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Führungswechsel bei Großbank Mustier verlässt Unicredit – Abgang sorgt für Spekulationen

Nach dem Rücktritt von Vorstandschef Jean Pierre Mustier sorgen sich die Investoren um die künftige Strategie der italienischen Großbank.
01.12.2020 - 19:23 Uhr Kommentieren
Nach einem Streit über die Strategie sucht die italienische Großbank einen neuen Vorstandschef. Schon am Donnerstag könnte eine Entscheidung fallen. Quelle: AP
Der scheidende Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier

Nach einem Streit über die Strategie sucht die italienische Großbank einen neuen Vorstandschef. Schon am Donnerstag könnte eine Entscheidung fallen.

(Foto: AP)

Rom, München In der italienischen Finanzszene ist Jean Pierre Mustier, der scheidende Chef der Großbank Unicredit, unter dem Spitznamen „Mr. Kein Kreditrisiko“ bekannt. Der Grund: Wie ein Mantra wiederholte der französische Manager, dass er kein Interesse an Zukäufen und Fusionen hat. Egal, ob über Pläne im Ausland spekuliert wurde – zum Beispiel den Kauf der Commerzbank – oder über die Übernahme der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi, Mustier dementierte jedes Marktgerücht.

Er wolle den Transformationsprozess seiner „paneuropäischen“ Bank fortsetzen und die Aktionäre mit höheren Dividenden und Aktienrückkäufen locken. Das waren die Kernpunkte seiner Strategie „Team 23“ nach dem harten Sparkurs der letzten vier Jahre.

Schwierig wurde dieser Kurs, als die Coronakrise zuschlug. Wie bei allen europäischen Banken schoss die Risikovorsorge deutlich in die Höhe, dazu kam das Dividendenverbot der Europäischen Zentralbank.

Jetzt verlässt Mustier seinen Posten Knall auf Fall. In seiner Rücktrittserklärung vom Montagabend sprach er die Differenzen mit dem Verwaltungsrat offen an. Seine Vorstellungen zur Strategie passten nicht mit denen des Kontrollgremiums zusammen.

Mustier will bis zur Hauptversammlung im April bleiben, wenn der gesamte Verwaltungsrat erneuert wird, oder zumindest, „bis ein Nachfolger benannt ist“. Das kann schon in dieser Woche der Fall sein, wenn der Verwaltungsrat am Donnerstag zusammentritt. Namen zirkulieren bereits, und auffällig ist, dass sich nur Italiener unter den Kandidaten finden.

Der Rücktritt Mustiers kam zwar schnell, aber nicht völlig überraschend. Seit Wochen wurde darüber in Italien spekuliert. „Der Dissens war offenkundig“, meint der Ökonom Marcello Messori von der römischen Wirtschaftsuniversität Luiss. „Der Markt war nicht überrascht“, meint auch sein Kollege Stefano Caselli von der Universität Bocconi in Mailand, „das musste jetzt passieren.“

Spekulationen über Druck der Regierung

Breit spekuliert wird in Italien über den offenkundigen Druck der Regierung auf Unicredit, die verstaatlichte Krisenbank Monte dei Paschi zu übernehmen, die nach einem Abkommen mit der EU bis Ende des kommenden Jahres reprivatisiert werden muss. Aufhorchen ließ, dass die Regierung in den Haushalt 2021 eigens eine Kapitalspritze von zwei Milliarden Euro einstellte, um die Bank aus Siena „aufzuhübschen“. Der Kurs von Monte dei Paschi stieg denn auch an der Mailänder Börse.

Für dieses Jahr strebt Unicredit einen Gewinn von knapp einer Milliarde Euro an. Quelle: Reuters
Unicredit-Tower in Mailand

Für dieses Jahr strebt Unicredit einen Gewinn von knapp einer Milliarde Euro an.

(Foto: Reuters)

Bankenexperte Caselli hält Mustiers Hartleibigkeit in Sachen Monte dei Paschi nur für den unmittelbaren Auslöser der Trennung. Der Wechsel wäre so oder so gekommen, meint er. „Nach seinem Start als außerordentlicher Manager, der unter anderem eine historische, lehrbuchhafte Kapitalerhöhung von 13 Milliarden Euro hinbekommen hat, gab es zuletzt viele Fragezeichen zum strikten Sparkurs“, argumentiert Caselli.

Der Verkauf von Töchtern wie dem Fondsableger Pioneer oder den Beteiligungen in der Türkei und in Polen sei hinnehmbar gewesen, der Abschied von der Finecobank habe aber Fragen aufgeworfen, „denn das ist ein Juwel“. Unicredit hatte sich 2019 endgültig von der Beteiligung getrennt, um die eigene Kapitalbasis zu stärken.

Die Investoren reagieren schockiert

An der Börse kam der Rücktritt nicht gut an. Die Unicredit-Aktie verzeichnete nach dem Minus von fünf Prozent am Montag auch am Dienstag einen Einbruch. Der Kurs gab in Mailand um bis zu acht Prozent nach. Angesichts des „Erfolgs des Sanierungsprozesses der Bank in den vergangenen vier Jahren” sei der Rücktritt Mustiers keine gute Nachricht für die Märkte, meinen die Analysten von Mediobanca Securities. Ein Wechsel der Strategie könne nicht optimal sein.

Nach Mustiers Vorstellungen sollte der Nettogewinn der Bank bis 2023 auf fünf Milliarden Euro steigen, Tausende Jobs sollten gestrichen und Filialen geschlossen werden. Für dieses Jahr strebt Unicredit einen Gewinn von knapp einer Milliarde Euro an. Der Chefwechsel mache nun den Weg frei zu einer Expansion im Inland, schreiben die Experten von JP Morgan.

Sein Ministerium ist mit 68 Prozent der Mehrheitsaktionär von Monte dei Paschi. Quelle: via REUTERS
Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri

Sein Ministerium ist mit 68 Prozent der Mehrheitsaktionär von Monte dei Paschi.

(Foto: via REUTERS)

Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri wollte die Übernahmegerüchte rund um Monte dei Paschi nicht kommentieren. Das Ministerium ist mit 68 Prozent der Mehrheitsaktionär der ältesten Bank der Welt. Nach einer Analyse der Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods braucht die italienische Regierung sobald wie möglich einen Käufer für Monte dei Paschi, weil zum einen Ende Januar neue Stresstests der europäischen Bankenaufsicht Eba anstehen, zum anderen drohe eine Verletzung der Kapitalanforderungen nach dem sogenannten Amco-Geschäft.

Juristische Probleme bei Monte dei Paschi

Damit ist der vor Kurzem über die Bühne gegangene Verkauf eines Pakets von faulen Krediten an die staatliche Auffanggesellschaft Amco gemeint. Dabei gingen nicht nur 8,1 Milliarden Euro an wertgeminderten Darlehen an die nationale „Bad Bank“, sondern auch andere Bilanzposten, darunter 1,1 Milliarden Euro an Kapital.

Ein weiterer Grund für die Suche nach einem Käufer sind nach Meinung der Analysten die juristischen Probleme von Monte dei Paschi. So wurden vor Kurzem zwei ehemalige Spitzenmanager, darunter ausgerechnet ein Vorvorgänger Mustiers bei Unicredit, Alessandro Profumo, in erster Instanz zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wegen Aktienmanipulation und falscher Unternehmenskommunikation. Die Manager sind in Berufung gegangen.

Bei der deutschen Tochter Hypovereinsbank (HVB) verfolgt man die Entwicklungen in der Zentrale mit gespannter Erwartung. Seit mehr als 15 Jahren gehört die HVB inzwischen Unicredit. Die Verbindung ist über die Jahre sehr eng geworden. Die Strategie der HVB war in die von Mustier fest eingebettet, zuletzt zu sehen beim Mehrjahresplan „Team 23“. „Bei Mustier wussten wir, dass er für einen harten, aber planbaren Sparkurs steht“, heißt es aus dem Aufsichtsrat der HVB.

Nachfolge könnte schnell geregelt sein

Bankenexperte Caselli geht davon aus, dass der Verwaltungsrat jetzt schnell einen Nachfolger für Mustier benennt. Das Gremium unter der künftigen Leitung des ehemaligen Wirtschafts- und Finanzministers Pier Carlo Padoan trage eine große Verantwortung. „Es geht um das künftige Geschäftsmodell der Bank, ganz abgesehen davon, ob die Übernahme von Monte dei Paschi zustande kommt“, meint Ökonom Messori.

In Rom werden bereits Nachfolger für Mustier gehandelt. Genannt werden Matteo Del Fante, der Vorstandschef von Poste Italiane, Bernardo Mingrone, Finanzchef der auf Zahlungsdienste spezialisierten Bank Nexi, Fabio Gallia, General Manager des Schiffbaukonzerns Fincantieri, und auch Victor Massiah, der ehemalige Vorstandschef der Bank UBI Banca. Sogar Marco Morelli, dem gerade erst ausgeschiedenen Chef von Monte dei Paschi werden Chancen eingeräumt.

Dem Ex-Chef von Monte dei Paschi werden Chancen auf die Mustier-Nachfolge eingeräumt. Quelle: AFP
Marco Morelli

Dem Ex-Chef von Monte dei Paschi werden Chancen auf die Mustier-Nachfolge eingeräumt.

(Foto: AFP)

Italienzentriert oder paneuropäisch – das ist die Schlüsselfrage für die Zukunft von Unicredit. Die künftige Auslandsstrategie wird auch in München diskutiert. Die HVB war in der Mailänder Zentrale vor allem deswegen gut gelitten, weil sie über Jahre hinweg verlässlich gute Zahlen lieferte. Das ist zwar auch in Zeiten von Corona im Prinzip so geblieben.

In den Zahlen für das erste Halbjahr zeigten sich jedoch auch einige Schwächen. Das Ergebnis vor Steuern war im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 677 Millionen Euro auf immer noch gute 496 Millionen Euro gefallen. Das Handelsergebnis – jahrelang ein wichtiger Ertragsbringer der Bank – ging deutlich zurück. Begründet wurde dies mit „Marktturbulenzen im Umfeld der Corona-Pandemie und damit auftretende Bewertungsabschläge“.

Dagegen zeigen sich im Privat- und Firmenkundengeschäft Erfolge der Strategie Mustiers. Seit dem Start des neuen Firmenkundenvorstands Markus Beumer Ende 2018 treibt die Bank den Ausbau des Geschäfts mit kleinen und mittelständischen Unternehmen voran. In eine ähnliche Richtung soll der Ausbau des Privatkundengeschäfts mit Vermögenden gehen.

Gerüchte über Commerzbank-Fusion

Vor einem Jahr hat die Bank dafür mit Carsten Kahl einen international erfahrenen Banker zum Leiter des Bereichs Wealth Management and Private Banking gemacht. „Wer auch immer in Mailand übernimmt, er findet ein bestelltes Haus vor“, heißt es in München.

An der Vorstandsspitze der HVB ist ohnehin keine Veränderung zu erwarten. Der Vertrag von Michael Diederich wurde erst im Oktober um drei Jahre verlängert und läuft bis Ende 2024. Dass zur neuen Strategie auch die Expansion über eine Übernahme in Deutschland gehören könnte, hält man in München für unwahrscheinlich.

Immer wieder kursieren Gerüchte über einen möglichen Zusammenschluss zwischen der Hypovereinsbank und der Commerzbank. „Wir brauchen keine große Übernahme, um unser Geschäft weiterzubetreiben“, meinte Vorstandschef Diederich, als die Spekulationen vor rund anderthalb Jahren wieder einmal konkreter wurden. Daran habe sich auch jetzt nichts geändert, heißt es aus seinem Umfeld.

Stattdessen dürfte die Diskussion zurückkehren, welche Rolle die HVB langfristig in der Unicredit-Gruppe spielen soll. Im vergangenen Jahr gab es Gerüchte, die Großbank könne ihr außeritalienisches Geschäft von München aus führen, um sich so günstiger refinanzieren zu können. Mustier dementierte damals. Und auch in Italien stieß die Idee auf herbe Kritik.

Mehr: Der abrupte Abgang des Unicredit-Chefs ist ein Alarmsignal

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