Hauptversammlung Warren Buffett lässt der aktuelle Börsenhype kalt – er setzt auf „Qualitätsaktionäre“

In diesem Jahr fliegt Buffett zu seinem Geschäftspartner Charles Munger nach Los Angeles, um das Online-Event dort aufzunehmen.
Denver Schon vor 38 Jahren hat Warren Buffett sein Ziel klar formuliert. Er wolle „nur Qualitätsaktionäre anziehen“, schrieb der Chef des Konglomerats Berkshire Hathaway 1983 in seinem „Brief an die Berkshire-Aktionäre“.
Buffett definierte diese Spezies als Einzelpersonen, die große Teile ihres Vermögens langfristig Berkshire Hathaway anvertrauen. Fast vier Jahrzehnte später zählt er mehr als eine Million dieser Anteilseigner, zu denen er „eine besondere Seelenverwandtschaft“ verspüre, wie er in diesem Jahr in seinem Aktionärsbrief erklärte.
Der Starinvestor setzt sich damit klar von vielen anderen Unternehmen ab, die im aktuellen Börsenhype vor allem auf kurzfristige Profite setzen und junge, risikofreudige Trader anziehen, die schnell reich werden wollen. Auch der Boom bei Börsenmänteln, sogenannten Spacs, die wachstumsträchtige Start-ups schlucken und an den Kapitalmarkt bringen wollen, gilt vielen Beobachtern als Zeichen der Exzesse am Markt.
Buffett und sein langjähriger Geschäftspartner Charlie Munger haben dafür nichts übrig. „Die Welt wäre besser dran ohne Spacs“, stellte Munger im Februar klar und äußerte sich gewohnt zynisch über neue Wall-Street-Trends.
„Buffett hat schon früh erkannt, dass die Aktionäre das Unternehmen beeinflussen“, sagt Lawrence Cunningham, der zu Qualitätsaktionären an der George Washington University forscht und ein gleichnamiges Buch veröffentlicht hat. Der langfristige Ansatz, den Buffett sowohl bei seinen Investments als auch bei seinen Aktionären verfolgt, „ist ein Schlüssel seines Erfolgs“.
Event findet erneut nur online statt
Buffett hat viele seiner treuen Anhänger zu Millionären gemacht. Die Aktie ist in diesem Jahr um gut 20 Prozent gestiegen – und hat wenige Tage vor der Hauptversammlung am Samstag neue Höchststände erreicht. Das Papier der Klasse A kostete am Mittwoch 409.000 Dollar und ist damit die teuerste Aktie in den USA.
Dafür wird Buffett auf den Aktionärstreffen wie ein Rockstar gefeiert. Der 90-Jährige, der Berkshire seit 56 Jahren führt, nennt die Veranstaltung gern das „Woodstock für Kapitalisten“. In diesem Jahr wird das Event, das eigentlich gut 40.000 Aktionäre aus aller Welt an den Konzernsitz nach Omaha (Nebraska) lockt, erneut nur online stattfinden.
Im vergangenen Jahr verzichtete Buffett auf die Gesellschaft von Munger, 97, mit dem er die Hauptversammlung seit Jahrzehnten gemeinsam bestreitet. Stattdessen saß Greg Abel für das gestreamte Event mit ihm auf der Bühne. Er leitet Berkshires Energiesparte und ist einer von Buffetts designierten Nachfolgern.
In diesem Jahr fliegt Buffett zu Munger nach Los Angeles, um das Online-Event dort aufzunehmen. Neben Abel wird sich auch Ajit Jain, der Chef der Versicherungssparte, den Fragen der Aktionäre stellen. Der langjährige Berkshire-Manager, ein Cousin des früheren Deutsche-Bank-CEOs Anshu Jain, soll in der Zeit nach Buffett den Konzern gemeinsam mit Abel führen.
Dies sind die wichtigsten Themen zur Hauptversammlung:
1) Kritik von institutionellen Aktionären
Berkshire Hathaway ist stärker als in den Jahren zuvor wegen verschiedener Governance-Themen in der Kritik. Der einflussreiche Aktionärsberater ISS moniert, dass Abel und Jain mit einem Grundgehalt von jeweils 16 Millionen Dollar zu gut bezahlt werden. Mit Boni und anderen Leistungen kamen sie in den vergangenen zwei Jahren auf gut 19 Millionen Dollar. Laut ISS gehört das mit zu den höchsten Gehältern für börsengehandelte Unternehmen.
Die Aktionärsberater raten dazu, dass Investoren gegen die Wiederwahl von vier Verwaltungsratsmitgliedern stimmen. „Es ist unklar, ob ein Teil der Vergütung abhängig vom Erfolg des Unternehmens ist. Diese Intransparenz wirft Fragen auf, ob der Vergütungsausschuss ausreichend Kontrolle ausübt“, heißt es bei ISS.
Zwei Aktionärsanträge fordern das Unternehmen zudem dazu auf, konzernweit aufzuschlüsseln, welche Maßnahmen es im Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Diversität unternimmt. Berkshire würde „es versäumen, zeitnah die Umweltrisiken und Chancen rund um den Klimawandel aufzuschlüsseln“, kritisiert der größte Pensionsfonds der USA, Calpers.
Berkshire will sich dem Trend rund um die sogenannten ESG-Kriterien dagegen nicht unterwerfen. Der Konzern verweist auf seine dezentrale Struktur. So arbeiten in der Berkshire-Zentrale in Omaha nur gut zwei Dutzend Mitarbeiter. Die rund 80 Tochterunternehmen würden ihre eigenen Initiativen verfolgen, die nicht auf Konzernebene gebündelt werden müssen.
Doch auch das geht einigen Anlegern nicht weit genug. „Berkshire könnte mehr tun, wenn es darum geht, die Auswirkungen auf die Umwelt zu messen und über Fortschritte bei Diversity-Initiativen zu berichten, selbst wenn man sich nur die einzelnen Tochterunternehmen anschaut“, sagt Caitlin McSherry vom Investmentmanager Neuberger Berman. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass sich für die Vorschläge Mehrheiten finden werden.
2) Aktienrückkäufe
Berkshire hat im vergangenen Jahr ein aggressives Aktienrückkaufprogramm gestartet, was dem Berkshire-Papier zu neuen Rekorden verholfen hat. Allein im vergangenen Jahr kaufte Berkshire Aktien im Wert von knapp 25 Milliarden Dollar zurück. Investoren werden auf ein Signal von Buffett warten, wie es weitergeht.
Berkshire wird am Samstag auch Zahlen für das erste Quartal vorlegen. Das Analysehaus Factset geht davon aus, dass der operative Gewinn um sechs Prozent gestiegen ist. Berkshire wurde von der Coronakrise deutlich getroffen, kann nun jedoch von der erfolgreichen Impfkampagne und von der damit verbundenen Öffnung der Wirtschaft profitieren.
Zu dem Konglomerat gehören neben dem Energie- und Versicherungsgeschäft unter anderem eine Industriesparte, der Eisenbahnbetreiber BNSF sowie gut 80 kleine und mittelständische Unternehmen. Dazu zählt der Süßigkeitenhersteller See’s Candy genauso wie die Juwelierkette Borsheims und der deutsche Motorradfachhändler Louis. Berkshire hat zudem ein Aktienpaket im Wert von knapp 300 Milliarden Dollar sowie gut 140 Milliarden Dollar an Barreserven.
Die Aktie legte in diesem Jahr rund 20 Prozent zu, deutlich mehr als der breit gefasste S&P 500, mit dem sich Buffett gern misst. 2019 und 2020 hatte Berkshire dagegen schlechter abgeschnitten als der Leitindex.
„Berkshire hat in den vergangenen Monaten von der Rückbesinnung auf Value-Aktien profitiert“, sagt Thomas Kleber, Investmentchef von Pecora Capital in New York, der bereits seit Jahren Berkshire-Aktien hält.
Buffett ist ein leidenschaftlicher Vertreter dieses wertorientierten Ansatzes, der typischerweise in Zeiten steigender Inflationsraten besser abschneidet als Wachstumsaktien. Das Papier durchbrach Anfang April zum ersten Mal die Marke von 400.000 Dollar.
Die Aktienrückkäufe der vergangenen Jahre seien daher „genau richtig“ gewesen, glaubt Kleber. „Ich wünschte, er hätte mehr zurückgekauft.“ Mit dem 1,4-Fachen des Buchwerts sei Berkshire immer noch günstig. Kleber erwartet daher, dass die Berkshire-Aktie in den kommenden Jahren um sieben bis zehn Prozent im Jahr steigen wird.
3) Die Nachfolgeregelung von Warren Buffett
Mit 90 Jahren ist Buffett der älteste CEO eines großen börsennotierten Konzerns. Der Starinvestor hat daher schon vor Jahren seine Nachfolge geregelt. Er machte Abel und Jain neben Munger zu stellvertretenden Verwaltungsratschefs – ein deutliches Signal, dass sie in der besten Position sind, den Konzern eines Tages zu führen.
Seine beiden Investmentmanager Ted Weschler und Todd Combs haben zuletzt ebenfalls immer mehr Aufgaben übernommen. Sie verwalten derzeit jeweils rund zehn Prozent des Aktienportfolios, zu dem neben Apple-Anteilen unter anderem auch Papiere von Bank of America, American Express und Coca-Cola gehören. Weschler ist zudem auf der Suche nach Auslandsinvestitionen. Combs leitet seit Anfang 2020 auch Berkshires Autoversicherer Geico.
Dass bei der Hauptversammlung am Samstag auch Ajit Jain Fragen der Investoren beantworten wird, ist ein weiterer Schritt, der die Ära nach Buffett bereiten soll. Berkshire ist fixiert auf den charismatischen und volksnahen Chef. Doch er weiß: Wenn seine Aktionäre auch nach seiner Zeit an der Spitze noch Qualitätsaktionäre bleiben sollen, dann muss er sie möglichst gut auf das Führungsteam vorbereiten.
Mehr: Fünf Schritte, mit denen Warren Buffett sein Portfolio in der Coronakrise umgebaut hat
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