Grauer Kapitalmarkt Anleger der ThomasLloyd-Gruppe fühlen sich in die Irre geführt

Das Unternehmen erklärte die Anlagechancen per Youtube.
Frankfurt, Berlin Die Berliner Regisseurin Gisela Höhne hat viel in ihrem Leben geleistet – meist für andere. Sie hat das Berliner Theater RambaZamba aufgebaut, in dem Schauspieler mit und ohne Behinderung gemeinsam auftreten. 27 Jahre lang hat sie dort Stücke inszeniert. Nun wird ihr Ruhestand von einem Drama anderer Art überschattet. Dieses Stück spielt in London, Wien und auf den Philippinen. Seine Protagonisten sind Finanzmanager, denen Höhne einst viel Geld anvertraut hat.
Anfang des Jahres erwartete sie einen stattlichen Geldbetrag vom Investmenthaus ThomasLloyd: 37.000 Euro in Genussrechten („Global High Yield Fund 425“), den größten Posten ihrer Altersvorsorge. Sie hatte diesen Betrag bereits per Ende 2017 gekündigt. Doch Höhne erhielt nur einen Brief. „Der Rückzahlungsbetrag zum Kündigungsstichtag 31. Dezember 2017 beträgt null Euro“, stand darin.
Wenn sie ihre Kündigung zurücknehme, könne sie Aktien an einer Beteiligungsgesellschaft in London erhalten. Knapp 40.000 Stück zu einem Nennwert von je 0,001 Euro. „Was soll denn das“, fragte sich Höhne. „Ich möchte mein Geld zurück, nicht irgendwelche Penny-Aktien.“ Genussrechte sind eine Art Zwitter zwischen Anleihen und Aktien. Je nach Ausstattung kann der Rückzahlungswert durch Verluste der jeweiligen Firma gemindert werden.
Höhne suchte sich eine Anwältin. „Was Thomas-Lloyd mit den Anlegern macht, ist ein Skandal“, sagt Susanne Schmidt-Morsbach aus der Kanzlei Schirp & Partner in Berlin. „Meine Mandantin ist mit irreführenden Informationen unter Druck gesetzt worden. Die Aktien wären praktisch nicht handelbar.“
So wie der Regisseurin geht es zurzeit Hunderten Anlegern in Deutschland. Sie haben einst Genussrechte bei der ThomasLloyd Investments GmbH (TLI) in Wien oder atypische stille Beteiligungen bei der DKM Global Opportunities Fonds 01 GmbH (DKM) in Frankfurt gezeichnet. Die Unternehmen gehören zur ThomasLloyd-Gruppe, deren erklärter Plan es war, mit Investments in erneuerbare Energien und Infrastruktur in Asien ihre deutschen Anleger reich zu machen.
Thomas Ulf Michael Sieg, oder T.U. Michael Sieg, wie er sich selbst nennt, ist der starke Mann bei ThomasLloyd. Der 41-Jährige hat das Firmenimperium aufgebaut und kontrolliert es von London aus. Nach Angaben des britischen Handelsregisters beherrscht Sieg sowohl die ThomasLloyd Group Ltd. als auch die ThomasLloyd Holding Ltd., unter denen zahlreiche weitere Gesellschaften angesiedelt sind. Angestellte, die lange mit Sieg zusammengearbeitet haben, behaupten, in der Gruppe geschehe nichts ohne seine Zustimmung.

Der ThomasLloyd-Chef strukturiert das Investmenthaus um.
Ein Youtube-Video zeigt Sieg, wie er 2014 die Chancen erneuerbarer Energien in Asien anpreist. Mit nach hinten gegelten Haaren, grauem Anzug und weißer Krawatte ruft er das „Asian Century“ aus und verweist auf die besondere Stärke der Philippinen. Zu Ökostrom gäbe es vielerorts keine Alternativen. Mit dieser Verkaufsstory treten auch die Vertriebsleute von ThomasLloyd an die Anleger heran. Eine zentrale Säule des Geschäftsmodells sehe vor, in Asien Solar- und Biogasanlagen aufzubauen und sie gewinnbringend zu verkaufen.
Nach solchen Auftritten hatten nur wenige Anleger mit einem Schock gerechnet. Wer aber wie Höhne zu Ende 2017 gekündigt hatte, stand Anfang 2019 plötzlich vor der Wahl: Rückzahlung eines Guthabens von null Euro – oder Umtausch der Anlagen in Aktien der neuen Cleantech Infrastructure Holding (CTIH) in London. Wer nicht gekündigt hatte, erhielt ein Infoschreiben: Sein Investment werde automatisch in Aktien gewandelt.
Das Handelsblatt hat zahlreiche betroffene Anleger gesprochen. Sie eint das ungute Gefühl, dass sie über den Tisch gezogen werden könnten. Auch Verbraucherschützer sind alarmiert. „Außerbörsliche Aktien sind manchmal das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, sagt Wolf Brandes von der Verbraucherzentrale Hessen. „Eine Umwandlung, ohne die Anleger zu fragen, halte ich nicht für rechtmäßig“, sagt Anwältin Schmidt-Morsbach.
Der Mann, der die Wandlung der Genussrechte in Aktien zu verantworten hat, heißt Matthias Klein. Der Europachef von ThomasLloyd trifft sich zwei Mal mit dem Handelsblatt. Kritik lässt er nicht gelten. „Im Rahmen einer Restrukturierung ist es zu einer zwischenzeitlichen Abwertung einiger Investments gekommen.
Deshalb haben wir Anlegern von TLI und DKM, die insbesondere zu Ende 2017 gekündigt haben, ein freiwilliges und faires Angebot gemacht.“ Bislang hätten sich nur rund 450 Anleger dagegen entschieden. Sie seien ohne Rückzahlungen ausgeschieden.
8.000 Anleger sind betroffen
Doch die wahre Dimension ist größer. Insgesamt sind 8 000 Kunden und 77 Millionen Euro Kapital von der Aktion betroffen, wie ThomasLloyd mitteilt. Bei denen, die nicht gekündigt haben, seien unternehmerische Beteiligungen der DKM und TLI in „vergleichbare“ unternehmerische Beteiligungen der CTIH getauscht worden. „Eine übergroße Mehrheit der Anleger hat die Maßnahmen positiv aufgenommen“, sagt Klein.
Zweifeln an der zukünftigen Werthaltigkeit der CTIH-Aktien tritt Klein mit einer Botschaft entgegen: „Wir haben noch nie so tiefgehende Businesspläne erstellt wie im vergangenen Jahr.“ Der Europachef verweist auf ein Gutachten von „Paul und Collegen Consulting“ und „Exel Steuerberater & Wirtschaftsprüfer“ aus Österreich.
Sie berechneten drei Bewertungen für die ThomasLloyd Group Ltd. in London. Im „Basisszenario“ gehen die Prüfer von 230 Millionen Euro aus. Ein Szenario basiert auf dem Businessplan des Managements und kommt auf 3,3 Milliarden Euro. Die Prüfer selbst taxieren den Firmenwert auf 590 Millionen Euro.
Die Restrukturierung sollte zwei Problembereiche beheben, sagt Klein. Zum einen galt es, die Vielzahl von Aktienkategorien, die historisch gewachsen war, zu vereinfachen. Zum anderen habe die unterschiedliche juristische Ausgestaltung der Aktienkategorien das Geschäftsmodell nicht mehr richtig abgebildet.
Die neu ausgegebenen Aktien an der CTIH seien nur ein Zwischenschritt, kündigt Klein an: „Nach einem für 2021/22 geplanten Börsengang sollen die ehemaligen Anleger von TLI und DKM dann direkte und stimmberechtigte Aktionäre der ThomasLloyd Group Ltd. werden.“
Auf dem Weg dahin geraten aber die sogenannten C-Aktien in den Fokus, die TLI und DKM mit den Geldern ihrer Investoren gekauft hatten. Gutachter von Globalview Advisors stellten 2017 überraschend fest, dass einem ursprünglichen Einkaufspreis der Aktien von 57 Millionen Euro nur noch ein Buchwert von 2,4 Millionen Euro gegenüberstand . „Wir mussten handeln“, sagt Klein.
Doch viele Anleger sind nicht mit dem Vorgehen von ThomasLloyd einverstanden. Einer, der sich wehrt, arbeitet als Kriminalpolizist beim Landeskriminalamt in Wiesbaden. Michael Müller* ist Familienvater, hat zwei Kinder und ein Reihenhaus. Er zocke nicht mit Geld, erzählt der Beamte.
Und doch ließ er sich 2007 von einem Berater überzeugen, investierte in einen Genussrechte-Vertrag sofort, in zwei andere über einen zehnjährigen Ratensparplan. Insgesamt legte er mehr als 17.000 Euro an. „Der Berater war völlig beseelt“, erinnert sich Müller. Zum hohen Risikoprofil des Vertrags habe der Berater prägnante Sätze gesagt: Es müsse schon der Mond auf die Erde fallen, damit er damit Verluste erleide.
Dem Polizisten kamen die jährlichen Briefe von ThomasLloyd bald sonderbar vor: Erst verloren seine Anlagen plötzlich an Wert, dann blieb der Wert über sieben Jahre hinweg gleich, obwohl in Begleitschreiben von „steigenden Gewinnen“, einer „führenden Marktposition“ und einem „überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Erfolg“ der Firma die Rede war. Im Februar bekam auch er den Brief, dass seine zu Ende 2017 gekündigten Genussrechte nichts mehr wert seien, er aber Aktien erhalten könnte.
Wirtschaftsprüfer äußerte Kritik
Nun hofft Müller auf den 27. August. Dann soll seine Zivilklage vor dem Landgericht in Wiesbaden verhandelt werden. Sein Anwalt Sven Tintemann von der Kanzlei AdvoAdvice aus Berlin sagt: „Nach unserer Einschätzung versucht die Firma, die Investoren über das Angebot von Aktien ruhigzustellen.“ Er vertritt inzwischen 130 Mandanten gegen ThomasLloyd, 21 Klagen hat er schon eingereicht, am Ende sollen es 35 sein.
Die TLI aus Wien wurde im Februar gelöscht. Heißt: Wer sich gegen die Vorgänge heute rechtlich wehren will, muss gegen die Londoner CTIH vorgehen, mit der DKM und TLI verschmolzen wurden. „Wer erst nach dem Brexit klagt, dürfte deutlich schlechtere Chancen haben“, warnt Thorsten Krause von den KAP Rechtsanwälten in München. Rund 200 ThomasLloyd-Anleger hätten ihn mandatiert, 50 Klagen seien in Vorbereitung.
Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Probleme bei ThomasLloyd nicht tiefer liegen. Von 2008 bis 2012 bescheinigte der Wiener Wirtschaftsprüfer Felix Hammerschmidt der österreichischen TLI jedes Jahr, dass der Abschluss „kein ordnungsgemäßes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ zeige. Hammerschmidt stieß sich an der Bewertung der ThomasLloyd Group Ltd., die andere Wirtschaftsprüfer in London vorgenommen hatten. Er könne sich deren Bewertung nicht anschließen, begründete er seine Versagungsvermerke.
Das Management ging über die Diagnose hinweg. In London seien die Jahresabschlüsse der ThomasLloyd Group Ltd. in jedem Jahr mit einem uneingeschränkten Prüfungsvermerk versehen gewesen, sagt Matthias Klein. „Aus wirtschaftlichen und zeitlichen Gründen wurde darauf verzichtet, eine nochmalige Prüfung der Wertansätze der ThomasLloyd Group Ltd. durch den österreichischen Wirtschaftsprüfer in England vornehmen zu lassen“, sagt Klein.
Allerdings stehen im Versagungsvermerk von 2012 auch Sätze, die bei Anlegerschützern Gänsehaut erzeugen. Die TLI übernehme aus „Kulanzgründen“ regelmäßig Verluste, die Genussrechteinhaber bei ihrer Vertragskündigung hätten tragen müssen, heißt es da etwa. Zu Anleihen in Höhe von 16,6 Millionen Euro, die zwischen 2015 und 2019 fällig würden, notierte der Prüfer, es sei zurzeit nicht gewährleistet, dass die TLI die Verbindlichkeiten „aus dem eigenen Cashflow fristgerecht bedienen kann“.
Es handele sich um einen „rein vorsorglichen Hinweis“, sagt Europachef Klein. „Alle Anleihen sind fristgerecht zurückgezahlt worden.“
Bis 2013 war die TLI war eine Aktiengesellschaft, dann wurde sie in eine GmbH umgewandelt, ohne entsprechende Veröffentlichungspflichten. So verschwand die warnende Stimme des Prüfers aus der Öffentlichkeit. Dem Aufsichtsrat der österreichischen Gesellschaft stand damals T.U. Michael Sieg vor.
Es gibt zudem grundsätzliche Zweifel, ob das Geschäft mit Solaranlagen in Asien glänzend läuft. Zwar veröffentlicht ThomasLloyd einerseits bunte Portfolioberichte mit Luftaufnahmen der Baustellen auf den Philippinen und in Indien.
Andererseits hat der Finanzkonzern nach all den Jahren auf der Webseite nur Fallstudien zu drei Solarkraftparks mit insgesamt sechs Bauabschnitten hinterlegt, die finanziert und verkauft wurden. Die „Barrendite“ habe rund 17 Millionen Euro betragen. Das klingt nicht nach viel angesichts der Aussage, ein Vermögen von 3,2 Milliarden Euro von 50.000 Anlegern zu verwalten.
Danach gefragt verweist Klein auf den breiten Investmentansatz der Gruppe. „Wir haben eine Vielzahl von Erlösquellen, aus denen wir unser Geschäftsmodell speisen.“ Zu den Ertragskategorien gehörten Platzierung, Beratung, Strukturierung, Administration, Verwaltung und Betrieb. „Von dem Moment, in dem wir anfangen, etwas zu konzeptionieren, verdienen wir Geld. Ein gelungener Exit ist nur das Sahnehäubchen.“
Der Vertrieb brummt
An anderer Stelle brummt der Laden nachweislich. Der Vertrieb bringt nach wie vor in hoher Schlagzahl ThomasLloyd-Finanzprodukte an den Markt. Genussrechte werden zwar seit 2009 nicht mehr emittiert. Dafür gibt es seit 2011 geschlossene Fonds wie den „CTI 5 D“ oder den „CTI Vario“. Laut Leistungsbilanz 2017 sammelte der Vertrieb allein im ersten Halbjahr 2018 rund 60 Millionen Euro für die Fonds ein. Insgesamt haben 18.000 Anleger dort rund 450 Millionen Euro angelegt.
Wie die ehemaligen Genussrechteinhaber und Neuaktionäre hoffen die Fonds-Investoren, dass die satten Gewinne aus den Ökokraftwerken in Asien endlich sprudeln. ThomasLloyd rechne fest damit, sagt Klein – und plant schon die nächste Generation Finanzprodukte. Die Zukunft gehöre vollregulierten Alternativen Investmentfonds (SICAV) in Luxemburg und festverzinslichen Wertpapieren in Liechtenstein.
Theaterregisseurin Höhne interessiert sich nicht mehr dafür, was der Finanzkonzern noch alles aus dem Hut zaubert. „ThomasLloyd“ habe hanseatisch seriös geklungen, erinnert sich die Regisseurin, sie habe sich täuschen lassen. Es tröstet sie nur wenig, dass sie bis 2012 knapp 8.000 Euro Nettodividende erhalten hat. Dann seien die Dividendenzahlungen ausgeblieben.
Damals bekam Höhne erstmals Zweifel an der schönen Prognose, mit der sie geködert wurde. Ein Makler hatte ihr den Werbeflyer hingelegt, der für das „Produkt der Premium-Linie“ eine kumulierte Rendite von 94 Prozent auswies. Zwar gebe es „keinerlei Gewährleistung“, wie in winzigen Buchstaben am unteren Seitenrand stand. Aber das war leicht zu übersehen.
* Name geändert
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