Fusionen und Übernahmen Konzerne verkaufen wieder mehr Geschäftsbereiche

2020 wurde das Aufzugsgeschäft von Thyssen-Krupp im Wert von 18,8 Milliarden Dollar verkauft.
Frankfurt Weltweit trennen sich Konzerne von immer größeren Unternehmenseinheiten. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres hat sich das sogenannte Desinvestitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weltweit mehr als verdoppelt, wie eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft EY zeigt.
Die Manager veräußerten zwischen Januar und Mai Unternehmensteile im Wert von 828 Milliarden Dollar, was einem Plus von gut 123 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Die Anzahl der Verkäufe stieg dagegen nur leicht auf 3164 Transaktionen.
Während vor allem in den USA und China die Konzerne verschlankt wurden, hielten sich die Konzernlenker in Deutschland bei den Desinvestitionen in den vergangenen Monaten zurück. Bei nur noch 66 Verkäufen (Vorjahreszeitraum: 103) erzielten die Konzerne ein Gesamtvolumen von knapp acht Milliarden Dollar, entsprechend einem Minus von 70 Prozent.
Allerdings entfiel in die Vergleichszeit 2020 auch der Verkauf des Thyssen-Krupp-Aufzuggeschäfts im Wert von 18,8 Milliarden Dollar. In den USA war das Geschehen auch deshalb lebhafter, weil man dort viele Transaktionen im Technologie- und Healthcare-Sektor gesehen hat. Diese Sektoren sind in Deutschland generell etwas unterrepräsentiert.
„In Deutschland verhinderte der flächendeckende Lockdown eine stärkere Aktivität im Transaktionsmarkt, die Vorstände legten eine Pause ein. Aber mit zunehmender Planungssicherheit erwarten wir eine Aufholjagd der deutschen Unternehmen im zweiten Halbjahr“, sagt Daniel Riegler, Leiter des Bereichs Sell & Separates in Europa bei EY. Megatrends wie Digitalisierung, Elektromobilität, Klimawandel und Ressourcenknappheit veranlassten viele große Unternehmen, ihr Portfolio zu überprüfen.
Abspaltungen bei Continental, Deutsche Telekom und Daimler
In den kommenden sechs Monaten rechne man mit zwei bis drei Transaktionen in Deutschland, bei denen das Volumen jeweils über drei Milliarden Euro liegen sollte. „Vor allem die Bereiche Automotive, Life Science und Technologie stehen im Fokus“, ergänzt Riegler.
Branchenbeobachter rechnen mit der Abspaltung der Antriebstechnik Vitesco beim Kfz-Zulieferer Continental, mit der Abgabe des Funkmastengeschäfts bei der Deutschen Telekom und der Abtrennung der Truck-Sparte beim Autobauer Daimler.
Die Automobilindustrie stehe vor der Herkulesaufgabe, sich neu zu erfinden. Der Verkauf von Unternehmensteilen werde dabei ein Mittel sein, um den Umbau des eigenen Geschäftsmodells voranzutreiben, prognostiziert Riegler. Auf der Käuferseite stehen oftmals internationale Unternehmen und Private-Equity-Häuser. „Die Finanzinvestoren haben sich in den vergangenen Jahren immer breiter aufgestellt, deshalb nehmen die Transaktionen sowohl zahlen- als auch volumenmäßig kontinuierlich zu“, sagt ein Investmentbanker.
Im Gesamtjahr 2020 waren die Desinvestitionen in wichtigen Märkten weltweit pandemiebedingt gesunken. So trennten sich die Konzerne von Unternehmensteilen im Gesamtwert von 1,3 Billionen Dollar nach 1,6 Billionen im Jahr zuvor. Bei den jetzt wieder anziehenden Teilverkäufen spielen auch ökologische, soziale und Aspekte einer guten Unternehmensführung – abgekürzt ESG – eine Rolle.
Manager von Desinvestitionen enttäuscht
„Die ESG-Kriterien werden zunehmend ein Treiber für Abspaltungen und Ausgliederungen. In China spielt das Thema schon bei 84 Prozent der Transaktionen eine Rolle, in den USA sind es erst 14 Prozent“, sagt Riegler.
Ein Großteil der Topmanager, die für die Studie befragt wurden, hat sich von den getätigten Desinvestitionen mehr versprochen. Viele Vorstände seien nach den Transaktionen enttäuscht, weil die Bewertung des verbleibenden Kerngeschäfts nicht höher ausfalle. Die Beurteilung durch den Markt sei oftmals nicht so, wie von den Investmentbanken versprochen worden war. „Die notwendige Zeit und Komplexität bei Desinvestitionen und Carve-outs wird unterschätzt, die Kosten sind höher als zunächst angenommen“, sagt Riegler.
Der Verkauf von Unternehmensteilen ist laut EY in der Regel so ressourcenintensiv, dass Führungskräfte nur noch wenig Spielraum haben, um sich um andere Aufgaben zu kümmern – mit der Folge, dass Strategieüberlegungen für das verbleibende Geschäft auf der Strecke bleiben. Viele Probleme entstehen aber auch durch schlechtes Timing: Gut drei Viertel der Manager geben im Nachhinein zu, dass sie sich zu spät von Unternehmensteilen getrennt haben.
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