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Gründer Koalition erleichtert Mitarbeiterbeteiligungen – Start-ups sprechen von „Placebo“

Für Gründer sind Kapitalbeteiligungen ein wichtiges Instrument, um Talente für sich zu gewinnen. Union und SPD verbessern die steuerliche Behandlung nun – aber die Szene reagiert enttäuscht.
21.04.2021 - 13:16 Uhr Kommentieren
Steuerlich werden Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland bislang ungünstiger behandelt als in den meisten anderen Ländern. Daher wurde ein Gesetzentwurf jetzt nachgebessert. Quelle: dpa
Reichstagskuppel in Berlin

Steuerlich werden Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland bislang ungünstiger behandelt als in den meisten anderen Ländern. Daher wurde ein Gesetzentwurf jetzt nachgebessert.

(Foto: dpa)

Berlin Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern an Start-ups sollen attraktiver werden. „Künftig müssen Mitarbeiter ihre Beteiligung nicht mehr zu dem Zeitpunkt versteuern, zu dem sie sie erhalten“, sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Binding. Stattdessen soll die Besteuerung erst nach zwölf Jahren oder bei einem Wechsel des Arbeitgebers anfallen.

Für Start-ups sind solche im Fachjargon ESOPS („Employee Stock Option Plans“) genannten Kapitalbeteiligungen ein wichtiges Instrument bei der Gewinnung von hochqualifizierten Mitarbeitern. Die jungen Firmen können in der Regel noch keine vergleichbaren Gehälter zahlen wie etablierte Unternehmen.

Steuerlich wurden diese Beteiligungen in Deutschland aber bislang deutlich ungünstiger behandelt als in den meisten anderen Ländern. So müssen die Mitarbeiter diese bereits bei der Zuteilung versteuern, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Geld geflossen ist. Diese sogenannte Dry-Income-Problematik will die Koalition in ihrem Fondsstandortgesetz nun beseitigen, die am Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestags beschlossen wurde.

Die geplanten Erleichterungen gehen dem Start-up-Verband aber nicht weit genug. „Wir anerkennen, dass es im parlamentarischen Verfahren zu Nachbesserungen gekommen ist“, sagt Präsident Christian Miele. „Unter dem Strich bringt das Gesetz aber leider nicht die erforderlichen Neuerungen der Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen.“ Das Vorhaben sei vielmehr ein „Placebo“.

Auch die FDP-Finanzpolitikerin Bettina Stark-Watzinger übt Kritik: „Ein deutsches Start-up-Unternehmen hat es auch zukünftig nicht leicht, mit Wettbewerbern aus anderen Ländern um gut ausgebildete Arbeitskräfte zu konkurrieren“, sagt sie. Dabei seien Beteiligungsprogramme gerade bei Techfirmen heute Standard.

Gesetzentwurf nachgebessert

Die Mitglieder des Finanzausschusses hatten die Kritik zuvor teilweise aufgenommen und den Gesetzentwurf der Bundesregierung in drei wesentlichen Punkten nachgebessert. Mitarbeiter sollen ihre Beteiligung spätestens nach zwölf Jahren versteuern, sofern der Arbeitgeber nicht zuvor gewechselt oder das Unternehmen verkauft oder an die Börse gebracht wurde. Im Regierungsentwurf war eine Frist von zehn Jahren vorgesehen.

„Die Union hätte sich auch vorstellen können, die Steuer für einen Zeitraum von 15 Jahren zu stunden. Wir können aber mit dem Kompromiss leben“, sagte CDU-Finanzpolitiker Fritz Güntzler dem Handelsblatt.

Zudem kamen die Parlamentarier einer weiteren Forderung der Gründerszene nach. „Künftig können auch Mitarbeiter von der Steuervergünstigung profitieren, die mittelbar an Start-ups beteiligt sind“, erläutert Güntzler. Darunter fallen beispielsweise Personengesellschaften, in denen Beteiligungen von Mitarbeitern gepoolt waren.

Der bisherige Gesetzesentwurf hob bei der steuerpolitischen Ausnahme nur auf direkte Beteiligungen ab. Das war ein markantes Problem, da die meisten Start-ups die Rechtsform einer GmbH nutzen. Mit der Änderung können nun auch GmbHs von den Verbesserungen profitieren.

Arbeitgeberwechsel kann teuer werden

Auf Kritik in der Branche war auch die Besteuerung der Beteiligung bei einem Arbeitgeberwechsel gestoßen. Hier einigte man sich im Ausschuss auf Erleichterungen. „Wir haben dafür gesorgt, dass der Arbeitgeber bei der Gewährung von Beteiligungsrechten die Lohnsteuer übernehmen kann. Dann würde die Besteuerungsproblematik bei einem Arbeitgeberwechsel entfallen“, so SPD-Politiker Binding. Eine Besteuerung des geldwerten Vorteils würde in diesem Fall auch wegfallen.

Die Union ist mit dieser Lösung aber nicht zufrieden. „Die Lösung hilft nur in gewissen Konstellationen. Da müssen wir in der kommenden Legislaturperiode noch einmal nachsteuern“, meint Güntzler.

Auch Christoph Stresing, Geschäftsführer des Start-up-Verbands, übt Kritik: Das Problem der Dry-Income-Besteuerung werde durch die Änderungen nicht gelöst, sondern nur auf den Arbeitgeber verschoben. Auch die vereinbarte Stundungsfrist von zwölf Jahren hält Stresing für problematisch: „Nach zwölf Jahren kann ein Start-up immer noch scheitern, und dann hat man Steuern auf eine Beteiligung gezahlt, ohne etwas davon zu haben.“

Nach Annahmen des Start-up-Verbands könnten hohe Belastungen von mindestens 10.000 Euro für Mitarbeitende bei Unternehmen mit einer Bewertung von mindestens zehn Millionen Euro entstehen. Davon gibt es in Deutschland 730, wenn man von den Daten der Plattform Dealroom ausgeht.

Die Koalition argumentiert aber, die Besteuerung bei einem anderen Arbeitgeber nachzuholen, bedeute einen unverhältnismäßigen Aufwand für die Finanzämter. Zudem würde dies „die Durchsetzung des Steueranspruchs nachhaltig gefährden“ und sei bei in Deutschland nur beschränkt Steuerpflichtigen „quasi unmöglich“, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.

Stark-Watzinger kritisiert überdies, virtuelle Beteiligungen als häufigste Form der Beteiligung bei Startup-Unternehmen würden durch das Gesetz überhaupt nicht adressiert. Auch Gründer Finn Hänsel vom Cannabis-Start-up Sanity Group zeigt sich enttäuscht: "Wir geben jedem Mitarbeiter Anteile in Form von virtuellen Stock Options, aber die Attraktivität für die Mitarbeiter steht und fällt mit den Rahmenbedingungen, die leider nun schlecht bleiben, insbesondere aus steuerlicher Sicht", sagt er. "Daher wird sich leider bei uns im Unternehmen nichts zum Positiven ändern."

Mehr Klarheit bei der Frage der Unternehmensbewertung

Für mehr Klarheit konnten die Parlamentarier bei der Bewertung des Unternehmens sorgen. „Wenn Anteile vom Arbeitgeber übergeben werden, muss die Unternehmensbewertung feststehen“, so Güntzler. Schließlich hänge die potenzielle Steuerbelastung für den Arbeitnehmer davon ab.

Künftig, so Binding, „kann der Arbeitgeber im Wege einer sogenannten Anrufungsauskunft beim Finanzamt“ den Wert klären. Auf diese Weise können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die lohnsteuerlichen Pflichten klären. „Wenn die Finanzverwaltung der Bewertung nicht widerspricht, ist der Wert festgeschrieben. Wir schaffen dadurch Rechtssicherheit“, glaubt Güntzler.

Für den Mitarbeiter, der Anteile beispielsweise via Aktienoptionen erhält, ist die steuerrechtliche Lage nun klarer. Liegt der Ausübungspreis der Option beispielsweise bei 5000 Euro und beträgt der Wert der Aktien 15.000 Euro, so unterliegt die Differenz von 10.000 Euro der Lohn- beziehungsweise Einkommenssteuerpflicht. Allerdings kann davon noch der Steuerfreibetrag abgezogen werden, der künftig bei 1440 Euro liegen soll. Diese Steuerpflicht greift erst bei einem Exit, spätestens nach zwölf Jahren.

Geht es dem Unternehmen gut und die Aktienoptionen gewinnen an Wert, muss bei einem möglichen Exit, spätestens aber nach zwölf Jahren der Veräußerungsgewinn versteuert werden. Dieser unterliegt jedoch nicht dem persönlichen Steuersatz, sondern der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent. Werden die Aktien im obigen Beispiel für 20.000 Euro veräußert, wird der ursprüngliche Wert von 15.000 Euro abgezogen, sodass ein Veräußerungsgewinn von 5000 Euro versteuert werden muss.

Werden die Aktienoptionen wertlos, fallen für den Arbeitnehmer auch keine Steuern an.

Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. Die EU unternehme vieles, um Neugründungen zu fördern, etwa mit Programmen wie New Horizon und Digital Europe oder Hilfen aus den Regional- und Strukturfonds, schreiben die Europa-Parlamentarier Niklas Nienaß, Rasmus Andresen (beide Grüne) und Damian Boeselager (Volt) in einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz, der dem Handelsblatt vorliegt. „Doch wenn nationale Regierungen ein Klima schaffen, dass das die Entwicklung von Start-ups im Keim erstickt, können auch Milliarden aus Brüssel wenig bewirken.“

Mehr: Manifest der Mutlosigkeit“: Für sein Start-up-Gesetz muss Scholz viel Kritik einstecken.

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