Gesundheitswesen Bafin startet nach AvP-Pleite Sonderprüfung bei mehreren Abrechnungsdiensten

Nach der Insolvenz des Apothekenabrechners AvP prüft die Finanzaufsicht Bafin nun die Rechnungslegung und die Geschäftsorganisation weiterer Factoringfirmen.
Frankfurt Nach der Pleite des Apothekenabrechners AvP nimmt die Finanzaufsicht Bafin nun auch einige andere Factoringinstitute im Gesundheitsbereich ins Visier: Die Bafin führe eine Sonderprüfungskampagne unter Factoringunternehmen mit Nähe zum Gesundheitssektor durch, bestätigte eine Sprecherin der Behörde auf Handelsblatt-Anfrage. Die Bafin gehe damit auch „Hinweisen auf mögliche Mängel vor allem bei Abrechnungsstellen“ nach. Um welche Anbieter genau es geht, sagte die Sprecherin nicht.
Abrechnungsdienstleister wie AvP sind für Apotheken enorm wichtig. Sie übernehmen für die Apotheken die Abrechnung von Rezepten mit den Krankenkassen. Damit fließt der wesentliche Umsatz der Apotheken über solche Dienstleister. Die AvP-Insolvenz hatte unter Apotheken daher für erhebliche Unruhe gesorgt. Zugleich werden solche Factoringanbieter weniger scharf als Banken überwacht.
So ein Fall soll sich nicht wiederholen, deshalb will sich die Bafin im Rahmen der Sonderprüfungen das Rechnungswesen und die „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“ der Factoringanbieter im Gesundheitsbereich genau ansehen. Die Behörde hat für die Extrakontrollen zusätzlich Wirtschaftsprüfer beauftragt, die sich mit dem Thema Abrechnung im Gesundheitswesen speziell auskennen. Erste Prüfungsergebnisse sollen noch in diesem Jahr ausgewertet werden.
Breit angelegte Sonderprüfungen kommen bei Banken immer wieder vor, für die Factoringbranche ist das Vorgehen der Bafin dagegen ein ungewöhnlicher Schritt. Dass die Sonderprüfungen so breit ausfallen, dürfte aber mit den Hinweisen zu tun haben, die die Behörde nicht näher erläuterte.
Das AvP-Debakel war auch für die Bafin ein Weckruf: Denn bei dem Apothekenabrechner stimmten wohl weder die Bücher, noch scheint die Geschäftsorganisation ordnungsgemäß gewesen zu sein. Bei dem Düsseldorfer Unternehmen steht der Verdacht im Raum, dass sich ehemalige Manager aus der Firmenkassen bedient haben könnten.
Erste Hinweise auf Fehler in der Buchführung gab es Ende 2019
Mittlerweile ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige der Bafin wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung, Bankrott, Bilanz- und Urkundenfälschung, Betrug sowie Untreue.
Erste Hinweise auf mögliche Defizite in der Buchführung von AvP hatte die Bafin im November 2019 erhalten. Dass organisatorisch bei AvP nicht immer alles perfekt lief, fiel der Behörde drei Jahre zuvor schon einmal auf. Damals gab es ein Aufsichtsgespräch über „fehlerhafte Meldungen über personelle Veränderungen in der AvP-Geschäftsleitung“, wie die Behörde auf Nachfrage dem FDP-Bundestagsabgeordneten Wieland Schinnenburg im Dezember mitteilte.
Nicht nur die Bafin, auch die Politik will aus dem AvP-Debakel Lehren ziehen: Verborgen im aktuellen Regierungsentwurf für das sogenannte Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz finden sich einige Passagen, mit denen Factoring- und Leasingfirmen künftig schärfer von der Aufsicht überwacht werden sollen. Dazu werden für diese Firmen Vorschriften eingeführt, die bislang nur für Banken, nicht aber für Leasing- und Factoringfirmen galten.
Mit der geplanten Änderung würde die Bafin das Recht erhalten, im Zweifel Zahlungsverbote zu erlassen, damit Gläubiger von Factoring- und Leasinginstituten besser vor Mittelabflüssen geschützt werden können.
Die Geschäftsführung von Leasing- und Factoringfirmen soll künftig aus mindestens zwei Geschäftsleitern bestehen. Dieses Vier-Augen-Prinzip an der Führungsspitze sorgt für mehr Kontrolle innerhalb der Chefetage – und soll kriminelle oder schädliche Handlungen so erschweren.
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