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Gesetzentwurf Bilanzkontrolle soll nach Wirecard-Pleite verschärft werden

Die Bundesregierung will nach dem Wirecard-Skandal mit einem Gesetz das Vertrauen in den Finanzmarkt stärken. Einige Parlamentarier sind mit dem Entwurf unzufrieden.
15.03.2021 - 15:56 Uhr Kommentieren
Die Fraktionen im Bundestag sind sich einig, dass sich der Skandal nicht wiederholen darf. Quelle: dpa
Wirecard

Die Fraktionen im Bundestag sind sich einig, dass sich der Skandal nicht wiederholen darf.

(Foto: dpa)

Berlin Manipulierte Bilanzen wie im Fall des ehemaligen Dax-Konzerns Wirecard haben das Vertrauen von Anlegern erschüttert. Die Fraktionen im Bundestag sind sich einig, dass sich ein derartiges Szenario nicht wiederholen darf, und wollen mit dem sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) das Vertrauen in den Finanzmarkt stärken. Am Montag wurden im Bundestags-Finanzausschuss nun Experten zu dem neuen Gesetzesvorhaben angehört

Schnell wurde deutlich, dass innerhalb der Koalition sehr unterschiedliche Meinungen zum geplanten Gesetz herrschen. Wirecard habe gezeigt, „dass das bisherige System der Bilanzkontrolle börsennotierter Unternehmen und deren Abschlussprüfung in Deutschland verbessert werden muss“, sagte die Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium (BMF), Sarah Ryglewski (SPD), bei der Vorstellung des FISG im Bundestag.

Das SPD-geführte BMF will das zweistufige, auf freiwillige Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichtete Bilanzkontrollverfahren grundlegend reformieren. Die Union hält dagegen nichts von der Zweistufigkeit und setzt auf die Finanzaufsicht Bafin als alleinigen Bilanzkontrolleur.

Zurzeit sieht diese Zweistufigkeit vor, dass die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) eingreift, wenn Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Bilanzierungsregeln vorliegen. Wird mit dem Unternehmen kein Konsens über das Prüfergebnis erzielt, übernimmt die Bafin und kann mit hoheitlichen Mitteln die Veröffentlichung eines Fehlers erzwingen.

Instrumente der Bafin sollen geschärft werden

Das BMF will nun mit dem FISG der Bafin die Möglichkeit einräumen, bei Verdacht von Bilanzverstößen die Rechnungslegung der Unternehmen zu untersuchen und auch forensisch, also kriminologisch, prüfen zu können. Die Instrumente der Bafin im Fall der Bilanzkontrolle werden also geschärft. Prinzipiell soll an der Zweistufigkeit allerdings nicht gerüttelt werden.

Die Union dagegen hält diese Zweistufigkeit und vor allem die DPR für entbehrlich. „Das zweistufige Verfahren der Bilanzkontrolle hat bei Wirecard versagt“, meint der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer. Die Bafin habe sich bei der Kontrolle auf die privatrechtlich organisierte Prüfstelle verlassen, obwohl klar war, dass der Prüfstelle die forensischen Werkzeuge fehlen, um Bilanzbetrug aufzudecken.

Das sieht die Opposition ähnlich. „Es ist Zeit, dass wir uns von dem zweistufigen Bilanzkontrollverfahren verabschieden“, sagt der Finanzpolitiker der Linken, Fabio de Masi. „Die Prüfstelle hat versagt und gehört abgeschafft“, ergänzt Lisa Paus von den Grünen.

Und selbst einige SPD-Parlamentarier hängen scheinbar nicht an der Institution der DPR. „Wir stellen sicher, dass die DPR kein Rotary Club für Aufsichtsräte mehr ist“, sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe im Bundestag, um nach einem Zuruf zu ergänzen: „Und diesen Rotary Club können wir meinetwegen gern auch auflösen.“ Damit vertritt sie eine andere Auffassung als das BMF.

Konsequenzen zieht die Bundesregierung ebenfalls aus der Tätigkeit der Abschlussprüfer bei Wirecard, die lange Zeit keine Ungereimtheiten in der Konzernbilanz entdecken konnten.

Um die Unabhängigkeit der Bilanzprüfung zu wahren, sieht der Gesetzesentwurf deshalb nach zehn Jahren einen Wechsel der Prüfer vor. Zudem sollen die Prüfungs- und Beratungstätigkeiten von Wirtschaftsprüfern entkoppelt werden, um Interessenkonflikte zu verhindern.

Haftung der Abschlussprüfer soll verschärft werden

Schließlich soll noch die zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen für Pflichtverletzungen verschärft werden. So wird die Haftungshöchstgrenze für die Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen auf 16 Millionen Euro angehoben. Für grob fahrlässiges Verhalten soll es künftig keine Haftungshöchstgrenze geben.

„Wir wollen damit verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen, aber auch zusätzliche Anreize für eine qualitativ hochwertige Prüfung geben“, begründete BMF-Staatssekretärin Ryglewski den Vorstoß.

Es zeichnet sich allerdings ab, dass es auch bei der Haftungsregelung zu Änderungen des BMF-Entwurfs kommen wird, da sich SPD und Union ebenfalls uneinig sind. Der Gesetzentwurf „geht deutlich über das Ziel hinaus“, so der CDU-Finanzexperte Hauer. In letzter Konsequenz würde die Konzentration auf dem Wirtschaftsprüfermarkt, der durch vier große Wirtschaftsprüferunternehmen geprägt ist, zunehmen.

Diese Bedenken teilen auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die Wirtschaftsprüferkammer, die 21.000 Mitglieder vertritt. Beide Organisationen sorgen sich um den Berufsnachwuchs. Die aus seiner Sicht unverhältnismäßige Ausweitung einer unbegrenzten, nicht versicherbaren Haftung des Abschlussprüfers bei grober Fahrlässigkeit könne sich abschreckend auswirken, urteilt das IDW.

Da die Aufklärung im Fall Wirecard sich erst am Anfang befinde, seien die Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar. Es gebe keine Hinweise auf ein systemisches Versagen des Instituts der Abschlussprüfung. „Auch konnte bislang kein Fehlverhalten des Abschlussprüfers von Wirecard festgestellt werden“, heißt es in der Stellungnahme des IDW zur parlamentarischen Anhörung des Gesetzesentwurfs am Montag.

Dieser Argumentation kann Professor Joachim Hennrichs von der Universität Köln nicht folgen. Der Gesetzesentwurf sei kein Schnellschuss gewesen, der Wirecard-Fall habe gravierende Mängel im System der Bilanzkontrolle, aber auch bei Abschlussprüfung und Corporate Governance aufgezeigt.

Allerdings plädiert er ebenfalls für ein Überdenken der unbegrenzten Haftung bei grober Fahrlässigkeit. Die Konzentration auf dem Markt für Abschlussprüfungsleistungen könnte sich ansonsten weiter verschärfen, was der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufe. Welche Anregungen letztendlich in den Gesetzentwurf aufgenommen werden, wird sich bei der weiteren parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs zeigen.

Mehr: Wirecard-Affäre: Die Bafin vernachlässigte über Jahre ihre internen Kontrollen.

  • fmd
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