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Geldwäsche und illegale Kundengewinnung Prozess um Geldwäsche: UBS-Verteidiger bemängeln gravierende Schwächen der Anklage

Im Berufungsverfahren können die Verteidiger der Schweizer Großbank punkten. In erster Instanz war UBS zu 4,5 Milliarden Euro Strafe verurteilt worden.
08.03.2021 - 23:24 Uhr Kommentieren
Die Bank sieht sich in Frankreich zu Unrecht zu einer Rekordstrafe verurteilt. Quelle: ddp images/Fotoagentur ex-press
UBS-Hauptsitz in Zürich

Die Bank sieht sich in Frankreich zu Unrecht zu einer Rekordstrafe verurteilt.

(Foto: ddp images/Fotoagentur ex-press)

Paris Nach zähem Anfang gab es noch einen lebhaften ersten Tag im Pariser Berufungsverfahren gegen die Schweizer Großbank UBS wegen illegaler Kundenwerbung und Geldwäsche im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung. In erster Instanz war die UBS AG im Februar 2019 zu der Rekordstrafe von insgesamt 4,5 Milliarden Euro verurteilt worden. Das ist der höchste Betrag, auf den ein Gericht in Frankreich je in einem Steuerverfahren erkannt hat.

Nachdem die ersten langwierigen prozeduralen Schritten vorbei waren, nutzten die Staranwälte Hervé Temime und Denis Chemla von UBS ihren ersten Auftritt am späten Montagnachmittag für eine wuchtige Breitseite gegen die Anklage. Bevor Chemla die Zulässigkeit bestimmter Beweisstücke anfocht, nahm Temime grundsätzlich die Argumentation der Anklage auseinander. „Die Anklage fordert sie auf, ein System zu verurteilen, aber man urteilt nicht über ein System, die Justiz kann Männer, Frauen, juristische Personen verurteilen, aber nicht ein System.“

Die Anklage hatte in erster Instanz darauf abgehoben, dass UBS ein System der illegalen Kundenwerbung und Steuerhinterziehung entwickelt habe. Die vorsitzende Richterin hatte sich dem angeschlossen und geurteilt, dass ein dezidierter Nachweis einzelner Straftaten für und mit einzelnen Kunden deshalb überflüssig sei. Hier hakt die Verteidigung jetzt ein.

„Das Herangehen der Anklage erlaubt uns nicht, hinreichend klar auf die Fakten einzugehen: Wo, wie, wer? Danach fragt das französische Recht.“ machte Temime geltend. Hier zeige sich eine gravierende Schwäche in der Anklage.

UBS hat einige der Anwälte aus der ersten Instanz entlassen, setzt aber weiter auf die Kanzlei Allen & Overy mit Chemla und zusätzlich auf Temime, einen in Algerien geborenen Star-Strafverteidiger, der schon Gérard Dépardieu, Catherine Deneuve und Roman Polanski vertreten hat. Auch ihre Kommunikation hat UBS verändert: Statt Brunswick schickt sie nun Image7 ins Rennen, ein von der Französin Anne Méaux gegründetes kleines Unternehmen, das im Ausland durch die Vertretung von Carlos Ghosn bekannt wurde. Brunswick wirft man hinter vorgehaltener Hand vor, zum Eindruck von Arroganz und Überheblichkeit beigetragen zu haben, den UBS in der ersten Instanz erweckt habe.

Eine weitere Veränderung: Im Gerichtssaal sitzt nun nicht mehr allein Chefjustiziar Markus Diethelm für die UBS AG, sondern auch Christl Novakovic. Sie ist ganz vorne, direkt neben Temime platziert. Was ihre Rolle sein soll, ob und wann sie aussagt, daraus macht UBS noch ein großes Geheimnis. Im Gegensatz zu Diethelm, der während der Unterbrechungen der Verhandlungen ansprechbar ist, hüllt die Südtirolerin sich völlig in Schweigen: ihr ist kein Wort zu entlocken.

Temime nutzte seinen ersten Auftritt für einen Rundumschlag. Nicht nur den System-Vorwurf der Anklage nahm er aufs Korn. „Das Recht hat sich bedeutend weiterentwickelt, die Strafe muss proportional sein zum Betrag der hinterzogenen Steuern, und Geldwäsche ist Zustandsdelikt, kein Dauerdelikt.“ Damit nimmt der Anwalt Bezug auf ein Urteil des französischen Kassationsgerichts. Das hatte 2019 entschieden, dass es für das Delikt der Geldwäsche nicht ausreiche, nachzuweisen, dass ausländische Gelder sich über einen längeren Zeitraum auf einem Konto befanden. Die Eröffnung eines dem französischen Fiskus gegenüber nicht erklärten Bankkotos im Ausland allein erfülle nicht den Tatbestand der Geldwäsche.  

„Systemisch, auf der Grundlage eines Rechts, das obsolet ist: Die ganze Logik der Anklage ist hinfällig.“ schmetterte Temime in den Saal. Die Verteidigung werde außerdem ein Argument vertreten, das bislang falsch verstanden worden sei. Das sei das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz von 2005. Das verpflichtete die Schweizer Banken dazu, pauschale Steuern auf Zinseinnahmen zu erheben. Erst seit 2017 gilt die Pflicht zum gegenseitigen Informationsaustausch. „Wir streiten nicht ab, dass es in der Schweiz Steuerhinterzieher gegeben hat,“ räumt Temime ein. Aber der Bank könne man nicht den Vorwurf der Geldwäsche machen, weil die sich an das EU-Schweiz-Abkommen gehalten und die pauschalen Steuern abgeführt habe. Das Abkommen habe zudem „zu 100 Prozent das Schweizer Bankgeheimnis geschützt“. Dieses Argument, das im ersten Verfahren nur am Rande vorgetragen wurde, rückt UBS jetzt ins Zentrum.

Ob das trägt? Die pauschalen Steuern in der Schweiz, das Abkommen zwischen der EU und der Eidgenossenschaft enthoben die französischen Steuerbürger nicht ihrer Pflicht, die im Ausland lagernden Gelder anzugeben und zu versteuern.

Chemla begründete, wieso die Verteidigung den Ausschluss zahlreicher Dokumente der Anklage vom Verfahren verlangt. Vor dem Verfahren in erster Instanz habe die Untersuchungsrichterin belastendes Material aus Deutschland  bekommen, „in Form eines Konglomerats, teils handschriftlich, teils auf CDs, von Wuppertaler Steuerbehörden.“ Die Behörden in NRW kauften bekanntlich kooperationswilligen Bankmitarbeitern mehrfach CDs mit Kundendaten ab. Für die Schweiz war das ein Delikt.

Die Übergabe an Frankreich sei ohne die Zustimmung der zuständigen Bochumer Staatsanwaltschaft geschehen, „also außerhalb des Rahmens, der den gegenseitige Beistand der Justizbehörden regelt.“ Sagte der Verteidiger. Er habe das feststellen können, weil er Deutsch als zweite Fremdsprache gelernt habe, ließ Chemla am Rande fallen. Die Informationsübermittlung sei „kein formelles fiskalisches Verfahren, sondern eine dilettantische Bastelei, weil diese Dokumente niemals im Rahmen der juristischen Kooperation erhalten wurden, müssen sie vom Verfahren ausgeschlossen werden.“ verlangte der Anwalt.

Mehrfach insistierten die UBS-Verteidiger auf einem weiteren Punkt: Das Kassationsgericht habe festgestellt, dass die Strafe sich nach der Höhe der hinterzogenen Steuern bemessen müsse. Im fraglichen Fall waren das 600 bis 800 Millionen Euro. Die Richterin im ersten Verfahren legte aber den Gesamtbetrag der schwarzen Gelder, angeblich 3,7 Milliarden Euro, zugrunde. Selbst falls UBS erneut verurteilt werden sollte, könnte die Bank demnach mit einer wesentlich geringeren Strafe rechnen: Das Kalkül von Chefjustiziar Diethelm würde aufgehen.

Der Vorsitzende Richter François Reygrobellet unterbrach das Verfahren am frühen Abend, „um der Anklage Gelegenheit zu geben, verschiedene neue Gesichtspunkte zu verarbeiten.“ Die beiden Staatsanwälte Muriel Fusina und Serge Roques meldeten sich am ersten Tag praktisch nicht zu Wort. Dabei wird es in den nächsten Tagen nicht bleiben.

Mehr: UBS-Chef Hamers kämpft mit Altlasten aus den Niederlanden.

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