Handelsblatt-Serie: Alternativen zum Kredit Niedrigzinsen und Corona machen die eigenkapitalähnliche Finanzierung Mezzanine attraktiv

Mittelständler können mit Mezzanine-Kapital Akquisitionen tätigen.
Frankfurt Es war ein Lichtblick inmitten der Coronakrise: Der IT-Systeme-Anbieter s.i.g.-System Informations Gesellschaft mbH hat Ende Dezember frisches Kapital bekommen. Mit M Cap Finance hat s.i.g. eine sogenannte Mezzanine-Finanzierung vereinbart. M Cap Finance ist auf mittelständische Unternehmen in Deutschland fokussiert und stellt dem IT-Anbieter aus dem bayrischen Neu-Ulm sogenanntes Nachrang-Kapital aus seinem aktuellen Mittelstandsfonds zur Verfügung.
Das Beispiel zeigt, dass solche speziellen Finanzierungsinstrumente wieder gefragt sind. Bei Unternehmern wie Investoren sind sie gleichermaßen beliebt.
„s.i.g. kann durch die Mezzanine-Finanzierung sowohl sein organisches Wachstum als auch die Übernahme einzelner Wettbewerber vorantreiben“, beobachtet Lars Gehlhaar, Geschäftsführer bei M Cap Finance. Mit Blick auf mögliche Übernahmen fokussiert sich s.i.g-Geschäftsführer Guido Fetzer nach eigener Aussage nun sowohl „auf kleinere, regionale IT-Systemhäuser als auch auf Industrial-IT spezialisierte Systemhäuser im Rahmen von Nachfolgelösungen“.
Seit dem Beginn der Pandemie bildete der s.i.g.-Deal eher eine Ausnahme. Inzwischen zieht die Nachfrage nach dem eigenkapitalähnlichen Mezzanine aber wieder an. Nachdem Unternehmen am Anfang der Coronakrise vor allem an die Sicherung ihrer Liquidität und Zahlungsfähigkeit dachten, beschäftigen sie sich nun wieder verstärkt mit der Beschaffung solchen Kapitals, um lange zurückgestellte Investitionen tätigen zu können.
„Seit einigen Wochen kommen verstärkt langfristige Finanzierungsanfragen in Richtung Eigenkapitalstärkung, Wachstum und auch Akquisitionen“, berichtet Gehlhaar.
Mezzanine-Kapital trifft den Nerv von Unternehmern und Investoren
Dies untermauert eine Studie des Thinktanks „Stiftung Senat“, dem Unternehmer, Politiker und Wirtschaftsvertreter angehören. Demnach benötigen mehr als ein Fünftel der Unternehmen im Mittelstand eine zusätzliche Finanzierung mit Eigenkapitalmitteln zur Überwindung der Coronakrise, auch über Mezzanine.
Mezzanine ist eine Art lang laufender Kredit, muss also eines Tages zurückgezahlt werden. Die Finanzierungsform ist bei Unternehmern und Investoren gleichermaßen beliebt. Denn im Gegensatz zu anderen längerfristigen Kapitalstützen ist es für ein Unternehmen flexibler einsetzbar. Im Gegenzug bietet Mezzanine Investoren stabile und höhere Renditen als ähnlich lang laufende Anlagen. Weil diese Mittel zur längerfristigen Finanzierung von Unternehmensaktivitäten in der Rangfolge anderen Verbindlichkeiten in der Unternehmensbilanz hintangestellt werden, ähneln sie bezogen auf die Haftung dem Eigenkapital.
Bedarf an Mezzanine-Kapital gibt es quer durch die allermeisten Industrie- und Dienstleistungssparten. In Europa fragen vor allem mittelgroße und kleinere Unternehmen danach. Den Großteil solcher Finanzierungen gibt es allerdings in den USA.
Zu den typischen Investoren zählen Pensionseinrichtungen, Family Offices, Versicherungen und Fonds, die wiederum Investorengeld bündeln. 50 bis 100 solcher Fonds kommen Schätzungen zufolge jedes Jahr auf den Markt.
Mezzanine gehört als Anlageklasse in den Bereich der alternativen Anlagen, genauer zum Private Debt, also zu fernab von Börsen und Banken verliehenem Kapital. In den vergangenen sieben Jahren hat sich das Volumen von Private Debt in entsprechenden Fonds weltweit mehr als verdoppelt auf 882 Milliarden US-Dollar, wie das Analysehaus Preqin errechnet hat. Solche Privatkredite erreichen damit an Volumen bereits 40 Prozent des Marktes für Hochzinsanleihen.
Mezzanine-Fonds haben daran einen Anteil von 20 Prozent. Ihr Kapital hat sich seit 2008 verdoppelt auf 166 Milliarden US-Dollar (Grafik). Der Großteil der Finanzierungen findet in den USA statt. Rund ein Drittel des gesamten Private-Debt-Kapitals wird in Europa nachgefragt.
Mezzanine gehört zu den immer beliebteren alternativen Finanzierungsformen für Firmen. „Unternehmen suchen neue Finanzierungswege“, bestätigt Jeffrey Dissmann, Leiter Investment Consulting bei der Unternehmensberatung Mercer in Deutschland. Denn Banken verleihen angesichts immer strengerer Regulierung und Kapitalanforderungen für ihr Kreditgeschäft langfristiges Geld restriktiver.
Kleinere Mezzanine-Finanzierungen erreichen Volumina zwischen fünf und 15 Millionen Euro, größere zwischen 20 und 100 Millionen Euro. Für solche Summen ist der direkte Weg an den Kapitalmarkt etwa über Anleihen meist zu aufwendig, auch wenn das nachrangige Kapital nach Einschätzung der Experten unter dem Strich etwas teurer sein könnte.
Den Umfang einer typischen Mezzanine-Finanzierung erklärt Gehlhaar von M Cap Finance mit einer Faustformel: Ein Mezzanine-Investment entspreche oft in etwa der Höhe des Firmenergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Die zumeist daneben bestehende Bankenfinanzierung variiert, oft liegt sie etwa bei dem Zwei- bis dem Dreifachen des Ebitda. Typischerweise machten infrage kommende Mittelständler einen Umsatz von 20 bis 250 Millionen Euro.
Das Mezzanine-Kapital soll die Eigenkapitalbasis in der Bilanz stärken, um etwa Investitionen in Kapazitätserweiterung, Expansion ins Ausland oder Zukäufe zu ermöglichen. Denn diese lassen sich in der Regel nicht nur über klassisches Fremdkapital finanzieren, weil dann der Bilanzmix aus den Fugen geriete. So wird ein größerer Teil eines Finanzbedarfs über einen Kredit finanziert, der kleinere Rest für typischerweise sechs bis sieben Jahre über Mezzanine.
„Mezzanine spielt eine Rolle als Katalysator“, ist Gehlhaars Erfahrung: Als zusätzlicher Finanzierungsbaustein mache es Expansionsschritte oft erst möglich. Wichtig sei vielen Unternehmen in dem Zusammenhang, dass sie „nicht unbedingt einen neuen Gesellschafter aufnehmen wollen, sondern einen Finanzierungspartner für eine überschaubare Zeit suchen, der im Nachrang wirtschaftliches Eigenkapital zur Verfügung stellt“, sagt er.
Rückzahlung erfolgt in Raten aus dem Cashflow
„Mezzanine-Projekte sind individuell strukturiert“, betont Dissmann von Mercer: Die Rückzahlung erfolge typischerweise über laufende Raten aus dem freien Kapital (Cashflow) der Unternehmen und bei Erreichen bestimmter Ziele, genannt Meilensteine. Die Refinanzierung des Rests geschieht dann oft wieder über Bankkredite.
Für Investoren bietet diese längerfristige Anlageklasse die Chance auf relativ hohe regelmäßige Erträge fernab der Börse. „Mezzanine ist eine spannende Assetklasse für Investoren“, sagt Dissmann von Mercer.
So hätten viele Altersvorsorgeeinrichtungen Zielverzinsungen für ihre Pensionspläne von 3,5 Prozent im Jahr, die sie mit klassischen Anleihen nicht mehr erzielen könnten. Aktien schwankten für sie meist zu stark im Wert. Mit dem Umstand, dass Mezzanine-Kapital im Schnitt rund acht Jahre gebunden ist, kommen diese Investoren gut zurecht, zumal regelmäßige Erträge zum Konzept gehören.
Die Renditen für Mezzanine gelten als attraktiv, sie sind zuletzt „leicht gestiegen“, wie Gehlhaar sagt. Am Markt werden die Erträge je nach Projekt mit zwischen sieben und zwölf Prozent pro Jahr beziffert.
Höhere Renditen spiegeln höheres Risiko für Investoren wider
Mit einem Renditeanstieg gehen üblicherweise höhere Risiken einher. In der Coronakrise sind die Ausfallraten auch für Mezzanine-Kapital gestiegen. Die Risiken bleiben aber auf einem relativ niedrigen Niveau, wie Marktschätzungen zeigen. In den USA haben sich die Ausfallraten in den vergangenen drei Jahren auf vier Prozent verdoppelt, in Europa auf zwei Prozent. Das könne aber auch einen Teilausfall bedeuten, nicht immer sei gleich das ganze Kapital weg, meint Dissmann.

Das Handelsblatt stellt in einer Serie die wachsende Zahl an Alternativen zum klassischen Darlehen vor – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen der Unternehmen.
Inwiefern sich die gestiegenen Risiken laufender Mezzanine-Finanzierungen negativ für Investoren auswirken, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, wenn die Folgen für mittelgroße Unternehmen klarer einschätzbar werden, meint Dissmann. Mercer erwartet, dass die Ausfallraten noch auf acht Prozent steigen können. In der Finanzkrise nach 2008 lagen diese bei bis zu zehn Prozent.
Für neu abzuschließende Mezzanine-Finanzierungen bedeutet dies aber auch höhere Renditeaufschläge für Investoren, was künftig das Chance-Risiko-Verhältnis verbessern kann. Und der Bedarf werde im Niedrigzinsumfeld weiter zunehmen. Privatkredite sind kein Nischenprodukt mehr, wie Preqin betont. Mezzanine dürfte sich entsprechend mit entwickeln.
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