Geschäft mit Übernahmen „Heuschrecken“ sorgen für heißen Herbst

Finanzinvestoren stemmen immer größere Beteiligungen.
Frankfurt Es kommt einem so vor, als ob’s gestern gewesen wäre. Doch der Vergleich der Finanzinvestoren mit „Heuschrecken“ jährt sich schon zum zehnten Mal.
Wie Insektenschwärme fielen Beteiligungsfirmen über die Unternehmen her, plünderten sie und zögen dann weiter, ätzte 2005 der damalige SPD-Chef Franz Müntefering und löste damit die „Heuschreckendebatte“ aus. Zwar versuchten die Beteiligungsmanager noch, sich zu wehren und sich als „Honigbienen“ oder Jobmaschine zu präsentierten. Es half nichts. Das Prädikat „Heuschrecke“ blieb haften.
Ein Jahrzehnt später haben sich die Wogen geglättet, die Heuschrecken sind salonfähig geworden. Stolze 32 Prozent beträgt der Anteil der Beteiligungshäuser an den gesamten Fusionen und Übernahmen (M&A) in Deutschland, wie der Informationsdienst Dealogic errechnet hat. Zum Vergleich: Im „Heuschrecken-Jahr“ 2005 waren es nur zwei Prozent. Eine Liste der Bank IKB, die dem Handelsblatt vorliegt, zeigt, dass Finanzinvestoren derzeit bei nahezu allen großen Deals in Deutschland und Europa mitmischen. Es steht ein heißer Herbst ins Haus.
Private-Equity-Fonds sammeln Geld von Pensionskassen
Größte Brocken auf der Liste sind das Lichtgeschäft von Philips Lighting, der Kfz-Zulieferer Trelleborg Vibracoustic oder das Industrieunternehmen Voith Industrial Services. Aber auch bekannte europäische Marken wie die niederländische Unterwäschekette Hunkemöller befeuern das Geschäft der Beteiligungsfonds. Allein in Deutschland geht es um ein Dealvolumen von mindestens sechs Milliarden Euro.
„Das Gewicht von Private Equity bei M&A-Transaktionen bleibt hoch“, sagt Matthias Kues, Sprecher der Beteiligungsfirma Nord Holding. „Finanzinvestoren können in jedem Marktumfeld zukaufen.“ Allerdings müssten die Renditeerwartungen wegen großer Konkurrenz und hoher Bewertungen heruntergeschraubt werden. Renditen von 20 bis 25 Prozent gehörten meist der Vergangenheit an. „Die Investoren in außerbörsliche Beteiligungen müssen sich heute im Schnitt eher mit 13 bis 14 Prozent begnügen“, ergänzt Kues.
Private-Equity-Fonds sammeln Geld von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und übernehmen damit Firmen. Nach drei bis fünf Jahren der Umstrukturierung werden sie weiterverkauft oder an die Börse gebracht. Größte Transaktion in diesem Jahr war der Verkauf von Tank & Rast durch den Finanzinvestor Terra Firma. Dafür legte ein Konsortium unter Führung der Beteiligungsgesellschaft Allianz Capital Partners gut 3,4 Milliarden Euro auf den Tisch.
Neue Rekorde beim Einsammeln von frischem Kapital
Aber nicht nur bei Megadeals sind die Finanzinvestoren aktiv, auch im Mittelstand sind sie mittlerweile stark vertreten. „Im vergangenen Jahr erhielten Beteiligungsgesellschaften in Deutschland rund 44.500 Anfragen von Kapital suchenden Unternehmen, was eine Steigerung von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet“, sagt Wilken von Hodenberg, Vorstandssprecher des Branchenverbands BVK. „Dies zeigt, dass die Nachfrage nach Finanzierungslösungen mit Beteiligungskapital ungebrochen hoch ist.“ Inzwischen arbeiteten rund eine Million Beschäftigte in mit Beteiligungskapital finanzierten Unternehmen.
Bis zum Jahreswechsel rechnen Experten mit rund einem Dutzend großer Transaktionen, weil die Beteiligungsfonds unter Anlagedruck stehen, nachdem sie beim Einsammeln frischen Kapitals neue Rekorde aufgestellt haben. Zwar ist die Nervosität bei Fusionen und Übernahmen durch die jüngsten Marktturbulenzen gestiegen. Aber die M&A-Profis rechnen mit stärkerer Differenzierung, nachdem „während des Booms im vergangenen Jahr fast alle Unternehmen hoch bewertet waren“, wie Dirk Albersmeier, Co-Head M&A Europa bei JP Morgan, sagt. Für Private-Equity-Häuser gewinne die Übernahmeoption dadurch wieder an Gewicht, „so dass ihr Anteil am gesamten M&A-Geschäft leicht steigen sollte“.
„Vor dem Einwerben neuer Mittel erhöht sich der Druck“
Es besteht auch Druck auf die Beteiligungshäuser zuzukaufen: „Viele Finanzinvestoren haben in jüngster Zeit wenige Übernahmen durchgeführt, obwohl sie hohe Liquidität für Investitionen haben“, hat Rainer Langel beobachtet, der die Geschäfte der Bank Macquarie in Deutschland führt. Gleichzeitig ist das Finanzierungsumfeld für die Private-Equity-Firmen weiterhin gut. Sie kommen leicht an Übernahmekredite. Trotzdem setzen sie bei ihren Übernahmen in der Regel 40 Prozent Eigenkapital ein, um für Sicherheit zu sorgen.
Das sind im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 sieben Prozentpunkte mehr.
Außerdem wollen die Geldgeber nur dann ihre Kassen öffnen, wenn Private-Equity-Manager auch lukrative „Exits“ hinlegen und das eingesetzte Kapital vervielfachen. „Vor dem Einwerben neuer Mittel erhöht sich der Druck, mit erfolgreichen Beteiligungsverkäufen für sich zu werben“, weiß Langel.