doch auch inländische Institute sind nicht zimperlich, wenn es um die Eroberung von Marktanteilen geht. Die Commerzbank etwa zählt zu den Häusern, die als besonders aggressive Wettbewerber gelten. Im Herbst 2016 hatte die Bank das Ziel ausgerufen, bis Ende 2020 unter dem Strich 10.000 neue Firmenkunden zu gewinnen und das Kreditvolumen kräftig zu steigern.

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„Wir wollen sehr stark in Deutschland wachsen“, bekräftigte Commerzbank-Bereichsvorstand Jan-Philipp Gillmann vor kurzem bei einem Pressegespräch. Da aber jedes Unternehmen bereits eine oder mehrere Bankverbindungen habe, gehe das nur über Marktanteilsgewinne. „Teilweise muss man das zugegebenermaßen auch über Kampfkonditionen machen“, sagte Gillmann. Hohe Wachstumsraten verzeichnen auf diesem Feld aber auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen, zeigen die Bundesbank-Daten.

Die Banken sollten genau hinsehen, „welche Risiken sie zu welchen Kreditkonditionen eingehen“, warnt Gerold Grasshoff, Leiter der Bankenberatung bei der Boston Consulting Group in Deutschland. „Die schlechtesten Kreditentscheidungen trifft man häufig vor dem Abschwung“, sagt er. In Boom-Zeiten seien die Gewinnmargen im Kreditgeschäft oft sehr gering. Das sei schon in den Jahren 2007 und 2008 der Fall gewesen, also unmittelbar vor dem Ausbruch der Finanzkrise.

Dazu mag beitragen, dass dank niedriger Zinsen kaum ein Unternehmen in die Insolvenz rutscht. Die Risikovorsorge für faule Kredite bezeichnet die Ratingagentur Moody’s in einem Bericht über das deutsche Bankensystem als „abnormal niedrig“. Wann ein Wirtschaftsboom endet, lässt sich schwer prognostizieren. Erste Warnsignale gibt es aber: Wichtige Wirtschaftsinstitute haben die Konjunkturprognosen für Deutschland mittlerweile gestutzt.

Deshalb beobachten auch die Bankenaufseher das stürmische Kreditwachstum mit Unbehagen. „Eine konjunkturelle Schönwetterperiode, wie wir sie aktuell erleben, ist nicht der Normalfall. Das sollten Banken auch bei der Kreditnachfrage berücksichtigen“, sagte vor kurzem der Präsident der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, in einem Handelsblatt-Interview. Sorgen bereiten der Bafin, „dass einige Institute im Kreditgeschäft sehr aggressiv unterwegs sind und dabei offenbar teilweise ihre Kreditvergabestandards lockern“.

Hufeld sorgt sich nicht nur um die laxe Kreditvergabe bei Unternehmenskrediten, auch die Immobilienpreisentwicklung hält er für „beunruhigend“. „Wenn die Preise weiter so steigen und sich auch in ein Übermaß an Kreditwachstum übersetzen würden, könnten wir aktiv sein“, warnt er. Seit zwei Jahren wächst der Bestand an Wohnungsbaudarlehen mit Raten von rund vier Prozent, zeigen Bundesbank-Daten. Mittlerweile haben die ausstehenden Kredite ein Volumen von 1,36 Billionen Euro erreicht. Das wirkt im Vergleich zum Boom bei Unternehmenskrediten zwar beinahe schon bescheiden, doch zuletzt hatte es solche Zuwächse um die Jahrtausendwende gegeben.

Eine Immobilienblase will Banken-Berater Grasshoff bei Hausfinanzierungen dennoch nicht erkennen. In Deutschland gibt es aus seiner Sicht genug strenge Auflagen, die die Banken vor Kreditausfällen in diesem Bereich schützen. Nach Erkenntnissen der Bundesbank schlägt sich der harte Wettbewerb dafür bei den Margen nieder: Seit zwei Jahren machen die Institute laut Bundesbank-Umfrage ihren Privatkunden dort Zugeständnisse. Dabei sind die Gewinnspannen in der Immobilienfinanzierung ohnehin traditionell niedrig. Eine Analyse der Unternehmensberatung Barkow zeigt, dass die Margen seit gut einem Jahr hartnäckig bei weniger als einem Prozent liegen.

Das Immobiliengeschäft kann für Banken aber dann zum Bumerang werden, wenn die Zinsen eines Tages wieder steigen. Gerade Immobilienkredite sind sehr langfristig. Die Spareinlagen, mit denen sich viele Banken gegenfinanzieren, sind dagegen viel kurzfristiger. Steigende Zinsen sorgen bei den Banken also recht schnell für höhere Finanzierungskosten, noch bevor sie an höheren Kreditzinsen mehr verdienen können. Seit Jahren warnen die Bankenaufseher deshalb auch vor den Gefahren steigender Zinsen.

Gut verdienen lässt sich eigentlich nur mit Konsumentenkrediten. Dort pendelt die Gewinnspanne seit mehreren Jahren stabil zwischen fünf und sechs Prozent. Das sind Traumkonditionen. Doch Konsumenten- und Leasingkredite machen laut Moody’s nur etwa ein Fünftel des Kreditgeschäfts im Privatkundensegment aus.

Kein Wunder, dass sich einige Banker deshalb in volumenträchtigeren Bereichen wie dem Firmenkundengeschäft wieder nach alten Zeiten sehnen: „In den Jahren 2011, 2012 und 2013 haben Banken nachhaltig gutes Kreditgeschäft mit vernünftigen Gewinnmargen gemacht – der Markt war normaler“, sagt DZ-Bank-Vorstand Cornelius Riese.

Doch von normalen Zeiten hat sich die Finanzbranche spätestens verabschiedet, seitdem die Europäische Zentralbank vor einigen Jahren mit ihrer außergewöhnlich lockeren Geldpolitik begonnen hat.

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