Hauptversammlung Stimmrechtsberater kritisieren Commerzbank-Aufsichtsrat scharf

Viele Mitarbeiter der Commerzbank würden gerne auch künftig mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen.
Frankfurt Die Commerzbank muss sich bei der anstehenden Hauptversammlung am 18. Mai auf einen Denkzettel ihrer Aktionäre einstellen. Die Stimmrechtsberater Glass Lewis und Ivox haben die jüngsten Turbulenzen bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank in ihren Empfehlungen für das Aktionärstreffen scharf kritisiert.
Angesichts der chaotischen Zustände rät Glass Lewis den Investoren, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Das Gremium sei seinen Verpflichtungen gegenüber den Aktionären im vergangenen Jahr nicht in zufriedenstellender Weise nachgekommen, erklärte Glass Lewis. Die deutsche Glass-Lewis-Tochter Ivox ist der Ansicht, die Entlastung des Aufsichtsrats sollte „mindestens kritisch hinterfragt werden“.
Sollte die Mehrheit der Aktionäre dem Rat von Glass Lewis folgen und den Aufsichtsrat nicht entlasten, hätte das rechtlich zwar keine Konsequenzen. Es wäre jedoch ein öffentlichkeitswirksames Misstrauensvotum gegen das Kontrollgremium des Geldhauses.
Bei der Commerzbank, die sich zu der Kritik nicht äußern wollte, geht es seit knapp einem Jahr drunter und drüber. Nach heftiger Kritik des Großaktionärs Cerberus kündigten Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann im Juli 2020 ihren Rücktritt an.
Nach dem gesundheitsbedingten Rückzug von Schmittmanns Nachfolger Hans-Jörg Vetter im März 2021 warfen dann kürzlich auch noch die Aufsichtsratsmitglieder Andreas Schmitz, Victoria Ossadnik, Rainer Hillebrand und Tobias Guldimann hin – und begründeten dies unter anderem mit der dominanten Rolle des Großaktionärs Bund. Dieser hält seit der Rettung der Commerzbank in der Finanzkrise 15,6 Prozent an dem Institut.
Gottschalk zum neuen Chefkontrolleur gewählt
Als neuer Aufsichtsratschef wurde am Donnerstag auf einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums Helmut Gottschalk gewählt. Das geht aus einer Mitteilung im Intranet der Commerzbank hervor. Der 69-Jährige wird demnach auch die virtuelle Hauptversammlung am 18. Mai leiten.

Der neue Aufsichtsratschef der Commerzbank wurde anfangs von vielen unterschätzt.
Gottschalk war bereits am 14. April gerichtlich als Aufsichtsratsmitglied bestellt worden. Auf dem anstehenden Aktionärstreffen soll er nun zusammen mit vier weiteren Kandidaten regulär in das Gremium gewählt werden und im Anschluss Vorsitzender bleiben.
Seit Mitte März hatte Betriebsratschef Uwe Tschäge den Aufsichtsrat als stellvertretender Vorsitzender übergangsweise geleitet. „Uwe Tschäge gebührt mein großer Dank für seinen Einsatz in den vergangenen Wochen“, sagte Gottschalk in der internen Mitteilung, die dem Handelsblatt vorliegt.
Er freue sich darauf, im Aufsichtsrat der Commerzbank an den anstehenden Veränderungen mitzuwirken, erklärte Gottschalk. „Als Vorsitzender möchte ich einen Beitrag dazu zu leisten, dieses traditionsreiche, stolze Institut wieder zurück auf einen nachhaltigen Erfolgskurs zu bringen.“
Fehlende Stabilität im Vorstand und Aufsichtsrat
Bei der Hauptversammlung wird Gottschalk sich jedoch zunächst viel Kritik an den Querelen bei der Commerzbank im zurückliegenden Jahr anhören müssen.
„Das Verlassen des Aufsichtsrats von mehreren Mitgliedern zeugt nicht von bester Unternehmensführung und ist der Reputation der Gesellschaft nicht dienlich“, moniert der Stimmrechtsberater Ivox. „Insbesondere stellt sich hier auch die Frage, inwiefern der Nominierungsausschuss eine adäquate Vorgehensweise hervorgebracht hat.“
Glass Lews weist in seiner Studie auch auf das angespannte Verhältnis mit bedeutenden Aktionären und den Verfall des Aktienkurses in den vergangenen beiden Jahren hin. „Deshalb können Aktionäre aus unserer Sicht besorgt sein über die Kontrolle des Unternehmens durch den Aufsichtsrat und die Wahrung der Stabilität sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat selbst.“
Gerade angelsächsische Investoren folgen bei Hauptversammlungen häufig dem Rat von Stimmrechtsberatern wie Glass Lewis und ISS.
Die Commerzbank steht auch im operativen Geschäft vor großen Herausforderungen. Im vergangenen Jahr hat das Geldhaus wegen Aufwendungen für den Konzernumbau und einer erhöhten Risikovorsorge wegen der Coronakrise unter dem Strich einen Verlust von rund 2,9 Milliarden Euro gemacht. Auch im laufenden Jahr sind rote Zahlen nicht ausgeschlossen.
Um das Ruder herumzureißen, hat der neue Vorstandschef Manfred Knof dem Institut einen harten Sanierungskurs verordnet. Er will bis 2024 insgesamt 10.000 Stellen streichen und die Eigenkapitalrendite so auf sieben Prozent heben.
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