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Geldanlage Warum Strafzinsen aufs Tagesgeld erlaubt sind – und bei Girokonten nicht

Die Volksbank Reutlingen hatte vor einem Jahr die Grundlage dazu gelegt, Strafzinsen von ihren Kunden zu kassieren. Ein neues Urteil untersagt ihr das für Girokonten.
07.06.2018 - 10:33 Uhr Kommentieren
Negativzinsen auf Girokonten sind nicht zulässig Quelle: dpa
Volksbank Reutlingen

Die Genossenschaftsbank hatte sich vorbehalten, auch auf Girokonten Strafzinsen zu berechnen. Aus einer Gerichtsentscheidung geht hervor, dass das nicht erlaubt ist.

(Foto: dpa)

Frankfurt Vor einem Jahr gewann die Debatte über Strafzinsen für private Kunden an Fahrt. Damals war bekannt geworden, dass die Volksbank Reutlingen laut Preisaushang negative Zinsen für Guthaben auf bestimmten Konten veranschlagt hatte: Bei Girokonten sollten Minuszinsen von 0,5 Prozent schon ab dem ersten Euro gelten, bei Tagesgeldkonten ab 10.000 Euro.

Zwar hatten etliche Banken zuvor schon Strafzinsen eingeführt, allerdings immer erst ab sehr viel höheren Schwellen, meist ab 100.000 Euro oder ab 500.000 Euro. Andere Geldhäuser begannen damit, für ein Tagesgeldkonto ein monatliches Entgelt zu verlangen.

Im Fall der Volksbank Reutlingen ging es um eine Grundsatzfrage. Denn tatsächlich erhoben hat sie die Strafzinsen gar nicht. Das Geldhaus wollte nur „die formalen, vertraglichen Voraussetzungen“ dafür schaffen. Die Einführung von Negativzinsen beziehe sich nur auf Kontoneueröffnungen, so die Volksbank vor einem Jahr.

Trotzdem gab es auch darauf deutliche Reaktionen, Verbraucherschützer wollten Klarheit. Jetzt wurde eine weitere Gerichtsentscheidung bekannt: Kreditinstitute dürfen auf Guthaben bei Girokonten keine Strafzinsen erheben.

Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Tübingen hervor (Az. O 225/17). Zuvor hatten sich die Volksbank und die klagende Verbraucherzentrale Sachsen in einem Gerichtstermin Ende April geeinigt. Und die Volksbank hatte mit Blick auf die Negativzinsen eine Unterlassungserklärung abgegeben.

In der Entscheidung erklärt das Gericht, warum der Antrag auf Unterlassung so oder so Erfolg gehabt hätte. Dort heißt es: In einem Nebeneinander von Kontoführungsgebühren für das Girokonto und einem Entgelt von 0,5 Prozent im Jahr für die Verwahrung von Einlagen liege „eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden“.

Die Verbraucherzentrale Sachsen zeigt sich erfreut über das Urteil: „Die Entscheidung des Gerichts ist auch deshalb gut und wichtig, weil sie der in unterschiedlicher Ausprägung am Markt zu beobachtenden ‚kreativen‘ Zins- und Entgeltgestaltung einiger Banken Schranken aufzeigt“, sagt Kerstin Schultz, Teamleiterin beim Marktwächter Finanzen, einer Art Frühwarnsystem der Verbraucherschützer, das bei der Verbraucherzentrale Sachsen angegliedert ist. Man habe auch mit Blick auf potenziell mögliche Nachahmungen weiterer Kreditinstitute handeln müssen.

Anfang des Jahres hatte das Landgericht Tübingen bereits über den Negativzins auf das Tagesgeld entschieden. Demnach dürfen Banken ihren privaten Kunden für bestehende Verträge keine Minuszinsen auferlegen. „Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann nicht nachträglich bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank eine Entgeltpflicht für den Kunden eingeführt werden, die es weder im Darlehensrecht noch beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gibt“, so das Gericht (Az. 4 O 187/17).

Die Tübinger Richter haben sich damit allerdings nur zu Altverträgen geäußert. Wenn Geldhäuser mit Kunden neue Verträge abschließen, können sie darin auch Negativzinsen veranschlagen.

Eine Unterlassungserklärung wie sie die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg von der Volksbank Reutlingen verlangt hatte, hatte das Institut nicht unterschrieben. Zwar strich die Genossenschaftsbank die Klausel zum Negativzins wieder und wendete sie auch nie an, doch sie wollte sich nicht verpflichten, „auch bei Neuverträgen niemals Negativzinsen zu vereinbaren oder zu erheben“.

Insgesamt hat nur ein Bruchteil der Banken in Deutschland überhaupt Strafzinsen für private Kunden angesetzt – seit vergangenem Jahr ist die Tendenz zudem gleichbleibend. Eine Übersicht des Preisvergleichsportals Verivox zeigt, dass derzeit mindestens acht Geldhäuser ab einer bestimmten Summe einen solchen Negativzins berechnen. Und zwar jeweils in Höhe von 0,4 Prozent. Bei einigen weiteren Banken ist sich Verivox nicht sicher, ob diese den Negativzins noch ansetzen, weil die Angabe im Internet nicht zu finden ist.

„Negativzinsen für Privatkunden bleiben aber die absolute Ausnahme“, konstatiert Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox Finanzvergleich. Ein Grund dafür aus seiner Sicht: „Die Geldhäuser scheuen das negative Echo in der öffentlichen Wahrnehmung.“ Die Banken selbst sprechen ohnehin meist lieber von „Verwahrentgelt“.

Sechs weitere Geldhäuser verlangen zudem unter Umständen Gebühren für das Tagesgeldkonto. Die VR Bank Kitzingen beispielsweise berechnet schon ab dem ersten Euro eine Gebühr von drei Euro im Monat. Auffällig ist: Fast alle Banken in der Verivox-Liste gehören dem genossenschaftlichen Sektor an.

Die Kreditinstitute reichen so einen Teil des Strafzinses weiter, den die Europäische Zentralbank (EZB) ihrerseits von Geschäftsbanken verlangt. Die Notenbank berechnet einen Minuszins von 0,4 Prozent, wenn Geschäftsbanken bei ihr über Nacht Geld parken. Unternehmen, Profi-Investoren und Kommunen mit hohen Einlagen müssen deshalb bei sehr vielen Kreditinstituten bereits Strafzinsen berappen.

Es gibt aber auch Geldhäuser, die wieder Abstand vom Strafzins genommen haben: Die Hamburger Volksbank berechnet keine Negativzinsen mehr für Einlagen von mehr als 500.000 Euro, wie jetzt bekannt wurde.

Anders die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee. Die kleine Genossenschaftsbank hatte im Sommer 2016 für Aufsehen gesorgt, weil damals bekannt wurde, dass sie für Beträge von mehr als 100.000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein Verwahrentgelt von 0,4 Prozent erhebt.

Über das Geldhaus, das auch etliche vermögende Kunden hat, wurde zwar bundesweit berichtet, aber: „Die Maßnahme hat gewirkt“, sagte Bankvorstand Josef Paul dem Handelsblatt. Kunden zogen kurzfristige Einlagen ab. „Wir haben seitdem 16 Millionen Euro weniger an Sichteinlagen. Nur noch ein Dutzend privater Kunden hat bei uns Tagesgeldeinlagen von mehr als 100.000 Euro. Das erleichtert die Liquiditätssteuerung“, sagte er.

Eine andere Frage ist indes noch ungeklärt: Dürfen Kreditinstitute innerhalb eines Riester-Banksparplans Negativzinsen erheben? Auch in diesem Fall muss das Landgericht Tübingen entscheiden, voraussichtlich Ende Juni.

In dem Fall geht es um die Kreissparkasse Tübingen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte die Sparkasse abgemahnt, weil sie bei ihrem Riester-Banksparplan „Vorsorge-Plus“ eine negative Grundverzinsung von derzeit 0,9 Prozent im Jahr verlangt. Neben der Grundverzinsung erhält der Kunde noch einen Bonuszins.

Die Verbraucherschützer berufen sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch, nachdem der Riester-Sparer der Sparkasse quasi ein Darlehen gewährt und dafür einen Zins bekommen muss. Die Sparkasse verweist darauf, dass der Kunde neben dem negativen Grundzins noch den Bonuszins erhalte, so dass der Gesamtzins positiv sei.

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