Firmenkunden Corona bremst das Geschäft der Auslandsbanken – Sparkasse und Genossen sind die großen Gewinner

Easy Money? Auslandsbanken haben in den vergangenen Monaten im deutschen Firmenkundengeschäft an Boden verloren.
Frankfurt Lange haben Auslandsbanken ihre deutschen Wettbewerber im heimischen Firmenkundengeschäft vor sich hergetrieben. Die Corona-Pandemie hat den Ambitionen der internationalen Geldhäuser nun einen deutlichen Dämpfer verpasst. Im wichtigen Firmenkundengeschäft haben die Auslandsbanken innerhalb eines Jahres deutlich an Boden verloren.
Zwischen Juni 2020 und Juni 2021 ist der Kreditbestand ausländischer Institute in Deutschland um 14 Prozent geschrumpft, zeigt eine Auswertung des Schweizer Finanztechnologieunternehmens Teylor und des Research-Hauses Barkow Consulting. Im gleichen Zeitraum legte der Kreditbestand der in Deutschland aktiven Banken insgesamt um 0,9 Prozent zu. Der Kreditbestand steigt, wenn Unternehmen mehr neue Kredite aufnehmen, als sie alte Kredite tilgen oder zurückzahlen. Sinkt der Bestand, dann werden Schulden unter dem Strich abgebaut.
Vor allem Volksbanken und Sparkassen haben ihr ausgereichtes Darlehensvolumen im untersuchten Zeitraum deutlich ausdehnen können: um 10,0 beziehungsweise 4,8 Prozent. „Besonders kleine Unternehmen hatten eine stärkere Neigung, sich möglichst viel Kredit zu sichern, um in Corona-Zeiten auf Nummer sicher zu gehen“, meint Patrick Stäuble, Gründer und Chef von Teylor, dazu. Groß- und Regionalbanken verzeichneten dagegen ein Minus von knapp zwei Prozent beziehungsweise einem Prozent.
Der abrupte Rückgang im vergangenen Jahr setzt einen Schlusspunkt hinter die rasante Aufholjagd, die den ausländischen Kreditinstituten ab 2014 wachsende Marktanteile beschert hatte. Nach einem deutlichen Rückzug während der Finanzkrise 2007 hatten sich die Institute von diesem Zeitpunkt an wieder stärker in Deutschland engagiert. 2019 knackten sie erstmals die Marke von 100 Milliarden Euro an ausstehenden Firmenkrediten.
Auch zu Beginn der Pandemie sah es noch nicht nach einem Rückschlag aus: Selbst in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatten Auslandsbanken ihr Engagement verstärkt und Marktanteile gewonnen. Die Kehrtwende setzte im Herbst 2020 ein.
Seither ist das Volumen der ausstehenden Firmenkredite fast in jedem Quartal weiter geschrumpft: von 123,1 Milliarden Euro im Juni 2020 auf 105,6 Milliarden Euro im Juni dieses Jahres. Der Marktanteil der Institute schrumpfte im gleichen Zeitraum von 12,4 Prozent auf 10,6 Prozent.
Aus Sicht von Teylor-Chef Stäuble ist der rückläufige Trend allerdings nur eine Momentaufnahme: „Die Auslandsbanken haben das Interesse am deutschen Markt nicht grundsätzlich verloren. Aber im vergangenen Jahr spielten KfW-Kredite eine enorm wichtige Rolle – und Auslandsbanken hatten häufig schlicht keinen Zugang zu diesen Darlehen“, sagt er.
KfW-Kredite als Treiber
In normalen Jahren spielt der Zugang zu KfW-Krediten keine entscheidende Rolle. Im Corona-Jahr war das anders, wie die Studie zeigt. Zwischen Februar 2020 und Juni 2021 wuchs der Bestand an Unternehmenskrediten um 47,1 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum reichte die KfW über Banken und Sparkassen Darlehen im Umfang von 51,6 Milliarden Euro aus.
Anders gesagt: An der staatlichen Förderbank führte 2020 kaum ein Weg vorbei. Die KfW vergibt ihre Darlehen nicht direkt an Kunden, sondern lässt sie von Banken und Sparkassen, die bei ihr akkreditiert sind, an deren Kunden durchleiten. Die KfW verschafft den teilnehmenden Banken eine günstige Refinanzierung, schreibt ihnen in der Regel aber vor, welche Marge sie einnehmen dürfen.
Grundsätzlich können auch Auslandsbanken an diesem System teilnehmen. Von den 170 Instituten, die bei der KfW akkreditiert sind, haben 119 Institute ihren Sitz in Deutschland, darunter auch die Spitzeninstitute von Volksbanken und Sparkassen; die übrigen 51 Geldhäuser sitzen im Ausland, haben nur eine Zweigniederlassung in Deutschland (meist „Branch“ genannt).
Für Institute wie die Santander Consumer Bank, deren Mutter die spanische Großbank Santander ist, stellte das keine Hürde dar: Die deutsche Tochter mit Sitz in Mönchengladbach besitzt hierzulande eine Vollbanklizenz. Sein Institut habe gemeinsam mit anderen Banken die eigenen Firmenkunden mit den in der Pandemie wichtigen KfW-Krediten versorgt, sagt Firmenkundenchef Peter Stindt. „Hier mussten manche Auslandsbanken, die hierzulande lediglich mit Zweigstellen vertreten sind, passen. Santander konnte das als in Deutschland verwurzelte Bank leisten“, so Stindt.
Tatsächlich können Zweigniederlassungen keine KfW-Lizenz erhalten. Das dürfte der Grund dafür sein, dass der Kreditbestand ausländischer Zweigstellen um ganze 27 Prozent einbrach, während das Minus bei deutschen Tochtergesellschaften von Auslandsbanken, die über eine deutsche Banklizenz verfügen, nur vergleichsweise moderat um knapp fünf Prozent schrumpfte.
Zwischen den Auslandsinstituten gibt es aber Unterschiede. Bei Santander ist der Kreditbestand nach Aussagen von Stindt „in der Corona-Pandemie gleich geblieben“. Santander wolle im Geschäft mit deutschen Unternehmen weiter wachsen, dazu zähle auch eine verlässliche Versorgung mit Krediten, sagt Stindt. „Wir fühlen uns sehr wohl im deutschen Markt.“
Auch der deutsche Ableger der französischen Großbank BNP betont sein Engagement. „Der Kreditbestand hat sich 2020 zunächst deutlich erhöht. Im vierten Quartal und 2021 hat sich der Kreditbestand auf diesem höheren Niveau stabilisiert“, erklärt Firmenkundenexpertin Liane Santenero.
Ähnlich äußert sich die Tochter der niederländischen Großbank ING. „Wir haben unsere Kreditvergabe auch in der Corona-Pandemie nicht eingeschränkt. Zwischen dem Juni 2020 und dem Juni 2021 ist unser Kreditbestand minimal gewachsen“, sagt Firmenkundenchef Joachim von Schorlemer. „Vor allem im ersten Quartal 2021 haben wir viele Kredite neu ausgereicht.“
Schorlemer stellt sich auf weiteres Wachstum ein. „Wir haben weiterhin die Ambition, unsere Position im deutschen Firmenkundengeschäft auszubauen“, sagt er. Kredite seien hierfür nach wie vor ein wichtiges Einstiegsprodukt.
Zu Beginn der Coronakrise 2020 hätten sich viele Unternehmen mit Neu- und Ersatzinvestitionen zurückgehalten, daher sei die Kreditnachfrage in Deutschland in der Summe gesunken, erklärt der Vorstand. Doch nun ziehe die Aktivität wieder an. „Die Wirtschaft ist noch nicht über den Berg. Aber die Furcht vor weiteren Corona-Wellen oder einem erneuten Lockdown fällt niedriger aus als noch im vergangenen Herbst.“
Von Rückzugsplänen ist auch bei JP Morgan wenig zu spüren: Das Institut kündigte erst diesen Mai an, das Geschäft mit großen deutschen Mittelständlern auszubauen und dafür auch neue Mitarbeiter einzustellen.
So entschlossen wie etwa Santander oder ING agieren aber längst nicht alle Auslandsinstitute. Schließlich schmolz der Kreditbestand der nicht-deutschen Institute auch in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres weiter ab, obwohl KfW-Kredite zu diesem Zeitpunkt keine dominierende Rolle mehr spielten:
„Die Kreditnachfrage der Unternehmen blieb konstant. Die Nachfrage der Unternehmen nach im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme gewährten Krediten mit staatlichen Garantien ging im ersten Halbjahr 2021 dagegen deutlich zurück“, konstatierte die Bundesbank in ihrer jüngsten Kreditumfrage Credit Lending Survey.
„Trotz des geringeren Wettbewerbs durch die Corona-Kredite agieren die Auslandsbanken derzeit noch immer verhalten“, erläutert Teylor-Chef Stäuble. Viele fokussierten sich auf den Heimatmarkt. Hinzu kämen die wieder steigenden Corona-Fallzahlen, die viele Banken vorsichtig machten. „Wir gehen davon aus, dass die Auslandsbanken erst im kommenden Jahr wieder versuchen werden, Marktanteile zu gewinnen“, sagt er.
Wachsende Vorsicht bei den Banken
Eine wachsende Vorsicht unter Banken beobachtet auch Arno Fuchs, Chef des Finanzierungsspezialisten FCF Fox Corporate Finance. „Grundsätzlich ist das Kreditangebot am Markt unverändert hoch“, sagt er. Das liege auch an den besonders attraktiven Konditionen der EZB für ihre langfristigen, zielgerichteten Kredite für die Banken. „Aber in einigen Bereichen werden die Banken restriktiver und selektiver“, beobachtet Fuchs.
Das gilt nach seiner Beobachtung vor allem für Firmen mit schlechterer Bonität, etwa weil sie in Relation zu ihren operativen Gewinnen höher verschuldet sind. „Am deutlichsten ist das in zyklischen Branchen wie der Automobilindustrie und dem Anlagenbau zu sehen.“ Die Zurückhaltung äußere sich in kürzeren Kreditlaufzeiten, höheren Sicherheiten und enger gefassten Kreditschutzklauseln. „Wir kennen Fälle, in denen Banken versucht haben, die Kreditlaufzeiten von fünf auf drei Jahre zu drücken“, so Fuchs.
In Finanzkreisen heißt es, die britische Großbank HSBC sei nach einer forschen Expansionsphase wieder vorsichtiger geworden. Von einem Rückzug aus dem deutschen Markt will Vorstandschef Nicolo Salsano im Gespräch mit dem Handelsblatt aber nichts wissen. „Die HSBC hat ihre Kunden auch im Corona-Krisenjahr sehr gut mit Liquidität versorgt“, so Salsano. „Wir verzeichnen in der Summe nahezu keinen Rückgang bei der Kreditvergabe an unsere Mittelstands- und Großkunden.“
Laut Bankkreisen ist der Kreditbestand der HSBC bis Juni 2021 um rund zwei Prozent geschrumpft – nach einer sehr hohen Kreditnachfrage in den ersten Monaten 2020, als die Pandemie in Deutschland ankam. „Die Kreditnachfrage unserer Firmenkunden hat sich normalisiert“, sagt Salsano dazu.
Manche Konkurrenten beobachten bei HSBC mittlerweile eine große Zurückhaltung bei Engagements im Automobilbereich. In Kreisen der Bank spricht man eher von einer verbesserten Risikostruktur des eigenen Portfolios – und das trotz der Verwerfungen der Coronakrise.
Das Verhalten der Auslandsbanken in Krisenzeiten wird von heimischen Konkurrenten und deutschen Unternehmen genau beobachtet. Schließlich ließen einige nicht-deutsche Institute ihre Kunden während der Finanzkrise 2007 im Stich. Der Reputation internationaler Institute hat das geschadet.
Aus Sicht von Teylor-Chef Stäuble wird die Delle bei den Auslandsbanken ein vorübergehendes Phänomen bleiben: „Konditionen und schnelle Prozesse sind letztlich wichtiger als eine langfristige Kundenbeziehung. Vielleicht erinnern sich die Unternehmen noch in den nächsten zwölf Monaten daran, wer sie in der Krise finanziert hat. Aber mittelfristig gilt das nicht mehr“, sagt er.
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